
James Gunn belebt Superman neu: Sein Film ist überraschend anders und arbeitet sich an der amerikanischen Außenpolitik ab.
Unpolitische Filme gibt es sowieso nicht. Die Frage ist nur, wie transparent das Politische im Einzelfall ausgestellt und verhandelt wird. Wie sehr ist sich ein Film seiner eigenen politischen Dimensionen bewusst? Im Falle des neuen „Superman“ muss man sagen: Er weiß darum offenbar in jeder Minute. Vielleicht hat man James Gunn zu lange und zu voreilig mit grellem, rotzigem B-Kino, mit kunterbuntem Spaß in Verbindung gebracht. Seine „Guardians of the Galaxy„-Filme haben dem ein markantes Siegel aufgedrückt. Was Gunn jedoch als Autor und Regisseur mit „Superman“ anstellt, ist einer der nach außen hin vielleicht politischsten Superheldenfilme seit Christopher Nolans „The Dark Knight„. Und es ist ein thematisch überaus düsteres Werk obendrein.
Dieser DC-Blockbuster ist nicht auf die Art politisch, wie es eifrige Kulturkämpfer im Vorfeld gern haben wollten. Als bekannt wurde, der Film würde eine Migrationsgeschichte erzählen, wurde schnell eine Fraktion der Empörten laut. Zu „woke“ sollte der Film direkt sein. Dabei ist diese Facette, also die Migrationsgeschichte, noch das unauffälligste Politikum im Film. Von dem inhaltsleeren Nonsens dieses Woke- und Anti-Woke-Geschwätzes einmal abgesehen! „Superman“ in der 2025er Version, nun gespielt von David Corenswet, ist eine außergewöhnliche Comic-Adaption. Außergewöhnlich schon allein deshalb, weil sie sich für ein Reboot wenig um herkömmliche Erzählkonventionen schert.

„Superman“ hebt sich von vielen anderen Comic-Filmen ab
Das ist kein Film, der sein Publikum noch einmal mit einer ewig ausgewalzten Hintergrundgeschichte nervt. Stattdessen setzt er voraus, dass die meisten Zuschauer ohnehin grob wissen, wer Superman, wer Lois Lane, wer Lex Luthor ist und um mit welchem kulturellen Ballast sie daherkommen. Die nötigsten Informationen werden über wenige Dialogzeilen und Texttafeln am Beginn des Films gegeben. Umso mehr Zeit bleibt also, um direkt in ein hitziges, geopolitisches Krisenszenario zu springen.
Superman hat einen Angriffskrieg verhindert. Das fiktive Land Boravia wollte seinen Nachbarn Jarhanpur in Osteuropa überfallen. Der amerikanische Held, der ursprünglich von einem fremden Planeten kam, hat das Kriegsgerät zerstört und Folter eingesetzt, wie man früh erfährt. Doch der Angriffskrieg scheint erneut zu beginnen und gemeint ist damit offenkundig Russlands Krieg gegen die Ukraine. Das wird spätestens dann ersichtlich, wenn Boravias Präsident (Zlatko Burić) auf einem Gemälde als berittener Held erscheint. Eine Anspielung auf Wladimir Putins Oben-Ohne-Fotos. „Superman“ öffnet sich zwar, dass man seine Konstellation auch auf andere Kriege übertragen kann, vor allem im Mittleren und Nahen Osten. Schlussendlich ist er von dem Ukrainekrieg dennoch kaum zu lösen. Dessen Lösung hat er als fragwürdiges Ass im Ärmel: Was, wenn einfach Superhelden aus den USA losziehen, kurzen Prozess machen und den Krieg militärisch beenden?
Rückkehr der Weltpolizei?
Die USA können sich damit noch einmal im Kino als Weltpolizei wähnen, dieses alte Image, das man unter Trump doch ablegen wollte, oder nicht? Zugleich ist „Superman“, wenig überraschend, so in seine verschiedenen Heldenfiguren (Ja, Mehrzahl!) vernarrt, dass die staatlichen (Miss)Geschicke im Hintergrund schon gar keine Rolle mehr spielen. Sie können sich immer noch aus der Reserve ziehen. Dass man sich alle Optionen offenhalten kann, beweist Donald Trump schließlich höchstpersönlich in seinem Auftreten.
An dem einen Tag taugt das Bloßstellen und Degradieren des ukrainischen Präsidenten zum öffentlichen Schauspiel. Am nächsten Tag dann kehrt er zurück in die Rolle des Friedensvermittlers und Weltverbesserers. Nur, dass in der realen Welt die Schlachten dann eben nicht von Superhelden, sondern von Armeen, Zivilisten und Regierungen gewonnen und verloren werden müssen. Das vergisst dieses Kino, das vom schnellen Intervenieren träumt, aber beim Thema Verantwortung arg unterentwickelt und feige bleibt. Überhaupt, für wen oder was sollen die Helden im Film denn nun eigentlich stehen?

„Superman“ wird in seiner Komplexität unterschätzt
Mit dem Treiben der Superhelden, die hier die Weltpolitik einfach die eigene Hand nehmen, scheint man keine Probleme und moralischen Bedenken mehr zu haben. Ein Problem hat man in „Superman“ nur mit gierigen Tech-Bossen wie Lex Luthor (Nicholas Hoult), der den Schurkenstaat mit Waffen unterstützt und das politische System untergräbt, um sich als Kriegsbeute ein Stück des überfallenen Landes sichern zu können. In Luthors geheimen Welten und Gefängniskammern findet der Film dabei überraschend eindrucksvolle und psychedelische Bilder.
„Superman“ hat wenige, aber treffend platzierte Schauwerte und legt daneben recht wenig Wert auf die großen Action-Exzesse und Materialschlachten. Auch in dieser Hinsicht überrascht James Gunns Reboot. Die wenigen längeren Kampfsequenzen sind vor allem auf ihre symbolischen Räume verdichtet: eine digitale Tech-Hölle, ein leeres Stadion, ein Riss, der durch die Erde geht. Die Floskel der zerrissenen amerikanischen Gesellschaft wird hier noch einmal wörtlich genommen. Auch wenn man die eigentliche Risse dann woanders findet.
Man findet sie im Verhältnis der USA zum größer werdenden Monopol einzelner Konzerne, die auch den digitalen Raum vergiften und manipulieren. Und man findet sie im Verhältnis des Westens zur eigenen, auszuhandelnden Rolle auf dem internationalen Parkett. Das meint hier vor allem: die militärische. „Superman“ gehört damit zu den zentralen, diskussionswürdigsten Superheldenfilmen der letzten Jahre. Dass seine komplexen politischen Themen in der internationalen Kritik bislang so wenig reflektiert werden, zeigt leider, wie oft die Kunstform Film immer noch unterschätzt und wie sich die Filmkritik wiederum vor ihrer eigenen Rolle und Verantwortung fürchtet.
„Superman“ läuft seit dem 10. Juli 2025 im Verleih von Warner Bros. in den Kinos.
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