Streaming ist der Qualitätskiller (Teil 1/2): Datenkomprimierung im Test (DF-Tech)

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Kill Bill Vol. 2
Bildquelle: Arte, Miramax, Lionsgate

Der Streaming-Markt ist um Superlative nicht verlegen: 4K, Dolby Vision und Heimkino in Perfektion – jederzeit auf Abruf verfügbar und oft sogar zum kleinen Preis.

Doch ein wichtiger Punkt für die Bildqualität wird häufig verschwiegen: die effektive Datenrate, mit der die Videodaten komprimiert werden.

Wir wollten es genauer wissen: Was bleibt von einer hochwertig produzierten Filmaufnahme übrig, wenn 4K-Daten über Streaming-Anbieter auf einem XXL-Fernseher oder Heimkinobeamer angezeigt werden?

Hohe Datenraten mit Seltenheitswert

Sony Pictures Core Purestream
Bildquelle: Auerbach Verlag

Abseits von Sonys eigener Streaming-Plattform Sony Pictures Core (ehemals Bravia Core) und einer regional begrenzt verfügbaren Kaleidescape-Lösung, ist der digitale Videomarkt vor allem darum bemüht, den Datenaufwand so gering wie möglich zu halten.

Selbst mit 4K-HDR-Streams werden Datenraten von 20 Mbit/s angepeilt, während 40 Mbit/s bereits als „Premium-Streaming-Lösung“ angesehen werden können.

Zum Vergleich: Mit einem einzigen komprimierten JPEG-Foto eines Smartphones ist bereits das gesamte Datenvolumen ausgeschöpft, das Streaming-Anbieter für eine Sekunde Filmstreaming bereitstellen – allerdings müssen hierbei 24 Filmbilder pro Sekunde komprimiert werden.

Wer Streaming-Anbieter nur im Standard-Abo bei einer HD-SDR-Qualität nutzt, wird die Nachteile einer starken Bildkomprimierung anhand von Artefakten besonders schnell bemerken, denn hierbei sinken die Datenraten häufig auf weit unter 10 MBit/s.

Der GoT-Fallout und die UHD-Blu-ray-Erlösung

Im Jahr 2019 enttäuschte die Abschlussstaffel von „Game of Thrones“ nicht nur inhaltlich, sondern auch bei der Bildqualität erreichte das Streaming-Finale seine dunkelste Stunde. 

Massive Banding- und Block-Artefakte machten die extrem düsteren Szenen der achten Staffel zu einem ungenießbaren Pixelmatsch und Filmfans warteten sehnlichst auf den 4K-UHD-Blu-ray-Release.

Die 4K-UHD-Blu-ray-Fassung verblüffte einige Monate später mit einer vergleichsweise exzellenten Bildqualität: Dank hoher Bitrate, überzeugender Komprimierung und den Vorteilen eines HDR-Masterings zeigten sich die düsteren Bilder der Abschlussstaffel von „Game of Thrones“ in einer Bildqualität, die das Serienfinale bereits zur Streaming-Premiere verdient gehabt hätte.

Doch schon 2019 galt die UHD-Blu-ray-Disc nur noch als Nischenlösung für ambitionierte Heimkinofans, denn mehr und mehr Streaming-Anbieter drängten auf den Markt. Dabei bietet das Disc-Medium bis heute unschlagbare Vorteile.

2016 eingeführt, gilt der UHD-Blu-ray-Standard als Wegbereiter für eine effiziente und hochwertige Videokomprimierung. Das zugrundeliegende H.265-HEVC-Format zur Bildkomprimierung wurde später beispielsweise von Apple für das Videostreaming adaptiert.

Demgegenüber kochen Streaming-Anbieter wie Google mit dem VP9-Codec ihr eigenes Süppchen und jüngste Weiterentwicklungen wie AV1 ermöglichen noch geringere Datenraten bei einer visuell vergleichbaren Qualität.

Mit einer Speicherkapazität von 100 GB bietet die UHD-Blu-ray-Disc deutlich mehr Raum zur Entfaltung als ein klassischer Stream: Mit einer Videodatenrate, die häufig zwischen 60 und 80 MBit/s liegt, lassen sich auch feine Abstufungen in dunklen Bildbereichen ohne Banding- oder Block-Artefakte wiedergeben.

Doch selbst die Möglichkeiten einer UHD-Blu-ray-Disc verblassen gegenüber dem „echten Kino“.

Kinoaufnahmen in Fotoqualität: Gigantische Datenmengen

Dank des Kameraherstellers Blackmagic Design konnten wir aktuelle Kameradaten eines professionellen Kurzfilms im Originalformat auswerten. 

Auszüge des Videodrehs von Dylan Rucker sind im Youtube-Channel von Blackmagic Design in einer stark komprimierten 4K-Streaming-Qualität abrufbar, doch hierbei lässt sich die Qualität der Aufnahme lediglich erahnen.

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Das Filmteam setzte die neuen Ursa Cine Kameras von Blackmagic Design mit 17K Auflösung ein, was der vierfachen 8K-Qualität und der 16-fachen 4K-Qualität entspricht.

