Ein „Tatort“-Ermittler wird zum Problemfall

26
52
Bild: Destina - Fotolia.com
Bild: Destina - Fotolia.com

Kriminalhauptkommissars Peter Faber wird zur tragischen Figur im zweiten „Tatort“ aus dem Ruhrgebiet. So schluckt er Tabletten, provoziert, rastet aus, betrinkt sich und bricht zusammen. Der eigentliche Fall ist Faber selbst – der Mordfall wird zum Nebenschauplatz.

Finger mit dicken Goldringen drücken ein Nasenloch zu, durch das andere zieht Serkan Bürec Kokain hoch. Rapmusik dröhnt, dann schießt ihm sein Mörder zweimal in die Brust. Eine Prostituierte, die unter dem Schreibtisch kniete, steht paralysiert auf, verschwindet. Sie ist die Zeugin, die Kriminalhauptkommissar Peter Faber und seine drei Kollegen im zweiten Ruhrgebiets-Tatort „Mein Revier“ suchen. Die ARD zeigt den Krimi an diesem Sonntag um 20.15 Uhr.
 
Der Tote war „ein Drogendealer, Zuhälter, Vollarschloch“, beschreibt ihn ein Polizist am Tatort in der Dortmunder Nordstadt. „Hier herrscht Krieg.“ Es ist tatsächlich ein Viertel mit krassen Problemen: Prostituierte und ihre Zuhälter, Bulgaren, auf dem Arbeiterstrich, Drogenhandel, Gewalt auf der Straße, unverschämte Mieten für gammelige Wohnungen. Drehbuchautor Jürgen Werner erzählt von allem – statt einem Problem mehr Tiefe zu geben. Er konstruiert den Fall kompliziert, und trotzdem überführt Faber am Ende einen Mörder, den viele Zuschauer nach der Hälfte des Films verdächtigen werden. Sein Mordmotiv bleibt vage, der Zuschauer muss es allein ergründen. Denn Faber ist in der letzten Szene wieder mit sich beschäftigt. Er ist der Fall. Und dieser Fall Faber bläht sich wie ein Ballon auf, während die Mördersuche und Nordstadt-Probleme in sich zusammenschrumpeln.

Drehbuchautor Werner drängt dem Zuschauer das Gefühl auf, unbedingt wissen zu wollen, wie der Fall Faber weitergeht. Für ihn sind „Alter Ego“ – seine erste Folge des Dortmund-„Tatorts“ – und „Mein Revier“ nichts Abgeschlossenes, sie setzen sich fort, müssen sich sogar fortsetzen. Werners Haltung ist mutig und innovativ, schließlich schreibt er keine Krimiserie, die ein Sender wöchentlich ausstrahlt. Jörg Hartmann spielt auch im zweiten Dortmund-Tatort einen Kommissar, über den er sagt, dass ihn die Zuschauer „nicht direkt liebhaben“. Faber zerstört mit einem Baseballschläger wie irre ein Auto, besäuft sich, denkt an Selbstmord, macht böse Sprüche und provoziert einen Verdächtigen so sehr, dass ihm dieser die Nase blutig schlägt. „Was hat der sich wieder reingepfiffen? Irgendwelche Psychopillen?“, fragt ein Kollege verächtlich.
 
Hartmann spielt einen grandiosen Psychopathen im langen braunen Parka, der versucht, in die Psyche des Mörders einzudringen und seine eigene mit Tabletten zu kontrollieren. Es wäre unglaubwürdig, wenn dieser kranke Mann nach seinen Ausrastern und Unverschämtheiten im dritten Dortmund-„Tatort“ nicht suspendiert wäre. Neben dem Fall Peter Faber zeigt „Mein Revier“ das Privatleben von Martina Bönisch (stark: Anna Schudt), Daniel Kossik (Stefan Konarske) und Nora Dalay (Aylin Tezel). Bönisch klinkt sich aus dem Stress mit ihrem Sohn aus, indem sie sich einen Callboy ins Hotelzimmer bestellt. Kossik will nicht nur mit Dalay schlafen, sondern eine Beziehung. Sie will nur das eine.
 
Auch Nebenrollen wie die des Hauptkommissars Krüger (Robert Schupp) sind extrem gut besetzt. Krüger hasst es, dass ihm der durchgeknallte Faber an seinen „Baum pinkelt“ – woraufhin Faber ihn unbeeindruckt anbellt. Eine starke Szene. Der Tatort „Mein Revier“ langweilt nicht, hetzt den Zuschauer von einem Schauplatz zum nächsten und zurück, nennt ihm viele Namen und Verbindungen. Drehbuchautor Jürgen Werner und Regisseur Thomas Jauch zeigen hektische Polizeiarbeit in der Nordstadt, in der ein Ladenbesitzer schimpft, dass er den Arbeiterstrich vor seiner Tür habe – und dieses „Sozialromantik hier und Integration-Blabla“-Gerede leid sei.
 
Zuschauer aus dem Ruhrgebiet werden einiges Wahres wiederfinden, nicht alles ist in diesem „Tatort“ erfunden. Trotzdem werden manche Dortmunder vielleicht beleidigt sein, dass die mit zackigen Schwenks, Zooms und Schärfenverlagerungen geführte Kamera statt des Hochglanz-Panoramas aus der ersten Folge Hinterhöfe und Hochhäuser mit fleckigen Matratzen, Dreck und Müll filmt. Die Nordstadt wird pauschal als schlechter Ort gezeigt, Werner und Jauch lassen keinen Platz für Korrekturen.

[dpa/hjv]

Bildquelle:

  • Inhalte_Fernsehen_Artikelbild: Destina - Fotolia.com

26 Kommentare im Forum

  1. AW: Ein "Tatort"-Ermittler wird zum Problemfall Man darf sich wohl langsam von den Gedanken verabschieden, das der "Tatort" was mit einem Krimi (= Kriminalfall) zu tun hat. Sozialpädagogische Schmozette trifft wohl ehr zu. Schade drum...
  2. AW: Ein "Tatort"-Ermittler wird zum Problemfall Der erste Tatort mit diesem "Kommissar" war schon so schlecht, dass ich (erstmals seit langer, langer Zeit) nach einer halben Stunde ausgeschaltet hab. Und wenn ich das jetzt schon lese, dann weiß ich, dass ich heute abend auf jeden Fall etwas anderes tun werde als den Tatort zu schauen. Bleibt zu hoffen, dass es mir möglichst viele Leute gleich tun, damit so ein Schrott nicht länger den Tatort-Sendeplatz blockiert...
Alle Kommentare 26 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum