Warum die ARD keinen Sport in UHD zeigt: Teil 2 des DF-Interviews mit Sascha Molina

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UltraHD Schriftzug

Im zweiten Teil des DF-Interviews mit NDR-Produktionsdirektor Sascha Molina geht es um die Anwendungsmöglichkeiten von 8K, den Kampf der Öffentlich-Rechtlichen um Relevanz in jüngeren Zielgruppen und die Gründe, warum die ARD keinen Sport in UHD überträgt.

DIGITAL FERNSEHEN: Was sagen sie zu 8K? Manche produzieren ja schon dahingehend. Es hörte sich (in Teil eins des Interviews) bei ihnen jetzt aber nicht so an, als würden die Öffentlich-Rechtlichen in absehbarer Zeit diesen Schritt mitgehen.

SASCHA MOLINA: Wir kennen die Auflösung des Auges. Das heißt, wir wissen, wieviel Grad ein Auge physikalisch auflösen kann und danach kann man berechnen, wie weit von der Bildquelle weggegangen werden muss, damit der Abstand der Pixel überhaupt noch erkennen ist. Deswegen gibt es im Internet überall diese Tabellen von Bilddiagonalen und Betrachtungsabständen. Das Durchschnittsdisplay in deutschen Wohnzimmern liegt aktuell zwischen 55 und 65 Zoll. Bei 55 Zoll Bildschirmdiagonale wäre für UHD der höchste Sitzabstand ca. 2,10 m. Bei einem größeren Abstand wäre der Unterschied zwischen UHD und HD nicht mehr erkennbar. Bei 8K dürfte der Sitzabstand bei 55 Zoll Bildschirmdiagonale folglich nicht größer als 1,30 m sein, was natürlich nicht mehr sinnvoll ist.

8K UltraHD UHD; © S.Gvozd - stock.adobe.com
8K müsse man laut Sascha Molina gar nicht zwingend ausspielen, sondern vielmehr könnte es in der Bearbeitung nützliche Anwendungsmöglichkeiten geben. © S.Gvozd – stock.adobe.com

Andersherum gesagt, man bräuchte für 8K gigantische Bildschirme oder Beamer, um so einen normalen Sitzabstand zu realisieren. Also ich glaube, dass die Entwicklung oberhalb von UHD im Moment eher von der Industrie getrieben ist, die natürlich die nächste Geräte-Generation verkaufen möchte. Ob das für den Konsumierenden einen wirklichen Effekt hat, müssen wir sehen.

Entwicklung oberhalb von UHD im Moment eher von der Industrie getrieben

Es gibt dennoch interessante Use Cases für 8K. Die liegen aber nicht unbedingt darin auch in 8K auszuspielen, sondern eher in einem größeren Headroom für Bearbeitungen. Auf dem Gebiet Zoomen per künstlicher Intelligenz zum Beispiel kann eine fest eingestellten 8K-Kamera quasi ein voll automatisiertes Basketball- oder Fußballspiel generieren, welches per KI den Bildausschnitt dynamisch anpasst. Dies könnte interessant sein für die fünfte, sechste Liga, wo niemand mehr Ü-Wagen bezahlen könnte. Da wird dann lediglich einmal so eine Automation installiert. Insofern gibt es definitiv potentielle Anwendungsmöglichkeiten.

DF: Wo wir gerade bei der Bearbeitung sind? Können sie uns Einblicke geben, wie die Arbeitssituation beim NDR aussieht, bspw. an den Schnittplätzen?

SM: Wir haben bereits moderne Schnittplätze, aber die sind jetzt nicht außergewöhnlich, sondern haben einfach nur ein bisschen mehr Leistung als konventionelle Rechner. Tatsächlich haben wir festgestellt, dass das Nadelöhr für UHD ganz woanders liegt. Es liegt nicht in der Bearbeitung, es liegt in der Sichtung. Dafür sitzen die Autor*innen in der Regel zuhause. Das UHD-Material aus den Kameras können sie mit einem normalen PC aber aufgrund der Datenmenge nicht vorsichten. Dann hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man gibt ihnen einen UHD Schnittplatz zum Sichten, was aber wirtschaftlicher Unsinn wäre, oder man macht eine Lo-Res-Kopie. Damit kann dann auch mit normalen PCs gesichtet werden.

