„Villa der Versuchung“ ist das erste Trash-Highlight des Jahres

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Verona Pooth und die Kandidaten von "Villa der Versuchung"
Foto: Joyn/ Michael de Boer

Ein neuer Höhepunkt im Trash- und Reality-TV: „Villa der Versuchung“ beginnt perfide, passt deshalb aber umso besser in unsere Zeit.

Das Privatfernsehen hat dieses Format bitter nötig. So konnte es im Reality-TV nicht weitergehen! Noch ein altbackenes Datingformat, noch eine Sex-Insel, noch eine „Bachelor“-Variation. Noch ein Aufguss eines längst abgestorbenen Formats, das nur noch mit geschmacklosen Tabubrüchen für Aufsehen sorgt. Dazu: eine Generation an Möchtegern-Influencern und Aufmerksamkeitssüchtigen, die nach der anderen verheizt wird.

Zugegeben: Auch das Konzept von „Villa der Versuchung“ ist nicht komplett neu. Es weist etwa Parallelen zu dem Format „Inside“ oder auch zu jüngeren Challenges und Gemeinheiten aus Formaten wie „Promis unter Palmen“ und „Kampf der Realitystars“ auf, die bisweilen schon erkannten, dass der größte Zoff inzwischen dann vorprogrammiert ist, wenn es schlichtweg um die Kohle geht.

Positiver könnte man auslegen: „Villa der Versuchung“ hat registriert, dass es heute nicht mehr ausreicht, einfach nur Stars und Sternchen in exotische Kulissen zu verpflanzen und zu hoffen, dass sie spannende Geschichten auspacken oder ihre privaten Krisen vor der Kamera ausschlachten. Diese Idee hat sich spätestens überholt, seit derlei Formate ständig auf das ewig gleiche Personal setzen. Ja, auch diese neue Sendung bei Sat.1 und Joyn setzt vorrangig auf alte Bekannte. Darunter: Ronald Schill, Georgina Fleur, Patricia Blanco, Gigi und Kate Merlan. Und alle Teile des Ensembles wissen, ihre angestammten Rollen und Typen zu spielen. Sei es der alte Schwerenöter, die Alkoholdrossel, die männliche Diva, das naive It-Girl oder der vermeintlich aufrechte Held. Aber das Szenario, in das man sie versetzt; das ist vergleichsweise unverbraucht! Und die Pilotfolge, die am Montag ausgestrahlt wurde, landet damit das späte, aber immerhin erste Highlight im Trash-Kalender 2025.

Alte Bilder mit besonderem Twist

Das Setting erscheint zunächst noch vertraut: traumhafte Kulisse, ein prächtiges Anwesen, ein Pool, Sonnenschein. Alles ist vorhanden, um das Leben im Luxus zu genießen. Wäre da nicht die Gewinnsumme, die mit jedem benutzten Konsumprodukt kleiner wird. „Villa der Versuchung“ setzt damit auf ein spannendes soziales Experiment, das vielen anderen Konkurrenzformaten zuletzt fehlte. Weniger Boulevard, mehr ökonomisches Planspiel! Alle Kandidaten sind plötzlich gleich vor der Summe an Geld, die ihnen zur Verfügung steht. Individuelle Privilegien und Biographien werden ausgeblendet. Was zählt, ist nur noch das Agieren im Hier und Jetzt. Oder doch nicht? Was sich daraus entspinnt, ist jedenfalls nicht immer im positiven Sinne aufschlussreich, aber es ist auf eine düstere Weise entlarvend und zwar in mehrerer Hinsicht.

„Villa der Versuchung“ ist ein passendes Format für all diejenigen, die der herrschenden ideologischen Devise auf den Leim gehen, man müsse heutzutage eben einfach den Gürtel enger schnallen. Gemeint sind damit in der Regel diejenigen, die ohnehin kaum etwas besitzen. Und weil das Reality-Fernsehen gern die Lust an der Überheblichkeit zu stillen versucht, müssen all die Trash-Sternchen nun als Bauernopfer in dieser Lektion in Sachen Sparsamkeit herhalten. Denkt man an die Gemeinschaft, oder gibt man sich der eigenen Genussbefriedigung hin? Spoiler: Beide Optionen werden innerhalb der Gruppe zur Genüge ausgelebt. Und immer gibt es jemanden, der alles besser weiß und zur nächsten Gängelung ansetzt.

