Horizon: Kunden als „Versuchskaninchen“

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Kabel-TV Bild: © soupstock - Fotolia.com
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Im Spätsommer soll die langerwartete Set-Top-Box Horizon endlich beim Kabelnetzbetreiber Unitymedia in einer neuen Version an den Start gehen. Bereits seit Monaten ist das Gerät in einer ersten Ausführung in den Niederlanden und der Schweiz verfügbar. Dort klagen Kunden und Verbraucherschützer jedoch über zum Teil heftige Probleme mit Horizon.

Bereits seit Jahren ist die neue Set-Top-Box von Liberty Global mit dem Namen Horizon in den Netzen von Unitymedia Kabel BW in Deutschland angekündigt. Im Spätsommer dieses Jahres soll nun endlich die Einführung in den Kabelnetzen von Unitymedia, erst mal aber nicht in Baden-Württemberg, stattfinden. Der Anbieter selbst verspricht dabei den Kabelkunden mit seiner neuen Box, welche die Dienste Internet, TV und Telefonie vereinen soll, nicht weniger als eine Evolution des Fernsehens. 
 
Horizon sollte laut Presseankündigungen auf Messen „präsentiert“ werden, stand aber meist in Vitrinen hinter Glas herum. Funktionen wurden allenfalls von Festplatten und DVDs gezeigt. Der „Livebetrieb“ sieht anders aus, wenn es denn mal funktionieren würde, unkten Insider und Entwickler gleichermaßen seit Monaten hinter vorgehaltener Hand auf Technologiemessen.
 
Ob die Box den vollmundigen Ankündigungen von Unitymedia Kabel BW und dem Mutterkonzern Liberty Global jedoch tatsächlich gerecht werden kann, muss sich nach dem Marktstart in Deutschland erst noch beweisen. Große Skepsis herrscht bei vielen Kunden bereits im Vorfeld, nachdem massive Probleme von Nutzern aus den Niederlanden und der Schweiz bekannt wurden, wo Horizon bereits seit Monaten verfügbar ist.Probleme in den Niederlanden und der Schweiz

Den Start mit Horizon wagte nach langen Verzögerungen und steigendem Marktdruck im September 2012 zunächst der niederländische Liberty-Global-Ableger UPC Nederland. Im Januar 2013 führte dann der Schweizer Netzbetreiber UPC Cablecom die Box ein und auch in Irland soll Horizon mittlerweile an Kunden der dortigen Liberty-Global-Tochter ausgeliefert werden. Bereits im Vorfeld des Marktstarts in den Niederlanden erfuhr DIGITAL FERNSEHEN im vergangenen Jahr von möglichen Problemen mit der Horizon-Box. So bezeichneten Insiderkreise die Softwarearchitektur als veraltet und kaum in der Lage, mit dem Hardware-Potenzial des Geräts umzugehen.
 
Relativ schnell nach den Markteinführungen in den Niederlanden und der Schweiz machten dann Kundenbeschwerden in größerem Umfang die Runde, die von zahlreichen Problemen mit der Horizon-Box berichteten. So finden sich mittlerweile in mehreren Schweizer Verbraucherforen detaillierte Auflistungen von Abstürzen, Bugs und anderweitigen Fehlfunktionen. Besonders kritisiert werden dabei fehlerhafte Aufnahmen über die Rekorder-Funktion, eine umständliche und unzeitgemäße Bedienung sowie ständige Abstürze und Ausfälle von Fernsehen und Internet. Der Umstand, dass unter anderem die Umschaltzeit zwischen den Sendern trotz mehrerer dafür genutzter Tuner unerfreulich lang dauern soll, spricht dabei ganz klar dafür, dass die von der Cisco-Tochterfirma NDS bereitgestellte Software nicht mit der Hardware Schritt hält.
 
In einem TV-Beitrag des Schweizer Rundfunks SRF vom März 2013 bezeichnete Jürg Tschirren aus der SRF-Digitalredaktion die Horizon-Box als ein an sich fortschrittliches Gerät mit vielen wichtigen Funktionen, das jedoch in der vorliegenden Version nicht in der Lage sei, grundlegende Funktionen wie Fernsehen und Aufnahmen zuverlässig zu gewährleisten.  
 
