BR startet ab heute „anderes“ Bayern 2

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Ü-Wagen Mischpult Bayerischer Rundfunk BR; © Bayerischer Rundfunk
© Bayerischer Rundfunk

Welchen Platz hat Kultur in der digitalen Medienwelt? Der BR wagt mit seiner Kultur-Welle Bayern 2 Neues – und bekommt vorab viel Gegenwind. Wie reagiert das Publikum zum Auftakt nach Ostern?

Nach monatelanger heftiger Diskussion um sein Kulturangebot startet der Bayerische Rundfunk (BR) an diesem Dienstag (02. April) sein reformiertes Radioprogramm Bayern 2. Der öffentlich-rechtliche Sender will Kultur zu prominenteren Sendezeiten und auch auf modernen digitalen Wegen wie in Podcasts und der Audiothek präsentieren.

Streit um Stellenwert der Kultur

Kritiker der Reform unter anderem aus der Kulturbranche werfen der viertgrößten ARD-Anstalt dagegen vor, traditionsreiche Sendungen etwa zur Literatur („Diwan“, „radiotexte“) aufzugeben. Auf Podien, in einer Petition und bei Protesten vor dem BR-Hochhaus in München hatten sie ihrem Unmut Luft gemacht. Die Reformgegner sprechen von weniger Stunden für Kultur. Statt in speziellen Sendungen stattzufinden, werde Kultur zudem in Einzelbeiträge aufgelöst.

BR-Intendantin Katja Wildermuth verteidigte die Pläne immer wieder in Diskussionen und im Rundfunkrat, dem Aufsichtsgremium des Senders. „Selbstverständlich und völlig unstrittig ist Kultur für uns ein ganz, ganz wichtiger Auftrag“, hatte sie betont. „Es wird kein einziger Cent aus der Kulturberichterstattung genommen.“ Der Rundfunkrat will die Umsetzung der Reform kontinuierlich überprüfen. Aber eigens genehmigen muss das Gremium solche Veränderungen im Programm nicht.

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katja wildermuth nach wahl zur br-intendantin
BR-Intendant: Katja Wildermuth. © BR/Markus Konvalin

Bayern 2 bietet traditionell ein Radio-Vollprogramm mit viel Information, Kultur und Musik. Allerdings erlitt das Programm unter den BR-Hörfunkwellen nach jüngsten Branchenzahlen vergleichsweise deutliche Einbußen beim Publikum. „Mit dem neuen Schema stärken wir Bayern 2 als die Kulturwelle“, betonte Björn Wilhelm, Programmdirektor Kultur des BR.

Konkret soll es auf Bayern 2 nun in der wichtigen Sendezeit am frühen Morgen jede halbe Stunde Kultur geben. Damit habe sie in der Primetime-Show „Welt am Morgen“ künftig viel Platz, sagte Wilhelm. Für den Nachmittag ist werktags eine zweistündige Sendung „Kulturleben“ geplant. Wilhelm versprach: „An der Qualität von Bayern 2 wird nicht gerüttelt. Es ist ein klares Bekenntnis zu Tiefe und Ausführlichkeit.“

Bayern 2 will dem Sender zufolge auch noch mehr in den Dialog mit dem Publikum gehen. Im Radio soll es dafür zum Beispiel im neuen dreistündigen Vormittagsmagazin „Nah dran“ Sendezeit geben. Der Sender will aber auch noch mehr raus auf Marktplätze sowie rein in Theater, Literaturhäuser und andere Kultureinrichtungen in Bayern.

Bayern 2 muss Kosten sparen und mehr junge Menschen erreichen

Der Umbau reiht sich in die generelle Neuausrichtung bei der ARD ein. Im Rahmen der Reform soll es – wie auch in anderen Bereichen – mehr Kooperationen mit anderen ARD-Sendern geben. Die Anstalten wollen künftig aus Kostengründen weniger Inhalte parallel produzieren und mehr gemeinsam machen oder voneinander übernehmen.

Die Programmreform ist auch ein Baustein des BR, mehr jüngere Menschen zu erreichen. Derzeit gibt die ARD-Anstalt Wilhelm zufolge 77 Prozent ihres Geldes für Menschen über 50 Jahre aus. Das entspreche nicht der Altersverteilung in Bayern. Ein Beispiel für neue digitale Formate: Zur Leipziger Buchmesse startete gerade „BR Literally“ – das nach BR-Angaben erste solche ARD-Bücherangebot auf der Social-Media-Plattform Tiktok.

Zum Bayern-2-Neustart an diesem Dienstag will der zuständige Programmbereichsleiter Stefan Maier die Reformen live in der „Welt am Morgen“ selbst erklären (ab 6 Uhr). Bei allem Wandel hatte er vorsorglich vorab auch schon betont: „Vieles wird bleiben wie es ist, weil es bewährt ist.“

Für die BR-Verantwortlichen beginnt nun das gespannte Warten: Wie reagieren die Hörerinnen und Hörer im Freistaat?

