„Angst in meinem Kopf“: eine verlorene Frau

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Angst kann ein ständiger Begleiter im Leben sein, sowohl privat als auch beruflich. Der TV-Film „Angst in meinem Kopf“ zeigt, wie sehr sich ein noch so starker Charakter davon beeinflussen lassen kann.

Viele Menschen üben ihren Beruf gerne aus, auch wenn sie mal überfordert sind. Doch ein völlig unerwartetes Ereignis kann einen vollkommen aus der Bahn werden. So ergeht es einer Beamtin, die auch danach weiter arbeiten will und muss. Das Drama „Angst in meinem Kopf“, das an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) im Ersten zu sehen ist, erzählt davon.

Ein Männergefängnis in Hannover: Sonja Brunner (Claudia Michelsen) arbeitet hier als JVA-Vollzugsbeamtin. Sie ist mit dem Romanautor Jens (Matthias Koeberlin) verheiratet und verdient nahezu allein das Geld für die Familie, zu der auch Jens’ Tochter Iris (Ruby M. Lichtenberg) gehört. Eines Tages wird sie vom Häftling Zeuner (wie meist ein Unsympath: Ralph Herforth) bei einem Ausbruchsversuch als Geisel genommen, ehe er überwältigt wird.
 
Sonja wechselt daraufhin in eine etwas weiter entfernte Anstalt und zwingt die Familie zu einem Umzug nach Rosdorf. Sie fasst Zutrauen zum Kollegen Feininger (sympathisch: Marco Hofschneider) – und auch zum mehrfachen Mörder Sturm (unheimlich und halbnackt: Charly Hübner). Der Insasse Thiel (bedrohlich: Torsten Michaelis) lässt sie – für dringend benötigtes Geld – kleine verbotene Dienste verrichten. Richtig gefährlich wird es, als Zeuner ausgerechnet an Sonjas jetzige Arbeitsstätte (warum eigentlich?) verlegt wird.
 
Regisseur Thomas Stiller (57, „Zwölf Winter“) hat das Drehbuch zu seinem beklemmenden Film über Beziehungsgeflechte im Knast und in der Familie selbst geschrieben und glaubhaft besetzt. Claudia Michelsen (49, „Polizeiruf 110“, „Alles Isy“) überzeugt als zutiefst verlorene, aber auch ziemlich traumatisierte Frau, die physisch und psychisch verletzt worden ist und das Erlebte mühsam zu verdrängen sucht. Michelsen erreicht mit bedrohlichem Flüstern, sparsamen Gesten und eindringlichen Blicken, dass ihr keiner zu nahe kommt, weder von der Familie noch von Kollegen. Die Frage bleibt, warum sie sich beruflich so überschätzt und sich nicht in ein Frauengefängnis hat versetzen lassen und warum sie zur Bewältigung des Erlebten keine professionelle Hilfe in Anspruch nimmt.
 
Matthias Koeberlin (44, „Die Toten vom Bodensee“, „Charité“) ist hier mal mit Glatzkopf zu sehen und deutlicher zu verstehen als sonst. Er hat als eher erfolgloser Künstler den undankbareren Part, der sich zumeist in besorgten Nachfragen erschöpft. Koeberlin bewältigt seine Rolle als zunehmend überforderter Ehegatte aber ähnlich gut wie seine Kollegin. Allerdings kann er im Film auch nicht verhindern, wie sie sich heillos in korrupte Machenschaften verstrickt.
 
„Ich fand es spannend zu gucken, wie Sonja Brunner nach diesem absolut gewalttätigen Erlebnis versucht, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen“, sagte Regisseur Stiller in einem ARD-Interview. „Das sind Sachen, die sind für den normalen Menschen unfassbar. Aber dann passieren sie doch; es kann uns allen passieren. Da muss man sich nicht zu sicher fühlen. Wenn sich Situationen im Leben ändern, kann es für alle aus dem Ruder laufen.“
 
 
Das Ehepaar lebt in ganz authentischen Verhältnissen und muss schon aufs Geld achten – vor allem dann, als der betagte Mercedes seinen Geist aufgibt und ein anderes Auto her muss, eine Spülmaschine gibt’s auch nicht. Diese bodenständige Umgebung (samt gemeinsamen Brettspiel mit der Tochter) wirkt ebenso glaubwürdig wie wohltuend. Das Grundthema ähnelt etwas dem noch drastischeren Film „Sieben Stunden“ (Arte) von Christian Görlitz, in dem eine Therapeutin von einem Gefangenen als Geisel genommen und vergewaltigt wird. So schlimm kommt es hier nicht, doch ist das konsequente Ende für die nachvollziehbar agierenden Figuren dramatisch genug. [Klaus Braeuer]

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