
Mit „Heidi – Die Legende vom Luchs“ kommt ein neuer Film über die berühmte Alpen-Heldin in die Kinos – und wartet mit einigen Überraschungen auf.
Gitti und Erika wurden ausgewechselt. Schon der ikonische Titelsong ist anders. Er wurde neu eingesungen von Claudia Koreck, klingt nun etwas gediegener, etwas melancholischer. Das passt zum wehmütigen Zeitgeist. Die Heiterkeit des Ohrwurm-Schlagers ist hörbar getrübt, wenngleich sich der Film selbst alle Mühe gibt, sich zum Positiven, Versöhnlichen durchzukämpfen. Mit schlechten Gefühlen soll dann doch niemand aus dem Kinosaal entlassen werden.
Heidi wurde nicht nur als Kinderbuchheldin berühmt, sondern vor allem auch durch die animierte TV-Serie aus den 1970ern, die so manche Generation geprägt haben dürfte. „Die Legende vom Luchs“ ist nun deutlich in den Bildwelten dieser Serie verortet. Er unternimmt dabei allerdings einen etwas zweischneidigen Wechsel von der 2D- zur 3D-Animation. Beeindruckend sieht das in manchen Naturbildern aus, gerade in dem stimmungsvollen Einstieg, in dem die wolkenverhangene Bergwelt früh morgens zum Leben erwacht.
Schade nur, dass die Qualität der Animation ansonsten so stark schwankt. Sie hat hin und wieder Mühe, ihre Detailverliebtheit auszuweiten und auszubalancieren. Figuren erscheinen in ihrem Agieren und Sprechen dadurch manchmal arg leblos und wie ferngesteuerte Roboter, Fremdkörper in sorgfältig gestalteten, realistisch anmutenden Kulissen. Puppenkörper, deren Gesichtern immer wieder das Leben entweicht. Der Spagat zwischen konkretem Abbild und der betont künstlichen Abstraktion erscheint hier etwas unausgegoren.

Darum geht es in „Heidi – Die Legende vom Luchs“
Der neue „Heidi“-Film überrascht jedoch insofern positiv, als er eine beachtlich konsequente Haltung an den Tag legt. Er wird wahrscheinlich kaum einen ähnlichen kulturellen Stellenwert erlangen, wie das der Anime-Serie gelang. Sehenswert ist er dennoch. „Die Legende vom Luchs“ ist zwar ein hemmungslos didaktischer Kinderfilm, aber man muss in der gegenwärtigen Landschaft der Animationsfilme schon froh sein, wenn sich mal wieder ein Film für eine junge Zielgruppe an derlei große politische Fragen wagt. Er stellt nämlich mehr an, als etwa nur das Glück der Heimeligkeit und der Kernfamilie zu betonen, wie das zahlreiche andere Kinderfilme unternehmen.
„Die Legende vom Luchs“ ist kein Remake der ursprünglichen und vielfach adaptierten Heidi-Geschichte. An einer solchen Neuauflage arbeiten aktuell RTL und der SRF, wie DIGITAL FERNSEHEN berichtete. Vielmehr wird hier eine Fortschreibung angestellt. Es wird eine in sich geschlossene Episode aus der Bergwelt erzählt. Ein Wiedersehen von Heidi und ihrer Freundin Clara platzt, als ein kleiner Luchs dazwischenkommt. Heidi und Peter kümmern sich um das Tier und damit beginnen die Probleme. Parallel dazu erscheint nämlich Herr Schnaittinger in Dörfli und mit ihm das Paradebeispiel des gierigen Kapitalisten. Der Unternehmer will ein Sägewerk errichten. Die Dorfbewohner, die ihrem Alltag nachgehen und ihren Handel treiben, sollen fortan nach seiner Pfeife tanzen. Damit bereitet dieser Film einen erstaunlich düsteren, aber auch konsequent desillusionierenden Stoff kindgerecht auf.

Bergidyll in Gefahr
„Heidi – Die Legende vom Luchs“ zeigt schlussendlich, wie die Logik des Kapitalisten in ihrem intriganten, kompromisslosen Profitstreben demokratische Strukturen ad absurdum führt oder gar unterläuft. Getrickst wird so, dass der Plan des Einzelnen und Privilegierten aufgeht. Und der Film geht noch weiter! Er zeigt nämlich ebenso, wie jene Kapitallogik das Faschistoide keineswegs scheut, sondern geradezu umarmt, wenn es gerade der Gewinnmaximierung und dem eigenen Vorteil dient. Ein Thema und eine Beobachtung, mit der sich auch gegenwärtige Blockbuster wie „Dune“ oder die „Joker“-Filme beispielsweise auseinandersetzen.
In den vergifteten Versprechen und in der Unterordnung, die Schnaittinger verlangt, spielt auch das Inszenieren von Sündenböcken eine zentrale Rolle. Es geht darum, Angst zu schüren. Angst davor, dass Menschen bedroht werden oder Teile ihres gewohnten Daseins einbüßen könnten. Und als Sündenbock taugt sowohl Heidis Großvater, der Alm-Öhi, als vermeintlicher Brandstifter als auch ein unschuldiges Tier, das man zum Schreckgespenst ernennt, obwohl es von den Menschen erst aus seiner Umgebung vertrieben wurde. Denn das bleibt von dem großen Geschäft übrig: Verwüstung, Rodung, zerstörte Natur, das Rauben von Lebensgrundlagen. Zumindest dann, wenn Heidi und ihre Verbündeten nicht gerade den Tag auf der Kinoleinwand retten.
„Heidi – Die Legende vom Luchs“ läuft ab dem 26. Juni 2025 in den deutschen Kinos.
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