
Regisseur Spike Lee hat sich mit „Highest 2 Lowest“ an der Neuinterpretation eines echten Klassikers versucht. Jetzt läuft der Film bei Apple TV+.
Wenn noch der geringste Zweifel daran bestand, dass Denzel Washington einer der talentiertesten Schauspieler unserer Zeit ist, dann wird dieser Zweifel spätestens hier beseitigt. „Highest 2 Lowest“, der jetzt im Streaming läuft, ist das neue Werk des Autorenfilmers Spike Lee und feierte bereits im Frühjahr seine Weltpremiere in Cannes. Lee, verantwortlich für Filme wie „Do the Right Thing“, „Malcolm X“ oder „BlacKkKlansman“, inszeniert Washington hier in erstaunlich vielen Facetten. Er darf sowohl kleine Einsprengesel eines Action- und Thrillerhelden verkörpern als auch sein ganzes Talent in Sachen Sprechtheater vorführen.
Dieser Film besteht die meiste Zeit daraus, Menschen in Zimmern zusammenzubringen und ihnen dann beim Vortragen dieser wunderbar geschliffenen Dialoge und Monologe zu beobachten. Gekrönt von einer furiosen Konfrontation in einem Tonstudio. Man hängt gerade Denzel Washington an den Lippen, wenn er sich in Rage redet, wenn er zu Tiraden ausholt, wenn unter der Fassade des gelassenen Familienvaters plötzlich Strenge und eiskalter Geschäftssinn durchschimmern.
In einer Szene kokettiert Washington aus Frust nach einem Gespräch mit einer Selbstmordgeste. Er sitzt in seinem Bürostuhl und hält sich wiederholt die imaginäre Waffe seiner Finger an den Kopf, aber er macht das gleich mehrfach und in einer Schnelligkeit und Beiläufigkeit, dass allein diese winzige Szene zum großen Schauspielerkino wird.

Darum geht es in „Highest 2 Lowest“
Spike Lee hat sich für „Highest 2 Lowest“ den Krimi-Klassiker „Zwischen Himmel und Hölle“ aus dem Jahr 1963 von Akira Kurosawa vorgenommen. Er adaptiert diese Romanverfilmung neu und verlagert deren Plot vom Schuhgeschäft ins Musikgeschäft der Gegenwart. Denzel Washington spielt dabei eine Produzentenlegende namens David King. Er wacht über seine Musikfirma und hat sein Gespür für aufstrebende Talente erfolgreich unter Beweis gestellt.
Gemeinsam mit seiner Familie bewohnt er ein teures Penthouse in New York, aber er sieht sich mit den Umwälzungen seiner Branche konfrontiert, die er selbst noch nicht so ganz wahrhaben will. Sein Erfolg strauchelt. Plötzlich soll Musik etwa mit künstlicher Intelligenz produziert werden, alte Qualitäten werden nicht mehr geschätzt und dann folgt der Schock: Angeblich wurde Kings Sohn entführt. Und selbst als sich die Entführung als Verwechslung entpuppt, hören die Probleme nicht auf.
Die Musik bleibt im Kopf
„Highest 2 Lowest“ ist, wie man das von Spike Lees Filmen oft kennt, vor allem in seinen Parallelmontagen umwerfend inszeniert und geschnitten. Gerade in einer zentralen Geldübergabesequenz, die sich in der Feierstimmung der puerto-ricanischen Parade und eines Konzerts auf offener Straße in der Stadt verliert, läuft er zu Höchstform auf, weil Lee in solchen Momenten sein Kino in Richtung eines virtuosen Musikvideos bewegt.
Aufregend ist das nicht nur aufgrund seines reinen Tempos, mit der hier Eindrücke verknüpft werden und die Geschwindigkeit und Anspannung des Gezeigten in eine Form bringen, sondern auch, wie konträr die Musik in ihrer Stimmung mitunter eingesetzt wird. Die größte Bedrohungslage erhält plötzlich etwas Spielerisches, fast heiter Komödiantisches. Howard Drossins Score vereint vor allem eingängige Klaviermelodien mit Schlagzeugrhythmen und treibt den Film mitreißend voran.

Außergewöhnlicher Thriller
Dazu bedient sich „Highest 2 Lowest“ einer ganz eigenwilligen, mäandernden Dramaturgie, die im Grunde mehrere Genres, Tonalitäten und Erzählebenen verwebt. Wie mehrere Filme in einem mutet das bisweilen an. Er lehnt sich zwar an das Thriller-Genre an, lässt aber dessen Formeln immer wieder mit seinem konzentrierten Dialogkino und all den charakterlichen Dramen frisch und unverbraucht erscheinen.
Was Spike Lee hier in gewohnt coolem Gewand inszeniert, ist nicht nur ein moralischer Konflikt, der abwägen muss zwischen Empathie, Loyalität und den nackten Zahlen des eigenen Geschäfts. Das setzt sich Schritt für Schritt zu einem immer größeren Bild zusammen, das die Machtverhältnisse der Musikbranche und Kulturindustrie, aber auch einer ganzen Gesellschaft voller Gatekeeper aufs Glatteis führt.
Vielleicht ist der Film hier fast schon etwas zu versöhnlich nach all seiner Hatz und nach all seinen Krisen zwischen Mentoren und Nachwuchs, Vätern und Söhnen, Geldgebern und Künstlern. Deren Verwicklung in diesen großangelegten Kriminalfall, so zeigt es Spike Lee, befördert nur die zugespitzte Konsequenz ihrer Abhängigkeiten, internen Kämpfe und Rangfolgen zu Tage. So oder so schaut man gern dabei zu, wie Spike Lees Figuren darum kämpfen, ihre heile Welt in all den schicken Büroräumen und Designerapartments zu bewahren, die in letzter Konsequenz mehr einer versuchten Abschottung denn einer tatsächlichen Anpassung oder Änderung gleicht.
„Highest 2 Lowest“ feierte seine Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Cannes und läuft seit dem 5. September 2025 bei Apple TV+.