Richter: „Wir brauchen einen Digitalisierungsplan für den Rundfunk in Deutschland“

36
84
Radio UKW Bild: © jakkapan - Fotolia.com
Bild: © jakkapan - Fotolia.com

Halle/Saale – Während in großen Teilen Europas die Digitalisierung des Rundfunks bereits Geschichte ist, hinkt Deutschland hinterher. Die Initiative Marketing Digital Radio will dies ändern.

Noch vor Jahren hatte die Politik eine klare zeitliche Zielsetzung für die Digitalisierung des Rundfunks: Bis zum Jahr 2010 sollte der Hörfunk nur noch digital verbreitet werden. Von dieser Zukunftsperspektive, bzw. einem Abschaltdatum der analogen UKW-Verbreitung ist nichts geblieben.
 
Während sich im TV-Bereich mit der Einführung von HDTV ab dem Jahr 2010 eine Entwicklung andeutet, tritt man beim Hörfunk mehr oder weniger auf der Stelle, DAB ließ sich bisher nicht durchsetzen, ganz anders als in Großbritannien, wo die Regierung in dem vor wenigen Tagen vorgelegten Zwischenbericht klipp und klar erklärte, dass DAB das digitale System für das Land sein wird.

Doch auch in Deutschland gibt es Personen, Vereinigungen und Unternehmen, die sich mit dem Status Quo der schleppenden Digitalisierung nicht abfinden wollen. DIGITAL FERNSEHEN unterhielt sich daher mit Michael Richter, dem Vorstandsvorsitzenden der Initiative Marketing Digital Radio (IMDR), der zugleich Leiter der Geschäftsstelle Digitaler Rundfunk Mitteldeutschland ist.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Richter, Sie stehen seit einigen Monaten an der Spitze der Initiative Marketing Digital Radio. Welche Ziele hat sich die IMDR auf ihre Fahnen geschrieben?
 
Michael Richter: Seit ihrem Gründungsjahr 2001 betreibt die IMDR aktives Marketing für die Markteinführung von Digital Radio in Deutschland. Ziel war und ist es, bei der Digitalisierung der Rundfunkübertragungswege – insbesondere der terrestrischen Hörfunkübertragung – eine zukunftsweisende Technik gemeinsam mit allen Partnern am Markt zu etablieren.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Wer verbirgt sich hinter der Initiative Marketing Digital Radio, der IMDR?
 
Michael Richter: In erster Linie sind das die privaten und öffentlich-rechtlichen Hörfunkveranstalter, Partner aus der Geräte- und Chipindustrie, Infrastrukturanbieter und weitere Institutionen wie der Verein Digital Radio Mitteldeutschland.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Schaut man sich in den Ländern rundherum um, so greift die Digitalisierung des Rundfunks mit großen Schritten, im Hörfunk, im Fernsehen – und speziell bei der Einführung von HDTV-Programmen. Warum geht es in Deutschland so langsam?
 
Michael Richter: Heute wissen wir, dass für Deutschland unbedingt ein nationaler Digitalisierungsplan benötigt wird. In diesem Digitalisierungsplan muss zum Beispiel der Zeitplan für eine Markteinführung und auch die Finanzierung dieser Einführung verbindlich geregelt werden. Nur so können sich Verbraucher, Programmveranstalter und die Industrie auf die Digitalisierung des Hörfunks einstellen und das Hickhack in Deutschland auf Länderebene wäre endlich beseitigt.
 
Dazu erwarten wir eine nachhaltige und langfristige Federführung dieses Einführungsprozesses durch das Bundeswirtschaftsministerium. Ein ständiger Personalwechsel – wie er dort derzeit leider stattfindet – bringt nur Unruhe in die Branche. Dass eine Technologie auch sehr erfolgreich in Deutschland eingeführt werden kann, zeigt das Beispiel DVB-T. Hier gab es ein hervorragendes länderübergreifendes und auf die Regionen abgestimmtes Einführungsszenario.

DIGITAL FERNSEHEN: Die Digitalisierung des Radios – weg vom analogen UKW – hin zu DAB war ja bisher nicht der große Erfolg in Deutschland, warum eigentlich nicht?
 
Michael Richter: Da sehe ich mehrere Faktoren: In den Anfangsjahren der DAB-Einführung hat man die wichtige Versorgungssituation im Haus (indoor) unterschätzt. Die Reglementierung für Deutschland mit nur 1 KW pro Senderstandort konnte erst mit der Wellenkonferenz im Jahr 2006 beseitigt werden. Damit ist jetzt theoretisch der so genannte „deep indoor Empfang“, also der Empfang überall auch mit kleiner Antenne möglich.
 
Auch die Bereitstellung von preiswerten Mehrnormgeräten inklusive UKW, DAB, DAB+ und WLAN ist erst seit letztem Jahr möglich. Und nicht zuletzt brauchen die Verbraucher und die Radioveranstalter eine klare Ansage, wie die Zukunft des terrestrischen Hörfunks aussehen soll.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Auf dem Markt befinden sich neben DAB auch DAB+, DVB-T konkurriert mit DVB-H, es wird über die Grundverschlüsselung bei den TV-Programmen debattiert. Woran erkennt der Konsument, dass er beim Kauf eines Radios oder TV-Gerätes nicht auf eine auslaufende Technologie setzt?
 
Michael Richter: Hier kann ich nur für den Hörfunk sprechen. Der Verbraucher ist gut beraten, im Handel nach Kombi-Geräten mit UKW, DAB, DAB+ und vielleicht auch WLAN nachzufragen. Im Internet unter www.digitalradio.de kann er dann erfahren, wie in seinem Empfangsgebiet Digital Radio angeboten wird, welche Programme und welche Versorgungsqualität heute möglich ist.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Wie könnte die viel beschworene „Digitale Dividende“ denn für das Radio aussehen?
 
Michael Richter: Die Diskussion um die geplante Nutzungsänderung mit Mobilfunk im Rundfunkspektrum muss beendet werden. Die so genannte koprimäre Nutzung von Mobilfunk und Rundfunk verbaut dem terrestrischem Rundfunk zukünftige Entwicklungschancen insbesondere privater Veranstalter und nimmt weiteren Nutzungen wie den Funkmikrofonen die Existenz.
 
Ein großer Gewinn für den Hörfunk wäre es, wenn wir den digitalen Fortbestand im kompletten VHF-Band III vollziehen können. Allerdings halte ich die Diskussion der „Digitalen Dividende“ im Radio im Moment für verfrüht. Wichtiger ist jetzt die verbindliche Einigung auf einen nationalen Digitalisierungsplan für alle Rundfunkübertragungswege.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Richter, vielen Dank für das Gespräch![mg]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

Bildquelle:

