Arte: „Serien gehören zu den formal innovativsten Fernsehgenres“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Leipzig – Arte hat in diesem Jahr nicht nur ein neues Abendprogrammschema eingeführt, sondern auch Teile seines Programms auf HDTV umgestellt.

Im Gespräch mit DIGITAL FERNSEHEN zieht Arte-Programmdirektor Dr. Christoph Hauser eine Bilanz über das abgelaufene TV-Jahr und gibt auch einen Ausblick auf das kommende Jahr. Eine entscheidende Rolle sollen dabei Serien spielen, die momentan eine Renaissance erfahren. „Wir möchten Serien koproduzieren und so dieses Genre mitgestalten“, so Dr. Hauser.

DIGITAL FERNSEHEN: Herr Dr. Hauser, wie ist das Jahr 2008 rückblickend für Arte gelaufen?
 
Dr. Christoph Hauser: 2008 hat Arte ein neues Abendprogrammschema eingeführt. 45-minütige Dokumentationen haben die Primetime gestärkt und somit dem Zuschauer eine neue klare Umschaltzeit um 21 Uhr geboten. Durch diese größere Flexibilität wurden Programmevents mehr Platz in der Primetime eingeräumt wie z.B. „Roots“, „Summer of the Seventies“ oder „Die Dramatiker“. Gleichzeitig hat die zweite Umschaltzeit um 22.30 Uhr mit Formaten wie die neue Kulturdokumentation am Donnerstag das spezifische Profil des Senders verstärkt.
 
2008 konnte Arte starke Akzente setzen. Mit 13 Filmen und zehn Konzerten und Musikdokumentationen an acht Dienstagen wurde der „Summer of the Seventies“ von den Zuschauern genauso gut wahrgenommen wie der „Summer of love“ im vergangenen Jahr. Für ansehnliche Erfolge des Senders sorgten Fernsehfilme wie „Teufelsbraten“ (820 000 Zuschauer), „Willenbrock“ (645 000 Zuschauer), „Die fremde Frau“ (650 000 Zuschauer). Besonders erfolgreich waren die Filme „Das Leben der anderen“ (1,1 Millionen Zuschauer) und „Sommer vorm Balkon“ (890 000 Zuschauer).
 
Großes Interesse weckten auch gesellschafts- oder sozialpolitische Themen. Die nicht autorisierte Biografie von George W. Bush des französischen Satirikers Karl Zéro „Being W“, erreichte mit 595 000 Zuschauern die beste Einschaltquote eines Themenabends am Dienstag. Ein weiterer Themenabend am Dienstag „Saufen bis der Arzt kommt“, über das Problem Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen hat 560 000 Zuschauer interessiert. Die historische Dokumentation „The War“ von Ken Burns, die als 14-teilige Reihe von je einer Stunde am Mittwoch programmiert wurde, war mit 1,1 Prozent in Deutschland ein Zuschauererfolg.
 
Im Bereich Musik/Theater/Tanz wurden die Porträts der großen europäischen Dramatiker, ebenso wie die spektakuläre Live-Übertragung von „La Traviata“ aus dem Zürcher Bahnhof, von durchschnittlich 500 000 Zuschauern gesehen. Arte kann somit auf ein durchaus positives Jahr 2008 zurückschauen.
 
DF: Inwiefern hatte die Finanzkrise Auswirkungen auf den Sender?
 
Dr. Christoph Hauser: Als öffentlich-rechtlicher Sender wird Arte von der Fernsehgebühr finanziert. Die neue Gebührenperiode garantiert uns bis 2013 eine stabile werbefreie Finanzierung.
 
DF: Mit welchem Programm überraschen Sie die Zuschauer zu Silvester?
 
Dr. Christoph Hauser: An Silvester bietet Arte zwei herausragende musikalische Live-Erlebnisse, um 19 Uhr aus der Pariser Oper und um 23 Uhr aus São Paolo. Live geht es gleich am 1. Januar mit der Übertragung des Neujahrskonzert aus dem „Teatro La Fenice“ in Venedig weiter.
 
DF: Sie haben angekündigt, im kommenden Jahr vermehrt auf Serien setzen zu wollen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
 
Dr. Christoph Hauser: Weltweit erleben Serien eine Renaissance, sie gehören heute zu den formal innovativsten Fernsehgenres und greifen oft brisante Themen auf, die Zuschauer bewegen. Arte möchte deshalb nicht darauf verzichten, stilprägende Beispiele für dieses wichtige TV-Format in seinem Programm auch zu präsentieren. Mehr noch: wir möchten Serien koproduzieren und so dieses Genre mitgestalten.
 
