
Halle/Saale – Während in großen Teilen Europas die Digitalisierung des Rundfunks bereits Geschichte ist, hinkt Deutschland hinterher. Die Initiative Marketing Digital Radio will dies ändern.
Noch vor Jahren hatte die Politik eine klare zeitliche Zielsetzung für die Digitalisierung des Rundfunks: Bis zum Jahr 2010 sollte der Hörfunk nur noch digital verbreitet werden. Von dieser Zukunftsperspektive, bzw. einem Abschaltdatum der analogen UKW-Verbreitung ist nichts geblieben.
Während sich im TV-Bereich mit der Einführung von HDTV ab dem Jahr 2010 eine Entwicklung andeutet, tritt man beim Hörfunk mehr oder weniger auf der Stelle, DAB ließ sich bisher nicht durchsetzen, ganz anders als in Großbritannien, wo die Regierung in dem vor wenigen Tagen vorgelegten Zwischenbericht klipp und klar erklärte, dass DAB das digitale System für das Land sein wird.
Doch auch in Deutschland gibt es Personen, Vereinigungen und Unternehmen, die sich mit dem Status Quo der schleppenden Digitalisierung nicht abfinden wollen. DIGITAL FERNSEHEN unterhielt sich daher mit Michael Richter, dem Vorstandsvorsitzenden der Initiative Marketing Digital Radio (IMDR), der zugleich Leiter der Geschäftsstelle Digitaler Rundfunk Mitteldeutschland ist.
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Richter, Sie stehen seit einigen Monaten an der Spitze der Initiative Marketing Digital Radio. Welche Ziele hat sich die IMDR auf ihre Fahnen geschrieben?
Michael Richter: Seit ihrem Gründungsjahr 2001 betreibt die IMDR aktives Marketing für die Markteinführung von Digital Radio in Deutschland. Ziel war und ist es, bei der Digitalisierung der Rundfunkübertragungswege – insbesondere der terrestrischen Hörfunkübertragung – eine zukunftsweisende Technik gemeinsam mit allen Partnern am Markt zu etablieren.
DIGITAL FERNSEHEN: Wer verbirgt sich hinter der Initiative Marketing Digital Radio, der IMDR?
Michael Richter: In erster Linie sind das die privaten und öffentlich-rechtlichen Hörfunkveranstalter, Partner aus der Geräte- und Chipindustrie, Infrastrukturanbieter und weitere Institutionen wie der Verein Digital Radio Mitteldeutschland.
DIGITAL FERNSEHEN: Schaut man sich in den Ländern rundherum um, so greift die Digitalisierung des Rundfunks mit großen Schritten, im Hörfunk, im Fernsehen – und speziell bei der Einführung von HDTV-Programmen. Warum geht es in Deutschland so langsam?
Michael Richter: Heute wissen wir, dass für Deutschland unbedingt ein nationaler Digitalisierungsplan benötigt wird. In diesem Digitalisierungsplan muss zum Beispiel der Zeitplan für eine Markteinführung und auch die Finanzierung dieser Einführung verbindlich geregelt werden. Nur so können sich Verbraucher, Programmveranstalter und die Industrie auf die Digitalisierung des Hörfunks einstellen und das Hickhack in Deutschland auf Länderebene wäre endlich beseitigt.
Dazu erwarten wir eine nachhaltige und langfristige Federführung dieses Einführungsprozesses durch das Bundeswirtschaftsministerium. Ein ständiger Personalwechsel – wie er dort derzeit leider stattfindet – bringt nur Unruhe in die Branche. Dass eine Technologie auch sehr erfolgreich in Deutschland eingeführt werden kann, zeigt das Beispiel DVB-T. Hier gab es ein hervorragendes länderübergreifendes und auf die Regionen abgestimmtes Einführungsszenario.
DIGITAL FERNSEHEN: Die Digitalisierung des Radios – weg vom analogen UKW – hin zu DAB war ja bisher nicht der große Erfolg in Deutschland, warum eigentlich nicht?
Michael Richter: Da sehe ich mehrere Faktoren: In den Anfangsjahren der DAB-Einführung hat man die wichtige Versorgungssituation im Haus (indoor) unterschätzt. Die Reglementierung für Deutschland mit nur 1 KW pro Senderstandort konnte erst mit der Wellenkonferenz im Jahr 2006 beseitigt werden. Damit ist jetzt theoretisch der so genannte „deep indoor Empfang“, also der Empfang überall auch mit kleiner Antenne möglich.
Auch die Bereitstellung von preiswerten Mehrnormgeräten inklusive UKW, DAB, DAB+ und WLAN ist erst seit letztem Jahr möglich. Und nicht zuletzt brauchen die Verbraucher und die Radioveranstalter eine klare Ansage, wie die Zukunft des terrestrischen Hörfunks aussehen soll.
DIGITAL FERNSEHEN: Auf dem Markt befinden sich neben DAB auch DAB+, DVB-T konkurriert mit DVB-H, es wird über die Grundverschlüsselung bei den TV-Programmen debattiert. Woran erkennt der Konsument, dass er beim Kauf eines Radios oder TV-Gerätes nicht auf eine auslaufende Technologie setzt?
Michael Richter: Hier kann ich nur für den Hörfunk sprechen. Der Verbraucher ist gut beraten, im Handel nach Kombi-Geräten mit UKW, DAB, DAB+ und vielleicht auch WLAN nachzufragen. Im Internet unter www.digitalradio.de kann er dann erfahren, wie in seinem Empfangsgebiet Digital Radio angeboten wird, welche Programme und welche Versorgungsqualität heute möglich ist.
DIGITAL FERNSEHEN: Wie könnte die viel beschworene „Digitale Dividende“ denn für das Radio aussehen?
Michael Richter: Die Diskussion um die geplante Nutzungsänderung mit Mobilfunk im Rundfunkspektrum muss beendet werden. Die so genannte koprimäre Nutzung von Mobilfunk und Rundfunk verbaut dem terrestrischem Rundfunk zukünftige Entwicklungschancen insbesondere privater Veranstalter und nimmt weiteren Nutzungen wie den Funkmikrofonen die Existenz.
Ein großer Gewinn für den Hörfunk wäre es, wenn wir den digitalen Fortbestand im kompletten VHF-Band III vollziehen können. Allerdings halte ich die Diskussion der „Digitalen Dividende“ im Radio im Moment für verfrüht. Wichtiger ist jetzt die verbindliche Einigung auf einen nationalen Digitalisierungsplan für alle Rundfunkübertragungswege.
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Richter, vielen Dank für das Gespräch![mg]
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