Arte zeigt Doku-Reihe über Straflagersystem „Gulag“

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Eine ausführliche Dokumentationsreihe veranschaulicht, unter welchen Bedingungen die Inhaftierten in dem sowjetischen Straflagersystem ihr Dasein fristen mussten.

Nachdem die Kommunisten 1917 in Russland die Macht gewaltsam an sich gerissen hatten, begannen sie, nicht nur die Sowjetunion, sondern auch ein Zwangsarbeitersystem aufzubauen. Bekannt wurde es unter dem Akronym „Gulag“, das übersetzt für „Hauptverwaltung der Besserungs- und Arbeitslager“ steht. In derartigen Anstalten waren über einen Zeitraum von 40 Jahren mehr als 20 Millionen Menschen interniert. Viele waren unschuldig. Jeder sechste Erwachsene in der Sowjetunion machte in jener Zeit die Erfahrung von Haft oder Deportation.

Dieses Netz der sowjetischen Straf- und Arbeitslager war geprägt von außergewöhnlicher Reichweite und erstreckte sich über Tausende von Kilometern, vom Weißen bis hin zum Schwarzen Meer, von Moskau bis Wladiwostok, vom Polarkreis bis nach Zentralasien. Der „Archipel Gulag“, wie der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn das System nannte, ist Thema einer sehenswerten Dokumentationsreihe, die Arte an diesem Dienstag (20.15 Uhr) ausstrahlt. Sie spannt einen weiten Bogen von der russischen Revolution bis zu den Anfängen der Chruschtschow-Ära, in der der neue Parteichef Verbrechen unter Sowjetdiktator Josef Stalin publik machte.

Um die schrecklichen Haftbedingungen zu belegen, greifen die drei Filmemacher Patrick Rotman, Nicolas Werth und François Aymé auf Augenzeugenberichte zurück, die die russische NGO-Vereinigung „Memorial“ zwischen 1988 und 2014 gesammelt hat. Die Strapazen stehen den Opfern noch in hohem Alter ins Gesicht geschrieben. Teilweise unter Tränen erzählen sie von Willkür und drakonischen Strafen, von Vergewaltigungen, Hunger und Seuchen.

Der erste Teil erzählt von den Anfängen des „Gulag“-Systems und erläutert die Bedingungen, unter denen die ersten Lager entstehen. Sogenannte Klassenfeinde wie die „Menschewiki“, die „Anarchisten“, aber auch gewöhnliche Kriminelle sollen hier umerzogen werden. Zwölf Stunden am Tag müssen sie arbeiten und Normen erfüllen, die ihnen die Kräfte rauben. Tausende arbeiten sich zu Tode.

Die Gulags entwickeln sich zugleich mehr und mehr zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor und dienen dazu, ehrgeizige Infrastrukturprojekte zu realisieren. Am Anfang steht der Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals. Später nimmt die Kommunistische Partei weitere Pläne in Angriff: Sie lässt die Trasse einer neuen transsibirischen Eisenbahn – der Baikal-Amur-Magistrale (BAM) – entstehen, Kohleminen und Ölfelder ausbauen, neue Städte errichten und Siedlungsgebiete erschließen. Die Zahl der Großbaustellen steigt – und mit ihr die der Straflager.

Während der zweite Doku-Teil die Ausbreitung des „Gulag“-Systems beleuchtet und sie in den Kontext stalinscher Säuberungen einbettet, legt die abschließende Folge den Akzent auf die Hochzeit des Systems in den 1950er Jahren und thematisiert das schwere Schicksal inhaftierter Frauen. Die Dokumentationsreihe besticht dabei durch gute Recherche, eine ausführliche Darstellung und originelles Bildmaterial. Eindrucksvoll sind Archivaufnahmen, in denen Häftlinge harte körperliche Arbeit verrichten müssen.

Es ließe sich auch ein Bogen ins Heute schlagen. Mit Folter, Kälte und gegenseitiger Denunziation gelten Russlands Gefängnisse noch immer als Hölle auf Erden. 2010 verglich selbst der damalige Justizminister Alexander Konowalow die „unmenschlichen Zustände“ mit Stalins Gulag. Auch der damalige Kremlchef Dmitri Medwedew blies zum Angriff auf die Altlast und versprach eine Humanisierung des Strafvollzugs. Doch Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass blutige Misshandlungen oft noch immer Alltag seien.

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