Imposant ist dabei nicht nur die Auflösung, sondern auch die Dateigröße: Um den 60-Sekunden-Clip herunterzuladen, müssen 16 Gigabyte bewältigt werden, obwohl bereits ein stärker komprimiertes BRAW-Aufnahmeformat zum Einsatz kommt.

Noch einmal zur Erinnerung: Während der Datenumfang einer Filmsekunde im 4K-Stream lediglich dem Datenumfang einer JPEG-Fotoaufnahme entspricht, verlangt die 17K-Aufnahme im BRAW-Format die 100-fache (!) Speicherkapazität. Doch nur mit diesem Aufwand sind die Vorzüge des Kamera-Sensors tatsächlich nutzbar.

Black Magic Ursa Cine 17K
Bildquelle: Blackmagic Design

Deshalb verwundert es auch nicht, dass keine konventionellen Speicherkarten zum Einsatz kommen, sondern Terabyte-große SSD-Speichermodule, um die gigantischen Datenmengen zu bewältigen und zugleich eine ausreichend hohe und konstante Schreibgeschwindigkeit zur Verfügung zu stellen.

Doch wie groß ist der Unterschied zwischen einer Rohaufnahme und der späteren Streaming-Qualität wirklich?

Datenkomprimierung vs. Bildqualität

DaVinci Resolve
Bildquelle: Auerbach Verlag

Im Profi-Videoschnittprogramm haben wir uns die Videodaten der Ursa Cine 17K innerhalb einer 8K-Timeline einmal genauer angeschaut. 

Selbst bei einer 300-Prozent-Vergrößerung ist es erstaunlich, wie fein das Rauschmuster des 17K-Kamerasensors ausfällt.

8K RAW
Bildquelle: Auerbach Verlag

Hier kann man von echter Foto-Qualität im Videobewegtbild sprechen!

Um den Effekt der Videokomprimierung zu testen, wählten wir im ersten Schritt für den Videoexport das Qualitätsoptimum, das aktuell durch die 4K-UHD-Blu-ray und Sonys Streaming-Plattform ermöglicht wird.

Mit einer Qualitätseinstellung von ca. 80 Mbit/s (4K, 10 Bit, H.265) erhält man eine finale Videodatei mit 0,65 GB für eine Minute Film mit 24 Bildern pro Sekunde.

4K Blu-ray Qualität
Bildquelle: Auerbach Verlag

Doch selbst bei einer derart großzügigen Datenrate leidet die Bildqualität der Kameraaufnahme: Einzelne Strukturen und das ultrafeine Rauschmuster des Sensors werden glattgebügelt und der Gesamteindruck ist nicht nur verwaschener, sondern auch digitaler und weniger organisch.

In einem weiteren Test überprüften wir die gängigen Streaming-Datenraten von 15 MBit/s und 25 MBit/s. Der Qualitätsverlust ist in beiden Fällen trotz der 4K-Auflösungsqualität so dramatisch, dass man das Kamera-Originalbild nicht mehr rekonstruieren kann.

15 Mbit/s
Bildquelle: Auerbach Verlag
25 MBit/s
Bildquelle: Auerbach Verlag

Mit einer klassischen Streaming-Bitrate kann man sich den Aufwand, mit einer Ursa Cine 17K Aufnahmen produzieren zu wollen, eigentlich sparen, denn unter diesen Voraussetzungen lässt sich die Bildqualität der Kamera nicht mehr realistisch vermitteln.

Der einzige Vorteil der extremen Bildkomprimierung: Mit 0,15 und 0,2 GB pro Minute fallen die Videodaten nochmals deutlich kompakter als bei einer UHD-Blu-ray-Qualität aus.

Zudem sind die Unterschiede zwischen einer Komprimierung mit 15 MBit/s und 25 Mbit/s alles andere als trivial: Aufgrund der geringen Datenrate macht sich jedes zusätzliche Datenvolumen positiv bemerkbar.

15 MBit/s
Bildquelle: Auerbach Verlag
25 Mbit/s
Bildquelle: Auerbach Verlag

Dennoch bleibt das Ergebnis ein Affront gegenüber dem Kameraoriginal.

RAW
Bildquelle: Auerbach Verlag

Welche Qualität ist erstrebenswert?

Während die originale 60-Sekunden-Kameraaufnahme mit 16 Gigabyte jegliche Dimensionen sprengt, wollten wir wissen: Welche Datenkomprimierung im H.265-10-Bit-Format ist erstrebenswert, um die Originaldaten dennoch bestmöglich zu erhalten?

In mehrere Tests erhöhten wir die Datenrate: Zunächst auf 120 MBit/s, dann auf 150 MBit/s und schließlich auf 200 MBit/s. Selbst bei 200 MBit/s und einer 8K-Auflösung war die künstliche Weichzeichnung der Komprimierung immer noch erkennbar, weshalb wir die Datenraten noch weiter erhöhten.

8K 300 Mbit/s
Bildquelle: Auerbach Verlag

Erst bei einer Datenrate von 300 MBit/s konnten wir keine störenden Weichzeichnereffekte aufgrund der Komprimierung mehr ausmachen. 

