Interview: „Primacom ist für andere Wettbewerber sehr interessant“

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Kabel-TV Bild: © soupstock - Fotolia.com
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Der Verkauf von Primacoms Tochter Multikabel ist in Sack und Tüten. Im Interview mit DIGITAL FERNSEHEN erzählt Markus Straub, Aufsichtsratsmitglied der Primacom AG, warum ein neuer Vorstand quasi über Nacht gefunden werden musste und was Primacom so attraktiv macht.

Der Multikabel-Verkauf erhitzt derzeit die Gemüter. Können Sie uns etwas zum Stand der Dinge sagen?
 
Straub: Der Verkauf ist geplant und wird auch umgesetzt. Wir prüfen alle rechtlichen Optionen. Neben dem Geld, das zur Ablösung der großen Schuldenbelastung benötigt wird, wird die UPC wieder zu einem „normalen“ Aktionär. Der Sondervorteil, den UPC durch den Kauf der Multikabel für 430 Mio. gehabt hätte, lässt sich leicht ausrechnen. Die haben 25 Prozent, also rund 5 Mio. Aktien, und hätten die Multikabel um 100 Mio. zu billig bekommen, um dafür in der Hauptversammlung 2004 dem Ende der Primacom zuzustimmen. Betrachtet man es so, lag der Wert der UPC-Primacom-Aktien zur Hauptversammlung 2004 bei 20 Euro. Durch den Verkauf der Multikabel zum fairen Preis kommt dieser Vorteil allen Aktionären zugute.
 
Ist UPC jetzt nicht sauer und wird die weitere Restrukturierung blockieren?
 
Straub: Sauer vielleicht schon. Sie wären doch auch sauer, wenn Sie Aktien haben, die im Wert von 20 Euro auf 2 Euro fallen. Aber wenn Sie 5 Millionen Aktien haben, dann werden Sie wohl Kaufmann genug sein, um zu erkennen, dass man jetzt eben in einer neuen Situation ist. Mit Blockieren schaden Sie sich doch nur selber. Jetzt werden Sie doch wohl alles daran setzen, um mit dem Management und den anderen Aktionären zusammenzuarbeiten, damit ihre Aktien wieder 20 Euro wert werden. Der Multikabel-Verkauf bringt den angenehmen Nebeneffekt, dass die Interessen aller Aktionäre wieder gleichgeschaltet werden.
 
Versuchen Apollo und JP Morgan, den Deal zu blockieren, um UPC weiter Sondervorteile zukommen zu lassen?
 
Straub: Nein um Sondervorteile für UPC geht es wohl nicht, auch denen muss klar sein, dass es unter dem neuen Vorstand und Aufsichtsrat vorbei ist mit dem Umverteilen von Sondervorteilen. Ein Verkauf unter den bekannten 530 Mio. ist nicht mehr möglich. Die Blockade ist deren letzter Versuch, die Restrukturierung zu verhindern, um die Primacom allein zu bekommen.
 
Kann die Blockade aufgehoben werden?
 
Straub: Es ist der eindeutige und einstimmige Wille von Aufsichtsrat und Vorstand von Primacom, die Multikabel zu verkaufen. Wir werden konsequent den Weg des Verkaufs gehen, daran wird uns niemand hindern.
 
Warum kann für die Multikabel, die gerade mal ein Drittel der deutschen Kundenanzahl aufweist, ein so hoher Preis erzielt werden?
 
Straub: Das MK-Geschäft ist wesentlich besser entwickelt. Die haben eine viel größere Durchdringung, was Internet und Telefonie über das Netz betrifft. Da müssen wir beim Deutschlandgeschäft erst noch hin, sind aber auf dem besten Weg. Der neue Vorstand Wolfgang Preuss, Hans Werner Klose mit Unterstützung von Manfred Preuss sind die Richtigen dafür, die machen einen tollen Job. Das schöne für die Aktionäre ist daran doch, dass die Wertsteigerung, die das Multikabelnetz in den letzten Jahren vollzogen hat, in Deutschland erst noch kommt.
 
Dass man sich vom Vorstand Merin nach so kurzer Zeit getrennt hat, hat bei vielen Anlegern zu Verunsicherungen geführt. Verschiedene Gerüchte werden immer noch diskutiert. Was waren die Gründe?
 
Straub: Die Gründe liegen ausschließlich im persönlichen Bereich – deshalbwerde ich dazu nichts sagen. Man hat sich freundschaftlich und fair getrennt. Bitte erinnern Sie sich: Nach der Machtübernahme auf der Hauptversammlung mussten wir den korrupten Vorstand, der aufgrund eines völlig fragwürdigen Gutachtens unmittelbar Insolvenz anmelden wollte, umgehend rausschmeißen. Wortwörtlich über Nacht musste ein neuer Vorstand gefunden werden. Wir sind Herrn Merin sehr dankbar, dass er sich für die Aktionäre auf diesen heißen Stuhl gesetzt hat.
 
Bei Brancheninsidern wird auch das Thema Primacom als Übernahme heftig diskutiert.
 