  • Empfang_Radio_Artikelbild: © jakkapan - Fotolia.com

36 Kommentare im Forum

  1. AW: Richter: "Wir brauchen einen Digitalisierungsplan für den Rundfunk in Deutschland Wie bei der Digitalisierung des TV-Empfangs in den USA? Komisch, egal mit wem ich in Frankreich, Spanien, Schweiz, Grossbritannien und Italien rede, treffe oder besuche, alle haben noch die "alten" Radios im Auto, die alten Stereoanlagen im Wohnzimmer, ganz zu schweigen von den vielen kleinen Empfängern, Kofferradios und Gettoblaster. Selbst RDS sieht man seltener wie hier in Deutschland. Auch in Geschäften, von den grossen Märkten bis zum kleinen Händler um die Ecke, Supermarkt etc. haben fast nur UKW-Empfänger - mehrheitlich sogar ohne RDS, nur mit Frequenzeinstellung. Klar, gerade von den "Computerisierten" hört sich auch der eine oder andere mal über IP einen speziellen Sender an. Aber sobald es um "normales" Radio mit Nachrichten, Kommentaren aus dem eigenen Land und der eigenen Region geht mit einigermassen gefälliger Musik, ist UKW am Zuge; selbst Radio über Astra&Co. (oder in Berlin über DVB-T) wird zwar neben dem TV-Ton mit in die teils vorhandenen Surroundreceiver eingespeist, trotzdem bleiben die Settopboxen in der Regel aus, wenn mann/frau "nur" Radio hören will, es wird der eingebaute UKW bzw. RDS-Tuner genutzt. Vor allem empfangen auch in Haushalten mit entsprechenden Sat, DVB-T und sogar Kabelempfangswegen die grosse Mehrheit der Radioempfänger (Küchenradio, Duschradio, Kofferradio im Bastelkeller und auf dem Balkon, alter Gettoblaster im Bügelzimmer, Autoradios, MP3-Player mit eingebautem Radio, Handy mit Radioempfänger, je ein Radiowecker für Mann und Frau, Helmradio, u.v.m.) über UKW - Das Verhältnis analogern Antennenempfangs zu Alternativempfangswegen (Kabel, Sat, DVB-T, DAB, IP) liegt bei durchschnittlichen Haushalten in der Regel mindestens bei 6:1. DAB/Digital-Radio "geniesst" bei den mir Bekannten im Ausland ein genausogrosses Nischendasein wie hier in Deutschland, gerade mal 4 Personen in meinem Bekanntenkreis haben einen DAB-Empfänger in die HiFi-Anlage im Wohnzimmer mit eingebunden, wobei auch dort mehrheitlich der DAB-Empfänger aus bleibt und bei "normalem" Radioemfang nur der Receiver über den eingebauten UKW-Tuner betrieben wird. DAB wird allenfalls mal beim gezielten Hören eines Konzertes genutzt. Das Ursprünglich geplante Aufzeichnen in hoher Qualität findet aus Bequemlichkeit bzw. Schwerpunktverlagerung (Familie) so gut wie nicht mehr statt. Und selbst die mir bekannten Berliner welche über DVB-T zusätzlich Radio empfangen können, nutzen diesen RADIO-Empfangsweg kaum bis nie: Warum den Fernsehapparat zum Radiohören einschalten? Ein Lösung wie bei der Analogabschaltung des Antennen-TV mit zusätzlichen Settopboxen ist bei der Vielfalt von "klassischen" Rundfunkempfängern, vor allem einfachsten
  2. AW: Richter: "Wir brauchen einen Digitalisierungsplan für den Rundfunk in Deutschland Wir brauchen keinen Digitalisierungsplan für den Rundfunk in Deutschland. Gemeint ist hier der Tonrundfunk. In Deutschland gibt es 300 Mio. Tonrundfunkempfänger, UKW, in Auto, Bad, Wohnzimmer, Gästzimmer, Schlafzimmer, Küche... 99% der Menschen sind sehr zufrieden mit UKW, abgesehen davon, dass man durch eine gerechtere Verteilung der UKW Frequenzen etwas zusätzliche Kapazität gewinnen könnte. Für die Leute, denen UKW nicht reicht, bietet das Internet 10.000 frei empfangbare Digitalradiostationen. Internetradios sind ab 100 EUR unsubventioniert erhältlich und werden gut angenommen. Die Zukunft sind kombinierte Internet- / UKW Radios. Für die üblichen Programme ist UKW völlig ausreichend, und wer einen exotischen Kanal hören will, kann auf das Internet ausweichen. Auch für Kfz werden UKW / Internetradio- Kombinationen bereits entworfen und sind in der Oberklasse bald serienmäßig. Daneben gibt es einen in Europa und Deutschland gescheiterten Standard namens DAB. Über die Gründe des Scheiterns könnte man seitenweise schreiben, dafür ist hier kein Raum. In diese gescheiterte Technik wurden 300 Mio. deutsche Gebührengelder versenkt. Jeder Kaufmann weiß: schlechtem Geld wirft man kein gutes hinterher. Dass es noch "Initiativen Digitalradio" o.ä. gibt, die in einem letzten Aufbäumen versuchen, ihre mittlerweile veraltete Technik schön zu reden, sollte nicht dazu führen, dass noch ein weiterer Euro in dieses Digitalradiograb gepumpt wird. Digitalradio ist die Zukunft, aber unsubventioniert und aus dem Internet via IP, wo Techniken wie IP Multicast effiziente Verbreitungswege für digitalen Rundfunk bieten. Dem Bürger kommt es letztlich nicht darauf an, ob er digital oder analog hört. Er will gute Programme und da hat er bei UKW 10-30 zur Auswahl und im Internet 10.000. Es ist also für jeden etwas dabei und weitere "Initiativen" brauchen wir nicht.
  3. AW: Richter: "Wir brauchen einen Digitalisierungsplan für den Rundfunk in Deutschland Soll das jetzt die 133. Anti-Digitalradio-Agitation werden? Kommt ihr euch dabei nicht blöd vor? Habt ihr keinen Frisör, dem ihr das erzählen könnt? Langweilt ihr euch?
  4. Alle Kommentare 36 im Forum anzeigen

    Kommentieren Sie den Artikel im Forum