
Mit einer weiteren Entlassungswelle beerdigt Microsoft zahlreiche Xbox-Hoffnungsträger – und Xbox-Chef Phil Spencer widerspricht sich dabei selbst.
Die COVID-Pandemie sorgte für einen regelrechten Videogaming-Boom, schließlich war es für viele Menschen während des Lockdowns naheliegend, in virtuelle Welten zu entfliehen, wenn die Realität nur noch aus den eigenen vier Wänden bestand.
Doch die gewaltigen Wachstumszahlen ebbten in den letzten Jahren wieder ab. Microsofts Trumpf im Ärmel: Die größte und teuerste Studio-Übernahme in der Videospielgeschichte.
Mit dem Kauf von Activision Blizzard King wuchs Microsoft praktisch über Nacht zum einflussreichsten Spielehersteller der Welt heran. Marken wie „Call of Duty“, „Overwatch“, „World of Warcraft“ und „Candy Crush“ generieren täglich gigantische Summen und sind für Microsoft eine schier unerschöpfliche Geldquelle.
Doch dieser Erfolg, der einer niemals versiegenden Ölquelle gleichkommt, weckt neue Wachstumsphantasien, die sich mit kreativen Studios kaum noch umsetzen lassen. Und für Microsoft geht es schon lange nicht mehr darum, ob sich ein Produkt erfolgreich am Markt behauptet – es zählt die Geschwindigkeit, mit der Wachstum generiert werden kann.
Somit überrascht es nicht, dass zahlreiche Studios geschlossen wurden, obwohl die Spiele kleinere und größere Erfolge feierten. Am schmerzhaftesten für Xbox-Fans war in den letzten Jahren die Schließung von Tango Gameworks, die mit „Hi-Fi Rush“ einen regelrechten Überraschungshit landeten.
Doch was ist ein kleiner Erfolg wert, wenn man sich inmitten des milliardenschweren Microsoft-Kosmos bewegt? Microsofts Zielsetzung, um Investoren Jahr für Jahr bei der Stange zu halten: Gewinne müssen prozentual immer weiter ansteigen – denn ein gleichmäßiges Wachstum bedeutet für Microsoft Stagnation.

Für Microsoft-Chef Satya Nadella und Xbox-Präsidentin Sarah Bond ist künstliche Intelligenz der einzige Weg, um dieses Ziel zu erreichen und die Konsequenzen erleben die Angestellten von Microsoft in den letzten Jahren mit voller Härte.
Die jüngste Entlassungswelle macht vor keinem Xbox-Gaming-Studio mehr Halt: Der Xbox-Hoffnungsträger „Perfect Dark“? Eingestellt! Das Xbox-Studio The Initiative? Geschlossen!
Zudem mussten die Forza-Macher „Turn 10“ schmerzhafte Einschnitte verkraften und zahlreiche neue Spieletitel, die in Zusammenarbeit mit externen Studios bereits jahrelang in Entwicklung waren, wurden sang- und klanglos beerdigt.

Zu allem Überfluss widerspricht sich Xbox-Chef Phil Spencer mit seinen Äußerungen zunehmend selbst:
„Um Gaming langfristig erfolgreich aufzustellen und uns auf strategische Wachstumsbereiche konzentrieren zu können, werden wir die Arbeit in bestimmten Geschäftsbereichen einstellen oder reduzieren.
Mir ist bewusst, dass diese Veränderungen zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem wir mehr Spielende, mehr Spiele und mehr Spielstunden verzeichnen als je zuvor. Unsere Plattform, Hardware und unser Spiele-Portfolio waren nie stärker aufgestellt.
Wir wären heute nicht da, wo wir sind, ohne die Zeit, Energie und Kreativität derjenigen, deren Rollen nun betroffen sind. Diese Entscheidungen spiegeln in keiner Weise das Talent, die Kreativität oder das Engagement der betroffenen Personen wider. Unser Fortschritt ist kein Zufall – er ist das Ergebnis jahrelanger engagierter Arbeit unserer Teams.“
Es bleibt ein Rätsel, ob der Xbox-Chef seinen eigenen Worten Glauben schenkt. So war Spencer im Frühjahr noch begeistert von einem neuen Spieletitel, den er bereits intern anspielen konnte. Diese Begeisterung des Xbox-Chefs hatte nun zur Folge, dass auch dieses Spieleprojekt eingestampft wurde.
Stattdessen rührt Spencer die Werbetrommel für KI: Mittels „Muse“ lassen sich ganze Gameplayszenarien durch künstliche Intelligenz generieren.
Laut Microsoft wolle man durch KI den Spieleentwicklern neue Möglichkeiten an die Hand geben, um sich kreativ ausleben zu können. Doch die Realität zeigt: Die KI-Tools von Microsoft zielen vor allem darauf ab, Mitarbeiter zu ersetzen.
Inmitten der jüngsten Entlassungswelle entsendet Microsoft Einladungen an Entwicklerstudios im Rahmen der Gamescom 2025. Das Thema: „Künstliche Intelligenz in unseren Tools und Prozessen, um die Entwicklung und Veröffentlichung von Spielen effizienter zu gestalten.“ Zudem kürzt Microsoft wichtige Qualitätssicherungsstellen ein – auch in diesem Bereich dürfte zunehmend die KI die Kontrolle übernehmen.
Xbox-Producer Matt Turnbull hielt es sogar für eine gute Idee, den entlassenen Mitarbeitern eine Anleitung für KI-Suchanfragen zu schicken, damit diese durch die Hilfe von KI einen neuen Job finden. Welch Ironie, schließlich sind es Microsofts KI-Ambitionen, die zu den dramatischen Jobverlusten führen.