Unser erstes Ziel war erreicht: Die 60-Sekunden-Videodatei der Cine Ursa 17K konnte mit einer HEVC-Komprimierung und einer Datenrate von 300 MBit/s zurechtgestutzt werden, ohne die Darstellungsqualität in 8K-Auflösung allzu negativ zu beeinträchtigen. Die Datenersparnis fällt dennoch beachtlich aus: die 16-GB-Datei wird auf 2,3 GB reduziert.

Datenrate im Kinosaal

Nachdem wir eigene Erfahrungen mit der Datenkomprimierung gesammelt haben, richteten sich unsere Blicke auf das große Kinovorbild. Durch die stetig anwachsende Kapazität von Speichermedien ist es problemlos möglich, dass Filme im Kinosaal hunderte Gigabyte umfassen. 

Das sogenannte DCP (Digital Cinema Package) ist das standardisierte digitale Format zur Auslieferung von Kinofilmen. Das Bildkomprimierungsverfahren basiert auf dem JPEG-2000-Standard, ein deutlich flexibleres Kompressionsverfahren als es der typische JPEG-Standard bei Fotos darstellt. 

Dank einer besseren Bildqualität bei gleicher oder stärkerer Datenkomprimierung wird der JPEG-2000-Standard trotz seines hohen Alters noch immer für professionelle Kinoanwendungen eingesetzt.

Wendet man die DCP-Export-Funktion auf die 16-Gigabyte-Kamera-Datei an, landet man durch die Datenrate von 250 MBit/s bei einer Dateigröße von ca. 2 GB – also ziemlich genau bei der Dateigröße, die wir im eigenen Test als Idealwert mit einer HEVC-Komprimierung ermittelten.

Dabei stellen die 250 MBit/s in den besten Kinosälen längst nicht das Ende der Fahnenstange dar: Werden größere Leinwände im IMAX-Format und höhere Auflösungen angestrebt, kann die Datenrate im Kino sogar auf ca. 500 MBit/s anwachsen.

Christopher Nolans Film „Oppenheimer“ bringt es dadurch auf stattliche 485 GB und verschlingt damit fast das fünffache Datenvolumen einer UHD-Blu-ray-Disc.

Durchaus überraschend: Auch Streaming-Anbieter wie Netflix setzen die Kinovorgaben 1:1 bei eigenen Filmproduktionen um. Die erzeugten DCP-Filmdaten sind in den Netflix-Archiven mit 250 MBit/s gespeichert, bei HDR-Dolby-Vision-Produktionen werden sogar Datenraten von 500 MBit/s angestrebt.

Netflix DCP
Bildquelle: Auerbach Verlag

Das Problem: Während sich im Kinosaal die maximale DCP-Qualität tatsächlich auskosten lässt, bleibt die bestmögliche Bildqualität bei Streaming-Anbietern wie Netflix unter Verschluss. Gleichgültig, wie teuer das Streaming-Abo und wie leistungsstark die eigene Internetverbindung auch ausfällt: Von der ursprünglichen Qualität der Produktion kommt beim Streaming-Zuschauer nur noch ein stark komprimiertes Abziehbild an.

4 Kommentare im Forum
  1. Tja, was soll ich sagen. Predige seit Jahren in der Familie und im Bekanntenkreis, dass Streaming in den meisten Fällen qualitativer Mist ist. Scheinbar legen die Leute aber darauf keinen Wert mehr. Beim Sound ist es doch das Selbe. "Oh ich habe doch eine super Soundbar vom Discounter, die ist absolut Spitze." So wird oft argumentiert. Ich selbst habe eine 5.1 Anlage, nichts besonderes, nicht sauteuer aber jeder Soundbar die ich bis heute gehört habe um Längen überlegen.
  2. Digitalisierung und Komprimierung ist Verarschung von Augen und Ohren. Es wird alles weggelassen, was man angeblich nicht sieht und hört. Am Ende der Übertragungsstrecke bleibt immer nur eine Karikatur vom Original. Intra-Frame – Wikipedia Bewegte Differenzen – Das Encodingwissen
  3. Das ist so nicht korrekt. Wenn man mit genug Abtastrate und Quantisierung digitalisiert, geht bis auf den esoterischen Anteil nichts verloren. Auch eine Komprimierung kann verlustfrei sein. Die Problematik, die sich jedoch ergibt, ist, dass durch die Komprimierung die Qualität plötzlich skalierbar wird. Hiervon wird fleißig Gebrauch gemacht, teilweise wird dabei sogar extrem übertrieben. Beim Streaming ist klar, dass möglichst hoch komprimiert wird, schließlich kostet dieser individuelle Traffik Geld. Andererseits hat man hier den Vorteil, dass vorkomprimiert werden kann. Bei einem linearen Programm dagegen muss "On the Fly" komprimiert werden, was nicht so effizient ist. Andererseits sollte man insbesondere beim über Zwangsgebühren finanzierten Rundfunk im Jahr 2025 nicht anfangen, überall mit Datenrate zu geizen, nur um das Geld für weitere Apps und sonstige Onlinespielereien hinauszuwerfen.
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