Kommentar: „Kann die Medienanstalt Sachsen-Anhalt so noch staatsfern sein?“

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Eigentlich sollen sich Politiker zum großen Teil aus der Medienaufsicht in Deutschland heraushalten. Doch in Sachsen-Anhalt scheint das nicht so richtig zu funktionieren. Warum?

Martin Heine muss ein Mann mit viel hintersinnigem Humor sein. Am Ende einer von ihm, dem Direktor der Medienanstalt Sachsen-Anhalt (MSA) herausgegebenen Pressemitteilung über die am 8. Dezember 2021 Konstituierung der Versammlung für die 6. Amtsperiode (2021-2027), formuliert Heine: „Als staatsferne Institution wird sie (die Medienanstalt – d. Red.) nicht aus Steuergeldern, sondern aus einem ca. zweiprozentigen Anteil der in Sachsen-Anhalt anfallenden Rundfunkgebühren finanziert…“

Der ehemalige Staatsanwalt und heutige Anstaltsdirektor Heine hat seine besonders interessante Auslegung des Begriffes „staatsfern“ nicht exklusiv. Die „Staatsferne“ zieht sich wie ein schwarz-roter Faden durch die die Anstalt und ihre Gremien:
Markus Kurze, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, ließ sich durch die Mehrheit der Versammlung zum Vorsitzenden des Gremiums wählen.

Vermischung von Medienpolitik und Medienaufsicht?

„Markus Kurze…. ist das nicht der?“ Ja, es ist genau dieser Markus Kurze, der im letzten Jahr für die Fraktion der Christdemokraten im Landtag von Sachsen-Anhalt die Ablehnung des Rundfunkänderungsstaatsvertrages vehement verteidigte. Die von der Politik unabhängige, mit Fachleuten besetzte Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD, ZDF, Deutschlandradio und Arte (KEF) hatte eine Anhebung um 86 Cent pro Monat für angemessen erachtet. Kurzes CDU-Fraktion folgte dem – rechtlich eigentlich bindenden – Vorschlag der KEF nicht und ließ die bundesweite Anhebung der Rundfunkgebühren zum 1. Januar 2021 platzen. Das Bundesverfassungsgericht kassierte diesen in der Geschichte der Bundesrepublik einzigartigen Rechtsbruch im August 2021.

Schaut man noch tiefer, dann weitet sich das Bild: Bereits in der 5. Versammlung (2015-2021) saß Kurze dem Vorstand der MSA vor. Da in Sachsen-Anhalt – wie in allen anderen Bundesländern – die Landesmedienanstalt aus dem Aufkommen der Rundfunkgebühr finanziert wird, hatte der Kurze als Landtagsabgeordneter mit seiner Verweigerung der Rundfunkgebührenanpassung eigentlich gegen seine Pflichten als Vorsitzender der MSA gehandelt. Denn die Landesmedienanstalten erhielten jeden Monat je 33 Cent vom 17,50 Euro hohen Rundfunkbeitrag pro Haushalt. Für Kurze ist diese Doppelrolle und der damit einhergehende Interessenkonflikt offenbar kein Problem. Zudem eine auch hier interessante Auffassung von „Staatsferne“. Konsequenzen hatte dies nicht. Zumindest ist kein Einschreiten der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, die die Rechtsaufsicht über die Medienanstalt hat (§ 54 Mediengesetz LSA) besitzt, bekannt.

„Ehrenamt“ für 670 Euro im Monat

Eine interessante Aura umgibt auch Prof. Dr. Conrad Breitenborn. Der scheint mit der Landesmedienanstalt geradezu verwachsen. Der in Halle geborene Breitenborn amtiert seit 2003 als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der MSA. Einst mit FDP-Landtagsmandat in der Versammlung agierend, wechselte in der 5. Versammlung auf das Ticket des Landesheimatbundes Sachsen-Anhalt e.V.. In die aktuelle 6. Amtsperiode zog der 72jährige Breitenborn über eine Entsendung des „Verein Deutsche Sprache e.V.“ ein. Ein Mann, der das Ehrenamt einfach nicht lassen kann!

Wobei „Ehrenamt“ hier schon einen faden Nebengeschmack hat, denn die Mitglieder der Versammlung erhalten stattliche „Aufwandsentschädigungen„. Das beginnt bei der monatlichen „Grundentschädigung“ von 338 Euro und geht bis 670 Euro für den Vorsitz dieses ehrenamtlichen Gremiums. Pro Sitzungstag gibt es noch ein Sitzungsgeld in Höhe von 75 Euro – gut, dass die Sitzungen selten länger als zwei Stunden dauern dürften.

Doch zurück zu den aktiven Vertretern der Politik im staatsfernen Gremium: Holger Hövelmann (SPD), ehemaliger Innenminister von Sachsen-Anhalt, wurde als Vorsitzender des Rechtsausschusses gewählt. Auch sein Stellvertreter, Daniel Sturm, arbeitet im Landtag – als Abgeordneter mit CDU-Mandat. Praktischerweise sitzt Sturm seit dieser Legislatur dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Kultur vor. Einige der weiteren Mitglieder des Ausschusses sind nicht ganz unbekannt: Unter anderem sind dies Holger Hövelmann und Markus Kurze.

Ob sich die Ausschussmitglieder jemals einzeln oder als Gruppe mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. März 2014 beschäftigt haben, ist nicht bekannt. Das Gericht hatte in einem Grundsatzurteil über das Gebot der Staatsferne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geurteilt und dieses bekräftigt. Zudem dürfen Regierungsvertreter keinen entscheidenden Einfluss mehr auf die Besetzung der Gremienmitglieder ausüben. Die politische Hygiene hätte geboten, dass dieses Urteil auch Auswirkungen auf die Versammlung der Medienanstalt Sachsen-Anhalt entfaltet, die die privaten Medienanbieter kontrolliert. Das aber scheint nach diesem 8. Dezember 2021 wieder mal zu Kurz(e) gedacht. 

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