DF: Im Gegensatz zu Ihnen im NDR und der ganzen ARD, sowie auch dem ZDF, plant Arte aber laut des letzten Berichts der KEF schon sehr bald via Satellit durchgängig in UHD zu senden.

SM: Das inhaltliche Bouquet von ARTE ist besser für ein UHD-Vollprogramm geeignet als unser Mix. Für Kultur spielt die technische Qualität eine größere Rolle als z. B. für Nachrichten oder Magazine. Theater, Opern oder Konzerte eignen sich sehr gut für UHD/HDR, deswegen wäre ein Umstieg für Arte gut vorstellbar.

Arte besser für UHD-Vollprogramm geeignet

DF: Bleiben wir dann einmal innerhalb der ARD. Wie steht der NDR im Vergleich dar?

Sascha Molina ist seit 2019 Produktionsdirektor beim NDR. Bild: Sascha Molina privat.

SM: Wir haben in der ARD eine abgestimmte Herangehensweise bezüglich UHD/HDR. Auch die Entscheidung, dass wir UHD immer mit HDR verbinden, war eine gemeinsame ARD- Entscheidung. Zunächst konzentrieren wir uns in der ARD auf Dokumentationen, Features und Reportagen. Ein anderes, sinnvolles Format für UHD könnten auch lineare Sport Produktionen, wie Olympia oder Fußball sein. Das haben wir auf dem Schirm, sehen es jedoch in der Priorität noch einen Tick weiter hinten. Das hat einfach damit zu tun, dass wir alles mit Beitragsgeldern finanzieren, mit denen wir treuhänderisch sehr verantwortungsvoll umgehen. Da müssen wir die Kosten und die Mehrwerte für unser Publikum gemeinsam betrachten.

Wenn wir über Live-Sport reden, dann reden wir über sehr, sehr teure Infrastruktur. Dann reden wir über Regie, Ü-Wagen und so weiter. Also müssten wir sehr viel neu investieren und eine Menge Geld in die Hand nehmen. Bei einer Dokumentation haben wir in der Regel sowohl die Hard- und Software für den Schnitt, sowie die aktuellen Kameras sowie alle Codecs für UHD on board. Man braucht vielleicht ein bisschen mehr Zeit für eine Produktion, aber im Prinzip sind die Mehrkosten wirklich überschaubar. Das ist ein wichtiger Punkt für uns, weil wir auf diese Weise mit Beitragsgeldern sehr verantwortungsbewusst umgehen. Nehmen wir das Beispiel Kameras: Wer noch ältere Kameras im Einsatz hat, wartet vielleicht noch ein wenig bis zum regulär geplanten Ersatz dieser Kameras. Insofern beschäftigen wir uns alle in der ARD mit UHD, aber jede*r mit einer individuellen Geschwindigkeit, je nachdem, in welcher Situation man gerade ist.

Live-Sport in UHD zu teuer, um von Beitragsgeldern finanziert zu werden

DF: Hat sich der NDR eher für p25 oder für p50 entschieden?

SM: Diese Frage hat eine technische Seite und eine gestalterische. Technisch ist es so, dass p25 bei einer UHD Auflösung für heutige Rechner eine Grenze darstellt. Solche Streams können noch gut bearbeitet werden, auch die Rendering-Zeiten sind so noch akzeptabel. Bei UHD und p50 verdoppelt sich noch einmal die Bandbreite, dann ist die Bearbeitung mit den Original-Dateien nicht mehr machbar. Es gibt aber auch eine gestalterische Perspektive. P25 ist für unser Auge verbunden mit dem Look, den wir aus dem Kino kennen. Das etwas ruckelige Bild und Alias-Effekte, wie die Rückwarts laufenden Autoräder werden psychologisch assoziiert mit Kino, weshalb dieser Look häufig auch Cinema-Look genannt wird und hochwertiger wirkt. Aus den beiden genannten Gründen führt der NDR seine meisten UHD Produktionen in p25 durch.

