
„Club der Dinosaurier“ verwandelt pubertierende Teenager in monströse Dino-Gestalten. Jetzt kann man die erste Staffel vorab streamen.
Mit den Testosteron-Pillen soll alles besser werden. Endlich ein Alpha sein! Endlich dazugehören, männlicher werden und sich von niemandem mehr gängeln lassen. „Club der Dinosaurier“ mutet zunächst wie eine gewöhnliche Jugendserie an: Schulalltag, Stress mit den Familien, erste romantische Gefühle, Peinlichkeiten. Wie stylt und inszeniert man sich am besten? Wie wirkt man am ehesten cool? Wie kann man dem Durchschnitt entkommen und die eigene Schüchternheit überwinden?
Zwei Jungs stehen dabei im Zentrum. Ben und Janni heißen sie, gespielt von Shadi Eck und Diyar Ilhan. Beide gehören nicht so richtig dazu und können es mit den Draufgängern des Jahrgangs kaum aufnehmen. Bis ihnen die eingangs erwähnten Pillen aus dem Darknet in die Hände geraten und dann hebt sich dieses neue ZDF „Neoriginal“ doch vom Einheitsbrei der Teenie-Serien ab, gerade im öffentlich-rechtlichen Fernsehen!

Aus Jungs werden Dinos
„Club der Dinosaurier“ bedient sich plötzlich fantastischer Elemente, um auf gegenwärtige Probleme rund um Geschlechterklischees, Körperbilder und Anpassungsdruck aufmerksam zu machen. Das Einnehmen der Pillen setzt nämlich eine Metamorphose in Gang, eine Verwandlung in ein dinoartiges Reptilienwesen. Sechs Folgen lang inszeniert Regisseur Lutz Heineking jr. nun, wie die Situation eskaliert und außer Kontrolle gerät. Eine Bedrohung wird schon früh angedeutet und vorweggenommen. Die Kamera verwandelt sich selbst in das Auge eines Monstrum, das in der Stadt sein Unwesen treibt und Menschen in Angst und Schrecken versetzt.
Die Schlagworte toxische Männlichkeit oder auch die Incel-Kultur des Internets sind in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, ohne dass letztere bislang allzu kluge Lösungsansätze dagegen entwickeln konnte. Zuletzt sorgte vor allem die Serie „Adolescence“ für Diskussionen über das Thema. In dem Netflix-Hit wurde die Problematik jedoch hauptsächlich aus Sicht der ohmächtigen, überforderten Erwachsenen betrachtet. In „Club der Dinosaurier“ ist das anders.

Eine passende Serie nach „Adolescence“
„Club der Dinosaurier“ nähert sich der Problematik aus einer jugendlichen Perspektive, ist viel leichtfüßiger und tragikomischer erzählt. Es ist eine geeignete Serie, um sich nach dem Hype um „Adolescence“ weiter mit dessen Tragweite auseinanderzusetzen und die Sicht darauf zu erweitern. Es würde nämlich zu kurz begreifen, würde man dieses Neoriginal allein als Auseinandersetzung mit einem Hineingleiten in derlei toxische Geschlechter-Normen begreifen. Wenngleich dieser Aspekt eine wichtige Rolle in den einzelnen Episoden spielt und den alltäglichen sozialen Umgang in ein regelrechtes Minenfeld verwandelt.
Zunächst einmal bedient sich „Club der Dinosaurier“ des ganz grundsätzlichen Körperhorrors namens Pubertät. Die Hormone spielen verrückt, der Körper verändert sich. Haare sprießen, Haut wird unrein. Die Serie wählt dafür überzeichnete Bilder. Zunächst ist es ein pickelartiges Horn am Kopf. Am Hintern entsteht eine Beule, der Ansatz eines Schwanzes. Ein Griff zum Smartphone und die Symptome sind schnell bei Dr. Google erfragt. Allerlei Horrorbilder erscheinen dabei auf dem Bildschirm und lassen die Panik größer werden. „Club der Dinosaurier“ wirft mit solchen Szenen einen treffenden Blick auf das Erwachsenwerden im Digitalzeitalter.

Was „Club der Dinosaurier“ über die Jugend in der Gegenwart erzählt
Zu diesem Blick gehört auch ein deutliches Bewusstsein für die ästhetischen Ideale, die dauerhaft über soziale Netzwerke vermittelt werden. Ein ganzer Markt errichtet sein Geschäft darauf, solche Ideale weiterzuverkaufen und die Selbstoptimierung mit unnützen Produkten zu befeuern. Dauernd soll der Körper in eine Baustelle verwandelt werden. Noch mehr im Gym pumpen, noch mehr Muskeln aufbauen. Affirmation, gespannter Bizeps und Brüllen vor dem Spiegel. Und der Blick zu der älteren Generation, die nebenan trainiert und bereits kräftiger gebaut ist, lässt die eigenen Minderwertigkeitskomplexe noch größer werden. Also greift man notfalls zu schädigenden Hilfsmitteln, um dem eigenen Glück auf die Sprünge zu helfen, wobei wir wieder bei den Pillen wären.
Wie es sich anfühlt, in einer solchen Welt aufzuwachsen, wie sich darin ganz normale Teenager-Probleme entfalten und mit diesen zeitgenössischen Phänomenen kollidieren, davon vermittelt „Club der Dinosaurier“ einen facettenreichen Eindruck. Allein die Sprache in der Verflechtung von medial vermittelter und unmittelbarer Realität spielt dabei eine zentrale Rolle. All die Floskeln, Phrasen und Kampfbegriffe zwischen „Alpha“, „NPC“, „Beast Mode“ und „Mindset“, die man im Netz und der Werbeindustrie aufschnappt und dann in den Alltag integriert, führt diese Serie angemessen penetrant vor. Am Ende müssen das Denken und Fühlen, muss der ganze Körper dafür büßen. Ist ein Entkommen aus dem beschriebenen Kreislauf also möglich, ohne von ihm vollends mitgerissen zu werden? Das ist die große Frage dieser Serie.
Alle sechs Episoden von „Club der Dinosaurier“ kann man seit dem 6. Juni in der ZDF Mediathek streamen. Linear wird die Serie am 15., 22. und 29. Juni jeweils ab 20.15 Uhr bei ZDFneo ausgestrahlt.