In den Niederlanden befassen sich bereits seit mehreren Monaten sogar die Verbraucherschutzorganisationen Consumentenbond und Coax mit Horizon. Gegenüber DIGITAL FERNSEHEN bestätigte Coax-Sprecher Peter de Jong, dass sich der Kabelnetzbetreiber UPC Nederland nach Gesprächen mit den beiden Verbänden dazu bereit erklärt hat, seinen Kunden an Stelle von Horizon auf Wusch auch wieder den alten Kabelreceiver anzubieten. Ebenso bestätigte der Sprecher Informationen, wonach Kunden in Einzelfällen Entschädigungen von UPC erhalten sollen, und zwar für für Ausfälle von TV oder Internet, die durch Horizon verursacht wurden. Auch die Probleme mit ständigen Abstürzen und einem schwerfälligen Interface, das zudem mit der bisherigen Fernbedienung nur sehr umständlich zu bedienen sei, wurden von dem Sprecher bestätigt.Software-Update soll die Box auf Kurs bringen

Bereits seit mehreren Monaten war für Kunden in den Niederlanden und der Schweiz ein großes Update angekündigt, mit dem die Hauptprobleme von Horizon beseitigt werden sollen. Wie der Coax-Sprecher gegenüber DIGITAL FERNSEHN bestätigte, wurde nun in der vergangenen Woche mit dem Aufspielen des Updates für die ersten Kunden begonnen. Zusätzlich sollen alle Horizon-Nutzer mit der neuen Software auch eine neue Fernbedienung erhalten, die den Multimedia-Funktionen der Box mit zusätzlichen Navigationstasten und einer Tastatur auf der Rückseite gerecht werden soll. Laut Peter de Jong sei man bei Coax mit der neuen Systemsoftware zufrieden. Abstürze seien dadurch deutlich seltener, Aufnahmen würden wie gewünscht durchgeführt und die Bedienung hätte sich deutlich vereinfacht. Mit dem Update sei die Horizon-Box nun endlich in dem Zustand, in dem sie im vergangenen September hätte an den Start gehen sollen. Reichlich spät.
 
Auch Unitymedia Kabel BW in Deutschland könnte von den Updates profitieren. Schließlich soll die Box hierzulande sofort mit der neuen Softwarearchitektur an den Start gehen – wenn sie denn im Spätsommer nach langen Ankündigungen tatsächlich kommt. Auch die neue, Multimedia-taugliche Fernbedienung sollen Kunden hierzulande von Beginn an erhalten. Bereits im September 2012 hatte Unitymedia-Kabel-BW-Sprecher Johannes Fuxjäger gegenüber DIGITAL FERNSEHEN bestätigt, dass man Horizon hierzulande erst dann starten wolle, wenn das System den Anforderungen des Unternehmens gerecht werde. Das erwarten sicherlich auch deutsche Kabelkunden.
 
Was das jedoch konkret heißt, bleibt abzuwarten, denn auch in den Niederlanden, der Schweiz und Irland wollte man sicher nicht bewusst die Kunden mit unfertigen Produkten verärgern, wenn diese auch als erste Beta-Tester herhalten mussten. Was also für die Verbraucher in Deutschland positiv sein könnte, dürfte die Niederländer und Schweizer, die seit Monaten mit den Problemen ihrer Box zu kämpfen haben, kaum trösten. „Wir müssen eingestehen, dass Horizon ein sehr komplexes Produkt ist und UPC immer noch dabei ist, zu lernen, wie man ein solches Produkt an Markt platziert. Wir waren die Versuchskaninchen“, so Peter de Jong.
 
Ob die Box vom Start weg in Deutschland funktionieren wird und ob sie im Spätsommer überhaupt flächendeckend im Gebiet von Unitymedia verfügbar sein wird, bleibt abzuwarten. Verbraucherschützer warnen auch hierzulande vor zu schnellem Zugreifen der Kunden. Immerhin verbietet es Unitymedia Kabel BW nicht, die funktionierenden bisherigen Kabelreceiver noch jahrelang weiterzunutzen und die Entwicklung von Horizon, insbesondere bei deren Software, erst mal abzuwarten. [ps]

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19 Kommentare im Forum

  1. AW: Horizon: Kunden als "Versuchskaninchen" Wenn Horizon im Spätsommer 2013 kommt (was keiner so recht glauben mag nach den Verzögerungen der letzten Jahre), ist es doch eh überholt. Wen interessiert dann noch, wie Unitymedia den Kunden mit veralteter Technik noch mehr Geld aus den Taschen locken willl?
  2. AW: Horizon: Kunden als "Versuchskaninchen" Krass finde ich, dass es noch immer keine Slave Boxen und Remote Recording gibt. DirecTV und Dish haben das schon lange.
  3. AW: Horizon: Kunden als "Versuchskaninchen" Und Sky will das hier wohl im Herbst starten wie man geruechteweise hoert. Dass es remote record bei Horizon nicht gibt ist ein Unding. Bei uns gibt's das seit 7 Jahren.
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