Antenne Thüringen: „UKW-Abschaltung in den nächsten 15 Jahren illusorisch“

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Radio UKW Bild: © jakkapan - Fotolia.com
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Leipzig – Der Geschäftsführer von Antenne Thüringen, Hans-Jürgen Kratz, glaubt nicht an eine Abschaltung der analogen Radioübertragung in den kommenden Jahren. DIGITAL FERNSEHEN hat bei ihm nachgefragt.

„Über 300 Millionen UKW-Endgeräte im deutschen Markt sind nicht zu negieren, eine auch nur annähernd hohe Verbreitung alternativer Empfangsmöglichkeiten ist mittelfristig nicht zu erwarten“, prognostiziert Kratz. Zudem seien die Vertriebs-Kosten pro Hörer bei der Webradionutzung für die Streaming-Anbieter (Radiounternehmen) „noch wesentlich zu hoch“, so Kratz.

DIGITAL FERNSEHEN: Herr Kratz, inwieweit verlagert sich Ihrer Meinung nach die Radionutzung Ihrer Hörer immer mehr ins Internet und glauben Sie, dass die Verlagerung in Zukunft noch zunehmen wird? Woran liegt es, dass besonders jüngere Leute zunehmender Radio übers Internet hören?
 
Hans-Jürgen Kratz Sicherlich wird sich die Radionutzung über das Internet tendenziell erhöhen, allerdings ohne die terrestrische Nutzung via UKW oder Kabel grundsätzlich zu ersetzen; aber auch Radionutzung via mobiler Applikationen wird perspektivisch einen Teil der Radionutzung generieren. Für jüngere Menschen sind PC oder iPhone bereits heute feste Bestandteile der eigenen Lebenswirklichkeit, und insofern werden diese Tools inklusive der ihnen innewohnenden Möglichkeiten auch ganz selbstverständlich genutzt.
 
DF: Wie viele Teile Ihres Sendearchivs sind bei Ihnen bereits digitalisiert?
 
Kratz: Unser Sendearchiv ist bereits zu 100 Prozent digitalisiert.
 
DF: Welche Programm- und Musikinhalte werden bei Ihnen per Webradio übertragen?
 
Kratz: Wir bieten unser AC (Adult Contemporary, Zielgruppe 25 bis 50, Anm. d. Red.)-Programm Antenne Thüringen simulcast über das Web an sowie vier weitere ausschließliche Webstreams: My Fun Radio (Comedy etc.), 80er, Rock und Yesterhits (Oldies). Zusätzlich halten wir einen „Ereignisstream“ vor, aktuell bestückt als „Weihnachtsradio“ (auschließlich Weihnachtsmusik).
 
Für unser Jugendprogramm Radio Top 40 (New Rock) halten wir ebenfalls einen Simulcaststream vor, dazu weitere Streams mit den Sparten „Elektro“ (Elektro und House), „Schwarzmarkt“ (Hip-Hop, RnB und Black-Beats) und „Frisch“ (aktuellste Hits).
 
DF: Wie viele Zuhörer nutzen Ihr Webradio-Angebot im Augenblick?
 
Kratz: Antenne Thüringen inklusive aller Webstreams, W-Lan und Mobile im November 2009 insgesamt 235 000 Kontakte, Radio Top 40 (ebenfalls alles inklusive) im November 2009 insgesamt 233 000 Kontakte.
 
DF: Welche Rolle wird künftig die regionale Berichterstattung im Radio spielen?
 
Kratz: Regionalität in der richtigen Anmutung und Ausprägung in Verbindung mit Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Seriösität wird eines der wichtigen Bindeglieder zwischen Radiounternehmen und Hörer/User sein. Dazu gehört die Berichterstattung ebenso wie die Tonality, die Moderation und auch die Befindlichkeit.
 
DF: Welchen Stellenwert nimmt das Thema „Podcast“ bei Ihnen ein?
 
Kratz: Podcasts zu bestimmten Programm-Marken werden angeboten, sie stehen derzeit jedoch nicht im Fokus unserer strategischen Ausrichtung.
 
DF: Inwieweit schwächt, Ihrer Meinung nach, Webradio das Medium Radio?
 
Kratz: Ebenso wenig wie es Kabelfernsehen oder Satellitenfernsehen gibt, existiert auch „Webradio“ nicht im Sinne von eigenständiger, neuer Mediengattung. Kabel, Satellit oder das Internet sind lediglich technische Vertriebswege, deren unterschiedlichen Stärken und Möglichkeiten man sich nur bewusst werden und sie nutzen muss.
 
Durch die zunehmende technische Konvergenz und permanente Weiterentwicklung multimedialer Endgeräte kann das Web sogar eine Chance auf Ausweitung der Radionutzung bieten. Dass sich klassische Radiomarken (Programme) darauf einstellen müssen und eventuell darunter leiden, ist nicht abzustreiten, jedoch ist dies dann kein generelles Radio- oder Gattungsthema, sondern ein individuelles Unternehmensthema.
 
DF: Inwiefern treibt das Webradio die Analogabschaltung im Bereich Radio voran?
 
Kratz: Eine Abschaltung der analogen Terrestrik ist in den nächsten 15 Jahren völlig illusorisch, sei es nun mit Bezug auf die Entwicklung von Webradios oder mit Hinweis auf eine eventuell digitalisierte Terrestrik (zum Beispiel DAB Plus oder anderes) und zwar aus drei Gründen:
 
Erstens: Über 300 Millionen UKW-Endgeräte im deutschen Markt sind nicht zu negieren, eine auch nur annähernd hohe Verbreitung alternativer Empfangsmöglichkeiten ist mittelfristig nicht zu erwarten.
 
Zweitens: Die Vertriebs-Kosten pro Hörer sind bezüglich Webradionutzung für die Streaming-Anbieter (Radiounternehmen) noch wesentlich zu hoch; Webradio wird beziehungsweise ist daher zwar wichtig, kommt aber bei zu hoher Frequenz für die Radiounternehmen in den ökonomischen Grenzbereich.
 
Drittens: Die analoge (UKW-) Verbreitung ist auf mittlere Sicht die einzige Erlösquelle gerade für private Radioanbieter, die jedes Engagement in die Zukunft selbst finanzieren und daher ausschließlich nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten handeln müssen. Eine Abschaltung der analogen Verbreitung wäre daher ein Entzug der Geschäftsgrundlage.
 
DF: Vielen Dank für das Interview. [ar]

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32 Kommentare im Forum

  1. AW: Antenne Thüringen: "UKW-Abschaltung in den nächsten 15 Jahren illusorisch" Durch solche Sender wird Deutschland es als einziges Land in Deutschland analog Sender weiter ausstrahlen. Es sollte auch ne Frist und nen fixen Standart geben und bis dahin müssen die Autoindustrie dementsprechende Geräte produzieren.
  2. AW: Antenne Thüringen: "UKW-Abschaltung in den nächsten 15 Jahren illusorisch" Wollte Norwegen UKW nicht in 5 Jahren begraben?
  3. AW: Antenne Thüringen: "UKW-Abschaltung in den nächsten 15 Jahren illusorisch" Sachsen hat, glaub ich auch hier gelesen zu haben, per Gesetz zum 31.12.2014 das Ende von "Analog" beschlossen. Irgendwo gabs diese Meldung hier..... Aber Gesetze / Beschlüsse kann man ja auch ändern / zurücknehmen....
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