DF: (Vor-)Letzte Frage: Ist UHD technisch eines der wichtigsten Themen beim NDR, oder gibt es da etwas, abseits der Themen, die wir hier besprochen, das aktuell deutlich höher eingeordnet wird?

SM: Ich würde nicht sagen, das UHD zu den wichtigsten Projekten gehört. In den 90ern oder 2000ern haben die technischen Entwicklungen die Medienwelt geprägt, das ist heute nicht mehr so. Jetzt geht es eher darum, um Relevanz zu kämpfen. Heutzutage ist es so, dass es Netflix, Disney Plus und Amazon Prime gibt und jetzt kommen noch Apple+ und Paramount+ dazu. Damit ist die Fülle an Angeboten für das Publikum immens groß geworden. Dazu kommen die sozialen Netzwerke. Unser Zukunftsprojekt ist es daher, relevant zu bleiben, Produkte anzubieten, die eben mehr als nur ein sehr kleines Zielpublikum interessieren.

„Jetzt geht es darum, um Relevanz zu kämpfen“

Wir investieren viel Ressourcen und Geld in neue Produkte und die Medienforschung, um herauszufinden, welche Interessengruppen eigentlich was von uns erwarten, denn ich glaube, dass das Publikum sehr viel diversifizierter ist als früher. Früher war der Mainstream sehr groß. Heute ist es so, dass es in Wirklichkeit mehrere, kleinere Mainstreams gibt. Wir versuchen einfach für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen relevante Produkte herzustellen und anzubieten. Das ist unsere größte Herausforderung. Und wenn man dann UHD nimmt, ist das eben „nur“ Technik. Dies ist zwar auch wichtig, aber letztendlich ist es am Wichtigsten, dass die Menschen in uns einen Mehrwert sehen und uns schauen.

DF: Und wenn man es auf die Technik beschränken würde?

SM: Ich glaube, technisch ist wichtig, dass wir den guten Mix zwischen On Demand und Linear hinbekommen. An welcher Stelle macht lineare Ausspielung noch Sinn? Ich glaube nicht, dass Linear ganz verschwinden wird. Ich glaube, das Publikum will schon eine Möglichkeit haben, unterhalten zu werden. Bildqualität wird aber dabei nicht entscheidend sein, sondern entscheidend wird sein, überhaupt gefunden zu werden.

DF: Vielen Dank für Gespräch!

Das Interview führte André Beyer. Der erste Teil des Gesprächs wurde am Vorabend veröffentlicht und ist hier zu finden.

Bildquelle:

  • 8K_UltraHD: © S.Gvozd - stock.adobe.com
  • df-sky-uhd: Sky Deutschland

6 Kommentare im Forum

  1. NDR-Produktionsdirektor: "...wenn man dann UHD nimmt, ist das eben „nur“ Technik. Dies ist zwar auch wichtig, aber letztendlich ist es am Wichtigsten, dass die Menschen in uns einen Mehrwert sehen und uns schauen." Es gab mal Zeiten, da war der NDR hierzulande führend in der TV-Technik-Entwicklung, z.B. mit den ersten 3D-TV-Versuchen. Die ARD hatte mal einen technisch fortschrittlichen Satellitenkanal für die ersten 16:9-Produktionen. Jetzt gibt es keine Entscheider mit Technik-Verstand mehr - es geht nur noch um Massenbefriedigung...
  2. Und p25 wirkt hochwertiger als p50? So ein Blödsinn... Flüssig sieht doch immer besser aus, als ruckelnd? Es gibt vielleicht Sendungen, bei denen 25 frames nicht stören, sobald es aber um schnelle Bewegungen geht, sehe ich keinen Vorteil bei p25...
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