DF: Welche Serien haben Sie bereits erworben und wann sollen diese gezeigt werden?
 
Dr. Christoph Hauser: Gezeigt wurde bereits die Serie „Regenesis“, eine spannende Geschichte über Konfliktfelder wie Gentechnik, Biowaffen und Medizinethik; ab Januar zu sehen sein wird: „Jekyll“, eine moderne Variation des Jekyll/Hide-Themas; die deutsche Kultserie „KDD“ (zwei Staffeln als Wiederholung, die dritte als Erstausstrahlung auf Arte); weitere Serien sind in Entwicklung oder werden demnächst angekauft.
 
DF: Was versprechen Sie sich von der „Serien-Offensive“? Wollen Sie damit auch Zuschauer erreichen, die sonst eher dem Kulturkanal Arte fern bleiben?
 
Dr. Christoph Hauser: Gerade bei jungen Zuschauern sind Serien Kult. Man schaut sie sich gemeinsam an, spricht über sie, variiert und persifliert sie. Ein moderner Sender muss im Serienbereich aktiv präsent sein. Außerdem sind Serien bestens dazu geeignet, die Zuschauerbindung an einen Sender, an einen Sendeplatz zu fördern.
 
DF: Welche weiteren Programmneuheiten erwarten die Zuschauer 2009?
 
Dr. Christoph Hauser: 2009 freut sich der Sender, zwei neue Wissensmagazine, „X:enius“ und „Global“, im Tagesprogramm anzubieten. „X:enius“ zeigen wir von Montag bis Freitag um 8.15 Uhr und 16.45 Uhr. Mit einem Wissensmobil touren junge Moderatoren durch Europa und erforschen auf spielerische Weise Themen aus dem Alltagsleben und der Naturwissenschaft, die alle interessieren. Das zweite neue interaktive Magazin, „Global“ am Freitag um 19 Uhr, befasst sich mit der globalisierten Welt, in der eine einzige politische Entscheidung auf die komplexen Zusammenhänge unseres Planets nachhaltige Folgen haben kann.
 
Das Abendprogramm erhält ebenfalls mehr Profil mit groß angelegten Programm-Events, zum Mittelalter, zum amerikanischen Bürgerkrieg oder auch zu essentiellen Themen wie „Ernährung“. Auch investigative Dokumentarfilme, z. B. über das gescheiterte UNO-Hilfsprogramm „Oil for food“, und erstklassige europäische Fernsehfilme sowie klassisches und aktuelles Kino werden das Arte-Programm 2009 auszeichnen. So begleitet Arte die Berlinale mit einer Reihe von preisgekrönten Spielfilmen. Am 9. Januar zeigt der Sender den Fernsehfilm „Schwesterherz“ mit Heike Makatsch als Hauptdarstellerin und zum ersten Mal auch als Buchautorin.
 
Aus Anlass der großen gesellschaftlichen, historischen oder auch politischen Ereignisse und Jubiläen, die 2009 stattfinden werden, wie 60 Jahre Nato, die Europa- oderBundestagswahl oder auch 20 Jahre Mauerfall, wird Arte als europäischer Kultursender mit vielen Neuproduktionen sein gesellschaftliches und kulturelles Engagement wieder beweisen.
 
DF: Bauen Sie im nächsten Jahr Ihr HDTV-Angebot noch weiter aus?
 
Dr. Christoph Hauser: Ja, selbstverständlich! Im Bereich Theater und Musik sowie hochwertige Natur-Dokumentationen produzieren wir schon heute einen Großteil unserer Programme in HD. Nun beginnen wir mit der Studioproduktion. Seit Juli 2008 werden die nicht nativen HD-Signale auf HD up-konvertiert. Ab 2010 soll der überwiegende Teil des Programms aus nativem HD-Material bestehen. Die neuproduzierten Serien werden nach und nach in HD produziert, so wie z.B. die neue Staffel von „Venus und Apoll“, die ab Mitte Februar auf Arte startet.
 
DF: Wie wird das hochauflösende Fernsehen bisher von den Arte-Zuschauern aufgenommen?
 
Dr. Christoph Hauser: Die Resonanz ist ausgezeichnet. Anfang Juli hat die HD-Fan-Community über Blogs mobilgemacht und den Start der HDTV-Ausstrahlung breit angekündigt. Die Zuschauer haben gleich den optischen Qualitätssprung der Hochauflösung erkannt und gelobt.
 
DF: Herr Dr. Hauser, vielen Dank für das Gespräch. [cg]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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