„Die Kunst des Aufhörens“? Letztes „Philosophisches Quartett“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Nach zehn Jahren müssen sich die beiden Moderatoren des „Philosophischen Quartetts“ nun selbst beweisen, dass sie nicht nur das Philosophieren sondern auch „Die Kunst des Aufhörens“ beherrschen, denn am heutigen Sonntag (13. Mai) zeigt das ZDF ihre letzte Show. Als Nachfolger steht schon Autor David Precht mit eigener Sendung bereit.

Seit 2002 waren die Moderatoren für das Zweite auf Sendung und philosophierten gemeinsam mit ihren Gästen über alles, was die Welt bewegte. Nun will man sich beim ZDF aber neuen Formaten widmen. Daher wird die 63., am heutigen Sonntag um 00.10 Uhr (Nacht zum Montag) ausgestrahlte Sendung des Quartetts auch ihre Letzte sein. Als Gäste erwarten die beiden Denker den Verleger Michael Krüger und der Schriftsteller Martin Walser. Am Konzept des Fernseh-Philosophen will das ZDF aber weiterhin festhalten und schickt nun „Wer bin ich – und wenn ja wie viele?“-Autor David Precht an den Start.

Mit intellektuellem Abstand zum aktuellen Talkshow-Theater war das „Quartett“ einer der wenigen Sendeplätze im deutschen Fernsehen, auf denen allgemeinere Gedanken zu gesellschaftlichen Themen wie Angst, Krieg, Bankenkrise, Euro, Papsttum oder Manieren entwickelt werden durften. Daneben fällt einem fast nur noch die kulturelle Gesprächsrunde „ZDF Nachtstudio“ ein, die jedoch mit dem eher befragenden Volker Panzer einen anderen Ablauf hat.
 
„Wir bedauern es alle, dass es zu Ende geht. Wir hätten gerneweitergemacht. Doch die Programmplanung des ZDF ist nun mal nicht unsereSache“, sagt Thomas Schröder, Geschäftsführer der Produktionsfirma FTSMedia, die jetzt nicht mehr länger im Boot ist.
 
Auch Rüdiger Safranski bekannte in einem dpa-Gespräch Ende März: „PeterSloterdijk und ich bedauern das sehr, weil wir die Sendung sehr gernegemacht haben und auch mit großer Freude und Leidenschaft weitergemachthätten.“ Ihre auf den ersten Blick altertümlich wirkende Sendung, „inder halbwegs kluge Menschen reden und in Ruhe ein Thema erkunden und inder nicht der plakative Streit im Mittelpunkt steht“, habe ihreDaseinsberechtigung gehabt und sei ein gutes Gegenbild zum Rest desFernsehprogramms gewesen. „Streitrunden mit Einspielfilmen undPublikumsbefragungen gibt es ja schon genug.“

Das Aus verkündete das ZDF am Tag nach der vergangenen Sendung vom 25. März. Peter Arens, Leiter der Kultur und Wissenschaft bei dem öffentlich-rechtlichen Sender, ließ mitteilen: „Es war eine schöne Zeit, wir haben Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski viel zu verdanken. Wir haben mit den beiden Spitzenphilosophen eine unverwechselbare Marke im Kulturfernsehen gesetzt. Es ist nun aber doch die Zeit gekommen, dass wir im Zeichen des Wandels im ZDF nach zehn Jahren neue Wege gehen wollen.“

Die nächtliche Sendung hatte stets um die 500 000 Zuschauer. Das Wort „Quartett“ im Name deutete auf eine Traditionslinie hin. Die Sendung war eine Art Nachfolger der legendären TV-Runde „Das Literarische Quartett“. Die frühere Buchkritik-Show mit Marcel Reich-Ranicki lief von 1988 bis Dezember 2001. „Das Philosophische Quartett“ startete dann am 20. Januar 2002. Die ersten zehn Sendungen kamen aus Dresden, von 2003 bis 2010 wurde aus Wolfsburg gesendet. Erst im April 2011 zog die Show nach Berlin.

Welches Konzept die neue Sendung mit Precht haben wird und wie sie heißen soll, war auch in dieser Woche nicht zu erfahren. Der Stand in Mainz ist also anscheinend noch wie Ende März, als es hieß: „Das ZDF plant, im Herbst 2012 ein neues Format mit dem Philosophen und Publizisten Richard David Precht zu senden, das sich formal und inhaltlich vom „Philosophischen Quartett“ unterscheiden wird.“

Fast als Ironie der Geschichte jedenfalls könnte man es sehen, dass der Karlsruher Hochschulrektor Sloterdijk und sein Co-Moderator Safranski, die immer auf Gäste jenseits der üblichen Talkshow-Nomaden gesetzt haben, nun ausgerechnet von Precht ersetzt werden, der in jüngerer Zeit eine Art Dauergast in aktuellen Talkshows geworden ist.

Sloterdijk wettert in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Precht ist vom Handwerk her Journalist und als solcher Popularisator von Beruf. Ob er wirklich, wie das ZDF annimmt, zu einer Verjüngung des Publikums beitragen wird, bezweifle ich allerdings. Seine Klientel gleicht eher der von André Rieu, den hören auch vor allem Damen über fünfzig in spätidealistischer Stimmung.“[Gregor Tholl/fm]

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1 Kommentare im Forum

  1. AW: "Die Kunst des Aufhörens"? Letztes "Philosophisches Quartett" Sehr geehrtes ZDF zum erstenmal habe ich mich aktuell in einem Forum registrieren lassen und ihnen somit auch teilweise private Daten zukommen lassen aber es ist wichtig. Ich habe erfahren dass das philosophische Quartett abgesetzt wird. Ich bin Oberärzten an einer Uniklinik .... Über arbeitssituation etc möchte ich nicht sprechedn nur der Hinweis dass ich trotz meiner begrenzten Freizeit diese Sendung als einzige wirklich interessante Sendung im deutschen Fernsehen regelmäßig verfolgt habe. Teilweise habe ich mir halt den Wecker gestellt. Wenn ich meine Eltern zu Hause besucht habe konnten mein vater (mathematiker) und ich nächtelang über die letzte Sendung diskutiert. Auch wenn die Sendung bzg sendezeit wohl für ein älteres PublikumR angelegt war so haben sie trotzdem einer wenn auch quotenbestimmenden verdummenden Jugend eine der letzten Möglichkeiten genommen auch im Fernsehen wirkliche Bildung zu erfahren. Während in anderen Sendungen die die dargestellte Diskussion die eigentliche oberflächliche Unterhaltung darstellt hat das philosophische Quartett die Möglichkeit geboten Themen wirklich zu verstehen (es blieb zeit zu nachdenken... Ist aber wohl nicht gewünscht) oder sich in den vorgestellten büchern selbst informieren zu können ... Und dies auch außerhalb durch einen Zugewinn an Einsicht zu diskutieren. "der berüchtigte hässliche (aber interessante) deutsche kommt im Fernsehen nicht mehr vor. Stattdessen wird eine fröhliche Anspruchslosigkeit transportiert." (frei nach sloterdijk) schöner kann man es nicht formulieren. Ich bin sehr traurig. Ihre dr med Julia Holler
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