[Roland Freund]

Bildquelle:

  • wildermuth: BR/Markus Konvalin
  • BR_Bildmischer: © Bayerischer Rundfunk

6 Kommentare im Forum

  1. Bayern 2 war jahrelang mein bevorzugtes Radioprogramm. Wenn ich Radio hörte, lief mit Ausnahme einzelner Sendungen anderswo stets Bayern 2. Ich war dankbar dafür, dass es dieses Programm gab, genau so, wie es war. Ich fühlte mich als Hörer ernstgenommen und verdanke Bayern 2 viele spannende und auch lehrreiche Stunden in einem Umfeld, in dem ich mich geachtet und gut aufgehoben fühlte. Am 14.12.2021 war damit für mich Schluss - mit der Umstellung der Satverbreitung auf AAC schwiegen die UKW-Radios (Kabelumsetzung) im Elternhaus am Heimatort. Das DVB-Kabelradio am Heimatort und der ausschließlich für Radio genutzte Satreceiver in meiner eigenen Wohnung schwiegen auch. Den ersetzte ich zwar für Testzwecke durch ein AAC-taugliches Gerät (das später dann mit Netzteilschaden kaputt ging), aber die Lust am Radiohören war mir damit bereits vergangen. Die Umstellung war ein Affront der ARD gegen ihre qualitätsbewusstesten Radiohörenden. Ich habe dann nie wieder außer zu technischen Testzwecken ARD-Radio gehört und so blieb es bis heute. Trotz allen Abstandes tut es irgendwie noch weh, wenn ich sehe, wie der BR nun Bayern 2 hingerichtet hat. Die Ignoranz gegenüber denjenigen, die sich - zu Recht - für ein unverdudeltes, unverdünntes, hochwertiges Bayern 2 eingesetzt haben, von "einfachen" Menschen bis hin zu Kunst- und Kulturschaffenden, zeugt von einer sozialethischen Verrohung, für die ich keine anständigen Worte mehr habe. Die ARD-Führungsriege verachtet anspruchsvolle Menschen und Kulturmenschen zutiefst, diese Verachtung ist nun auch vollends im BR angekommen. Rundfunkbeitrag muss man freilich weiterhin zahlen, aber man bekommt verwässerte Programmsurrogate dafür und soll sich die Reste an Inhalt irgendwo im Internet zusammenkratzen. Das ist an Verachtung nicht mehr zu toppen. Entsprechend lesen sich auch die ersten Rückmeldungen via Bayern-2-Facebook-Seite: Bayern 2 Leider werden wir in diesem Land keine Zeiten mehr erleben, in denen diejenigen, die das verbrochen haben, dafür zur Rechenschaft gezogen werden und es wieder hochwertigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben wird. Stattdessen wird das ganze sich selbst vorauseilend hingerichtet habende ARD-Gelump irgendwann zur Hölle fahren, weil die ARD diejenigen, denen an einem hochwertigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelegen war, absichtlich vor die Tür gesetzt haben. Und von den anderen war sowieso keine Unterstützung zu erwarten.
  2. Ich kann die Ausführungen von Ig74 nur unterstreichen. Es gibt immer weniger "Einschalt-Sendungen", also Sendungen, die es wert wären, in Programmzeitschriften angekündigt zu werden. Stattdessen: xy am Morgen, am Mittag, am Nachmittag, am Abend. Billig gemachte Dudel-Tagesbegleitsender mit belanglosen Infohäppchen resp. Kulturnachrichtenhäppchen. Statt fleißiger Redaktionen (womöglich noch mit Festanstellungsvertrag) dürfen freischaffende und schlecht bezahlte "Journalisten" dann ihre "Beiträge" von maximal 2 Minuten den Sendern zur Verfügung stellen. Das ganze wird uns dann als "Kultur" und hochwertiger "Journalismus" verkauft. Immer nach dem Motto: wie gestalte ich den Tod eines 100 Jahre alten Mediums.
  3. Für mich bricht gerade auch ne Welt zusammen. Als ich heute Abend um 18h bayern2 eingeschaltet habe war ich schockiert von dem br24 Format mit altbekannter bayern2 Musik. Das tat einfach weh. Ich werde morgen einen Hörerbrief schreiben. Das kann doch wohl nicht war sein.. ich bin übrigens 40 Jahre alt und habe mich die letzten 10jahre in bayern2 verliebt. Mein Leben wurde, so blöd es klingen mag, durch bayern2 aufgewertet. Nein, das kann's jetzt nicht sein.. Ich hab jetzt ein schlechtes Gewissen dass ich nicht vorher, bei den Kundgebungen gegen die Änderung des Kulturprogramms mitgemacht habe, aber mit 2 kleinen Kids kam ich nicht dazu... Jetzt sitz ich ohne mein geliebtes bayern2 Radio da. Was für ein Einschnitt in meine Vorliebe für Radio, für bayern2. Ich bin gerade untröstlich und hoffe, dass die Verantwortlichen noch zur Einsicht kommen! Mehr als einen Hörerbrief nun zu schreiben und das Radio abgeschaltet zu lassen bzw. Klassik Radio zu hören oder meinen Rock zu hören bleibt mir jetzt wohl nicht mehr. Ich hab die letzten Jahre immer gesagt" ich höre meinen geliebten Rock jetzt kaum noch, weil er durch bayern2 hinfällig geworden ist und die Zeit mit Bayern2 einfach wertvoller war". ..
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