Straub: Aktuell ist mir nichts bekannt. Finanzinvestoren haben immer Interesse an unterbewerteten Assets. Durch die hochwertige und modernste technische Ausstattung der Primacom kommt noch hinzu, dass Primacom unter Synergiegesichtpunkten für andere Wertbewerber sehr interessant ist.
 
Was meinen Sie genau?
 
Straub: Primacom besitzt beispielweise ein hochmodernes Playout-Center. Das hat einen hohen Millionenbetrag an Investitionen verschlugen und ist in Deutschland einzigartig. Damit können sie im Netz Content bereitstellen. Andere Netzbetreiber haben so was nicht. Bei einer Übernahme könnten die es natürlich auch für ihre Netze mitbenutzen. Einmal investiert – vielfach profitiert.
 
Apollo könnte das zum Beispiel. Die betreiben mit Iesy ja in Deutschland schon ein Netz, zusätzlich bieten sie gerade für Ish.
 
Straub: Genau. Deshalb ist Primacom für Apollo ja so interessant.
 
Bisher hat Apollo ja aber angeblich keine Aktien.
 
Straub: Das haben sie zumindest behauptet. Die Aktien mussten sie meiden, da sie das Problem hätten, dass dann ihre Kredite als eigenkapitalersetzend einzustufen wären. Jetzt sagen aber unsere Gutachter, dass die Kredite der Apollo aufgrund der Situation und Verträge, die starken operativen Einfluss ermöglichen, wie gerade erst wieder durch die Blockade bewiesen wurde, auch ohne Aktienbeteiligung als eigenkapitalersetzend einzuordnen sind.
 
Das heißt, jetzt kann Apollo offiziell Aktien kaufen?
 
Straub: Das heißt in erster Linie, dass Primacom an Apollo/JP Morgan keine Zinsen mehr zahlen darf.
 
Wie ist es mit den Aktien von Herrn Preuss? Wird er bei einem Übernahmeversuch ggf. verkaufen?
 
Straub: Nochmals: Ich weiß nichts von einem Übernahmeversuch. Ich werde Ihnen auch nichts über die Absichten anderer Aktionäre sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass ich derzeit keinen einzigen Aktionär kenne, der bereit ist, Primacom-Aktien im einstelligen Euro-Bereich zu verkaufen.
 
Noch immer warten die Anleger auf das Gutachten der Wirtschaftprüfungsgesellschaft zum Wert der Primacom.
 
Straub: Glauben Sie mir, auch wir warten darauf. In dem Gutachten wird der betriebswirtschaftliche Wert der Primacom errechnet. Der wird, so hoffen wir zumindest, über den Schulden liegen. Damit ist das leidige Thema Überschuldung dann hoffentlich endgültig vom Tisch. Anleger sollten beachten, dass dieser Wert nicht gleich dem Marktwert der Primacom ist.
 
Wo liegen die Unterschiede?
 
Straub: Der Marktwert ist der Wert, den andere bereit sind, für die Netze zu zahlen. Da spielen dann der strategische Wert und die Markterwartungen eine große Rolle. Da tut sich im Moment viel. Im Sommer hat die gesamte amerikanische Kabelmafia daran gearbeitet, den Markt zu konsolidieren. Die gigantische Kabel Deutschland sollte entstehen. Wir wissen jetzt relativ sicher, dass auch Primacom da hätte landen sollen. Die Preise wurden künstlich niedrig gehalten, damit das Quasi-Monopol billigst Kabelnetze einsammeln konnte. Mit der Absage der großen Fusion durch das Kartellamt werden die Karten jetzt völlig neu gemischt. Es bilden sich neue Kombinationen und Konstellation. Der Markt ist in Bewegung und die Preise steigen. Schauen Sie sich mal die Ish an: die hätte vor 5 Monaten für 1,4 Mrd. Euro an Kabel Deutschland gehen sollen. Im Moment kann man lesen, dass für Ish zwischen 1,6 bis 1,7 Mrd. Euro geboten werden. Für die Primacom-Aktionäre ist dieser Preisanstieg durch den gigantischen Fremdkapitalhebel natürlich besonders interessant.
 
Bei zwei Euro ist die Aktie aber doch schon schön gestiegen. Was empfehlen Sie?
 
Straub: Wir geben keine Aktientipps. Wer als Aktionär mit Primacom die letzten drei Jahre durch die Wüste gegangen ist, steht jetzt vor dem Tor zur Oase. Natürlich sind wir noch nicht drin und sicher. Die Hyänen und Aasgeier können uns noch von hinten angreifen. Jeder muss selbst entscheiden: geh ich weiter mit, um dann ein Leben mit Milch und Honig zu genießen oder gönn ich mir jetzt gleich für zwei Euro einen Schluck Wasser und erschieße mich anschließend.
 
Das klingt nach großen Plänen.
 
Straub: Es ist kein Geheimnis, dass die Branche vielversprechend ist und Primacom darin bestens aufgestellt ist. [mg]

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