ESC 2014: Grand-Prix-Finale mit politischer Dimension

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Wer gewinnt den Eurovision Song Contest 2014? Die Entscheidung fällt heute Abend beim großen Grand-Prix-Finale in Kopenhagen. Dabei ist die Musik-Show vorm Hintergrund der Ukraine-Krise politisch aufgeladen wie schon lange nicht mehr.

Unpolitischer könnten die Beiträge von Russland und der Ukraine beim Eurovision Song Contest nicht sein. Hier die blonden Zwillinge mit unschuldigem Teenager-Lächeln, dort eine vollbusige Schöne, die sich vor der Windmaschine räkelt. Doch dass Millionen beim ESC-Finale am Samstag genau auf diese beiden Auftritte achten werden, zeigt: Die Weltpolitik hat den Grand Prix – bei dem mit dem Trio Elaiza und dem Komponisten Ralph Siegel gleich zwei Mal Deutsche mitmischen – lange nicht mehr so geprägt wie in diesem Jahr.
 
„Angefangen hat er viel weniger politisch als noch vor zwei Jahren in Baku“, meint der Musikwissenschaftler Philip Bohlman. „Aber mit der Ukraine-Krise ist er jetzt viel politischer geworden.“ Für alle sichtbar wurde das nach dem ersten Halbfinale. Als die dänischen Moderatoren das Weiterkommen der Tomalchevy Sisters verkündeten, begleiteten Buhrufe und Pfiffe aus dem Publikum die Ansage – und ließen kurz sogar die Mienen der smarten Moderatoren einfrieren.

Die jungen russischen Zwillinge strahlten tapfer in die Kameras. Hinter der Bühne sollen sie aber später in Tränen ausgebrochen sein. „Das tut uns so leid, weil die Mädchen nichts dafürkönnen“, erklären sich Elaiza solidarisch. „Die Politik in aller Ehre, aber es geht hier um Musik“, mahnt auch Grand-Prix-Kultkommentator Peter Urban.
 
Die Bandbreite ist dieses Jahr so groß wie selten – von Folklore-Jazz aus Georgien über Rap aus Polen bis zu Country aus den Niederlanden. Wenn es nach den Buchmachern geht, haben die holländischen Common Linnets gute Chancen auf den ESC-Sieg. Ganz oben auf den Wettlisten war Freitagmittag die Schwedin Sanna Nielsen mit der Ballade „Undo“. Sollte Nielsen gewinnen, stünde bald die Umbenennung des Eurovision in Scandinavian Song Contest an. Das „Blockvoting“ der Skandinavier füreinander bleibe stabil, prophezeit Bohlman. „In Osteuropa wird es sehr spannend, wie viele Punkte die Ukraine für Russland gibt.“
 
Die osteuropäischen Länder wurden immer mal wieder verdächtigt, sich Punkte zuzuschanzen. „Die Russen werden immer viele Stimmen bekommen, weil überall im früheren Ostblock russische Ex-Bürger wohnen und immer noch für ihr Heimatland stimmen“, sagt NDR-Urgestein Urban.
 
Die Zuschauer des ESC dürfen nicht für ihr eigenes Land stimmen. Auf der Krim dürften dennoch auch diesmal viele Zuschauer für Russland anrufen. Denn die Halbinsel stimmt noch unter ukrainischer Flagge ab – aus dem banalen Grund, dass das Netz noch nicht umgestellt ist. Aus der West-Ukraine kommen dagegen vermutlich weniger Punkte für die russischen Zwillinge. Auseinanderrechnen lässt sich das aber nicht. „Man darf das wirklich nicht politisch überinterpretieren“, so Urban. Die Ukrainerin Maria Yaremchuk muss beim Wettstreit dann auch noch ausgerechnet als erstes auf die Bühne. Die Schlitze in ihrem Kleid werden viele von dem eher belanglosen Liedchen „Tick-Tock“ ablenken.
 
Stunk gibt es im diesjährigen Wettbewerb nicht nur wegen Russland, sondern auch um den Armenier Aram MP3. Lange wurde MP3 als ESC-Favorit gehandelt – bis er mit schwulenfeindlichen Sprüchen über die österreichische Dragqueen Conchita Wurst zitiert wurde und sich später nur halbherzig entschuldigte: Man habe ihn falsch übersetzt. Jetzt hat ihn ausgerechnet die vollbärtige Wurst in der Gunst der Buchmacher überholt. Die hatten die Moderatoren beim Halbfinale bis zum Ende zappeln lassen: Die Dragqueen im gold-glitzerndem Kleid wurde als letzte Finalteilnehmerin genannt. Ausgeschlossen ist es nicht, dass es für Wurst am Ende „The Wiener Takes It All“ heißt, meint Urban. „Vielleicht outet sich Europa und ist tolerant.“
 
Mit dem Polka-Song „Is It Right“ haben die deutschen Newcomer Elaiza viele Herzen gewonnen, ein erster Platz dürfte aber schwierig werden. Auf den Wettlisten schlittert das Trio immer weiter Richtung Tabellenende. Ihre Quote beim britischen Wettanbieter Ladbrokes steht bei 150:1, aber das muss nichts heißen. Sogar ESC-Urgestein Siegel ist von der Konkurrenz angetan: „‚Is It Right‘ ist ein süßes Lied.“
 
Mehr als auf einen Erfolg seiner Landsleute hofft der Komponist zwar auf einen Sieg für San Marino – mit Valentina Monetta hat er es im dritten Anlauf in die Endrunde geschafft und begleitet die Sängerin bei „Maybe“ am Klavier. Aber egal unter welcher Flagge: Ralph Siegel könnte Deutschland Glück bringen, er war schließlich auch im Finale mit dabei, als Nicole 1982 mit „Ein bisschen Frieden“ den Sieg holte. [Julia Wäschenbach/fm]

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97 Kommentare im Forum

  1. AW: ESC 2014: Grand-Prix-Finale mit politischer Dimension Der ESC interessiert mich zwar nicht, aber was können die beiden Damen dafür, das Ihr oberster Volksvertreter seit Wochen am Rad dreht Und das die Urkraine heute Abend sicher den einen, oder anderen Mitleidspunkt bekommt, ist auch nicht ok! Naja, wird man wohl nicht ändern können.
  2. AW: ESC 2014: Grand-Prix-Finale mit politischer Dimension Daran sieht man wie fair es beim Grand Prix zugeht.So ein Müll sollten sie ganz einstellen und nicht als politisches Druckmittel benutzen.
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