Verzichtprediger in der „Villa der Versuchung“

Es ist aber auch ein Format für alle, die immer noch predigen, man könne soziale Ungerechtigkeiten oder Probleme wie die Klimakrise allein dadurch lösen, indem einzelne Akteure ihre Konsum- und Kaufentscheidungen besser überdenken, statt ein anderes Modell des Wirtschaftens und Sozialverhaltens zu entwickeln. Oder überhaupt die Spielregeln zu analysieren und zu befragen, denen man erliegt! Man bleibt somit blauäugig gegenüber der vorgegebenen Kultur des Gewinnstrebens und Konkurrierens. Wie soll jenes Aushandeln möglich sein, wenn man sich so blindlings dem Recht des Stärkeren hingibt, wie man es bei einem erheblichen Teil des Ensembles dieser Show sehen kann? Es ist erstaunlich, wie das Format auch von der Anpassung an die künstlich geschaffenen Regeln des Kapitals erzählt. Und „Villa der Versuchung“ kommt dabei immer wieder auf ein Menschenbild der ausgefahrenen Ellenbögen zurück.

Villa der Versuchung
Verona Pooth moderiert „Villa der Versuchung“ Foto: Joyn / Michael de Boer

Wer wird aussortiert?

„Villa der Versuchung“ ist schlussendlich höchst geschickt inszeniert, um Niedertracht und Egoismus zu entfesseln. Zwischen Fragen des Allgemeinwohls und des Verzichts konstruiert bereits die erste Episode eine Schein-Hierarchie. Sie lässt zwar die Kandidaten nicht aus dem äußeren Zwang des Spielprinzips und des Preisgeldes ausbrechen. Diese vermeintliche Unveränderlichkeit muss man in der Show schlucken. Sie stellt aber plötzlich neue Ungleichheiten in der Entscheidungsgewalt innerhalb der Gruppe her. Nicht zuletzt damit spiegelt diese Reality-Show Dynamiken, die einem nur allzu vertraut erscheinen.

Der Wert des Menschen wird plötzlich in bloßen Zahlen, Geldbeträgen gemessen. Wer dazugehören darf, entscheidet sich danach, wie gut sich jemand mit dem Kapital verträgt und welche Einbußen all jene womöglich verkraften müssen, die mehr Privilegien als andere besitzen. Man ist hier ganz schnell bei dem menschenverachtenden Sündenbockprinzip, das man tagtäglich in Diskursen um Migranten oder Bürgergeldempfänger beobachten kann.

Der menschliche Wert in der „Villa der Versuchung“

Charakter und Würde interessieren kaum noch. Ebenso wenig die Fragen eines gerechteren Teilens. Bevor man etwas von den eigenen Privilegien und dem eigenen Wohlstand abgibt, sortiert man lieber jene aus, die mittellos sind. Andere, Wohlhabendere schaden der Gruppe vielleicht viel stärker, aber diese zu bestrafen, würde womöglich den eigenen Profit schmälern. Verzicht und Verschwendung werden dabei zu fließenden, auszuhandelnden Kategorien, die plötzlich in ganz neuen Relationen und Gefällen gedacht werden müssen.

Trash-TV dient seit jeher vor allem dazu, soziale Abgründe zu spiegeln. Zumindest nach der Pilotfolge stellt sich der Eindruck ein, dass das lange keinem Format so anregend und ambivalent gelungen ist wie der „Villa der Versuchung“. Endlich sind das mal wieder Abgründe, die über schlichte Beziehungskrisen und Schicksalsschläge hinausgehen! Man könnte der Sendung beinahe einen künstlerischen Anspruch unterstellen.

„Villa der Versuchung“ läuft seit dem 7. Juli 2025 immer montags bei Sat.1 und Joyn.

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3 Kommentare im Forum
  1. Am Inhalt der TV Sendungen siehst du den Zustand der Gesellschaft. Hirn ist keins mehr von Nöten.
  2. Anfangs vor einigen Jahren habe ich mir die Formate mal angesehen. Heute beim zappeln sind immer dieselben Leute die von einem zum nächsten Sender wechseln und ist nur noch nervig wenn man die ohnehin nicht leiden kann
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