„Der Tod ist unser ganzes Leben“: Krise beim Münchener „Tatort“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Die verspätete Aufklärung des Falls vom Oktober 2016 sorgt bei den Münchener „Tatort“-Kommissaren für ernste zwischenmenschliche Störungen. Der ungewöhnlich erzählte Fall „Der Tod ist unser Leben“ stellt die Freundschaft von Leitmayr und Batic auf eine harte Probe.

Es war einer dieser „Tatort“-Aufreger: Als die ARD im Oktober 2016 die Münchner Episode „Die Wahrheit“ über einen Zufallsmord an einem Familienvater ausstrahlte und die Kommissare Leitmayr und Batic die Suche nach dem Mörder frustriert und ergebnislos aufgaben, da war das ein kleiner Skandal in der deutschen Krimi-Welt. Fehlende Absolution am Sonntagabend.
 
„Das wollten wir so nicht stehen lassen“, sagte BR-Redakteurin Stephanie Heckner bei der Präsentation des Filmes in der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. „Dieser Mann muss von der Straße weg, auch wenn es nur ein Film ist.“ Mehr als ein halbes Fernseh-Jahr später kommt nun an diesem Sonntag (30. April, 20.15 Uhr) die Fortsetzung des Krimis ins Fernsehen, die der Bayerische Rundfunk ausdrücklich nicht als solche verstanden wissen will. Heckner betont: Auch Zuschauer, die die Folge damals nicht gesehen haben, können diesen Film mit dem Titel „Der Tod ist unser ganzes Leben“ verstehen.

Das stimmt durchaus. Allerdings kann es auch nicht schaden, sie zu kennen (Die ARD wiederholt die Folge am Freitag, 28. April um 22.00 Uhr). Damals kam Kommissar Batic (Miroslav Nemec) nämlich der Ehefrau des Mordopfers näher. Und diese Nähe stellt nun die Kollegialität, das Vertrauen und die Freundschaft zwischen ihm und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) nach 26 Jahren des gemeinsamen Ermittelns gewaltig auf die Probe.
 
In dem Film steht – mehr als ungewöhnlich für einen „Tatort“ – die Festnahme des Mörders Thomas Barthold (Gerhard Liebmann) ziemlich am Anfang. Er wird erwischt, weil er sich kurz nach einem zweiten Mordversuch von einer Überwachungskamera hat filmen lassen. Das Unglaubliche: Er hat seine zwei Opfer (beide Familienväter) völlig ohne Grund ausgesucht. Er hat sie schlicht ausgezählt. Ene, mene, muh – tot bist Du. Das Zählen hat er sich schließlich als Besucherzähler im Ägyptischen Museum in München angewöhnt. Genau dort nehmen Leitmayr und Batic ihn fest – doch damit fängt das Drama erst an.
 
Denn bei der Überführung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft zu seinem Prozess geht alles schief, was schiefgehen kann. Zum Schluss sind noch viel mehr Todesopfer zu beklagen, Batic liegt schwer verletzt im Krankenhaus – und Leitmayr versucht, herauszufinden, was genau passiert ist und warum Batic ihm nicht immer die Wahrheit gesagt hat. Der Film arbeitet vor allem mit Rückblenden. „Plötzlich wackelt alles und man weiß nicht mehr, was man glauben soll.“
 
Das alles führt zu einer handfesten Beziehungskrise zwischen den beiden Ermittlern, die zu den dienstältesten im „Tatort“-Universum gehören (nur Ulrike Folkerts als Lena Odenthal ist länger im Dienst). „Was kommt denn jetzt noch?“, heißt es in einer zentralen Szene des Films, in der Leitmayr versucht, die Wahrheit aus seinem Kollegen herauszubekommen. „Keine Frau, kein Leben, nur Leichen. Der Tod ist unser ganzes Leben.“ Das Schicksal der „Tatort“-Kommissare wird zum Filmtitel.
 
Ganz einfach sei der Dreh nicht gewesen, sagte Schauspieler Wachtveitl in der Münchner HFF – „weil man blutverschmiert im Dreck liegen musste und all solche Sachen, weil man rennen musste“. Außerdem habe es auch immer wieder Diskussionen um den Film gegeben. Aber: „Fernsehen, dem man ansieht, dass es immer einfach war, gibt es genug.“

[Britta Schultejans/buhl]

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6 Kommentare im Forum

  1. Ein sehr, sehr düsterer Tatort. Teilweise angelegt wie ein Arthouse-Film. Und ein psychopathischer Mörder, der stark an Hannibal Lecter erinnert. Wobei es hier nicht so sehr um die Mörderhatz selbst geht, die ist schon in recht kurzer Zeit erledigt. Es geht eher um das 'Drumherum' eines Falles mit Bezügen zur Vergangenheit. Insofern wird der Krimi auch in Rückblenden mit verschiedenen Zeitebenen erzählt. Und er bringt das 'alte Ehepaar' hart an den Rand der Scheidung über die Frage, welche Wahrheit denn jetzt die echte Wahrheit ist. Ein Plot, den man eigentlich erwartet, wenn ein Ermittlerteam 'in Rente geschickt' werden soll. Nach dem Film würde man eigentlich sagen wollen: das war's dann jetzt wohl...
  2. Ja. der Münchner Tatort ist in der Krise. Hat die letzte Folge eindrucksvoll gezeigt. Da wurde nachträglich eine Auflösung für einen zurückliegenden Fall konstruiert. Sicher ist ein Krimi keine Doku, aber ein wenig sollte die Handlung schon passen.
  3. Dazu, auch wenn es jetzt spoilert; am Ende: beide Kommissare ernsthaft verletzt (gehbehindert), auf Medikamente angewiesen, als Team heillos zerstritten, den letzten Fall mit zwei Toten 'in den Sand gesetzt', interne Ermittlungen der Polizei laufen. Da kann man wirklich nur noch sagen: das war es dann wohl. Wie will man nach so einer Folge mit demselben Team weitermachen, als wäre nichts geschehen? Eigentlich bleibt da nur noch, ein neues Münchner Team einzuführen.
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