Filmtod mit Folgen: Vor 50 Jahren starb Winnetou

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Als Winnetou in den Karl-May-Büchern stirbt, war der Schock für Fans groß. Als die Szene dann ins Kino kam, folgte eine wahre Götterdämmerung: Verärgerte Fans, Drohbriefe an die Macher und ein Darsteller, der in Ungnade fiel. 50 Jahre später rollt RTL die Geschichte neu auf, inklusive Tod – und neuem Gewitter?

Winnetou war Claudia Roths erste Liebe, und deshalb kam sein Tod für sie als ein Schock. „Ich bin regelrecht krank geworden“, erzählte die Grünen-Politikerin vor einiger Zeit in einem Interview. „Ich habe das ganze Bett nass geweint.“ Und das bloß nach der Lektüre des Buches. Als Winnetous Tod aber vor genau 50 Jahren, in der dritten Oktoberwoche 1965, höchst melodramatisch auf die große Kinoleinwand kam, fielen die Reaktionen noch drastischer aus.
 
„Wir wurden hier mit Drohanrufen, mit Drohbriefen eingedeckt, es war fürchterlich“, schilderte Matthias Wendlandt, der Sohn des Produzenten Horst Wendlandt (1922-2002), viele Jahre später in einer Fernsehdokumentation. „Die Leute haben wohl nicht damit gerechnet, obwohl doch jedem bekannt war, dass in ‚Winnetou 3‘ Winnetou stirbt.“

Der italienische Schauspieler Rik Battaglia (1927-2015), der als Bösewicht Rollins den tödlichen Schuss auf den Apachenhäuptling abgibt, erlebte es ähnlich: „Das ist furchtbar gewesen, wirklich schrecklich“, schilderte er als alter Mann. Er habe damals viele deutsche Fans gehabt, weil er vorher einen Film mit Hans Albers gedreht habe. „Alle haben mir geschrieben und wollten Fotos und Autogramme. Dann habe ich Winnetou umgebracht. Danach kam der große Stopp. Niemand hat mir auch nur ein einziges Mal mehr geschrieben. Es kam auch nicht ein einziger Wunsch mehr für ein Foto oder Autogramm.“
 
Viele Ältere haben die Szene bis heute vor Augen: Der sterbende Winnetou (Pierre Brice) auf einem jener kroatischen Karstgebirge, in denen vorzugsweise gedreht wurde, gestützt von Old Shatterhand (Lex Barker). Dessen Gedanken schweifen in die Vergangenheit, er sieht sie beide noch einmal im Kanu über den Silbersee rudern, erinnert sich daran, wie Winnetous Schwester Nscho-tschi in seinen Armen starb oder wie der Blutsbruder seiner unerfüllten Liebe Ribanna tief in die Augen blickte.
 
Dann galoppiert noch Iltschi heran, Winnetous treuer Rappe, und wiehert zum Abschied. Aus der Ferne erklingen die Glocken von Santa Fe, gefolgt von allerletzten Worten in der dritten Person: „Winnetous Seele muss gehen…“
 
Karl-May-Experte und Buchautor Michael Petzel war damals 13. „Ich fand das schon als Kind etwas kitschig“, erzählt er der Deutschen Presse-Agentur. „Diese pathetische Überhöhung, das hat etwas von Götterdämmerung.“
 
Mit „Winnetou, 3. Teil“ hatte die seit 1962 währende, sensationell erfolgreiche Karl-May-Serie ihren Höhepunkt erreicht oder auch schon leicht überschritten, wie Petzel meint. Im nächsten Film „Old Surehand“ trat Winnetou zwar wieder auf, als wäre nichts gewesen, doch reichte es erstmals nicht mehr zur Goldenen Leinwand. Surehand-Darsteller Stewart Granger fand die deutschen „Sauerkraut-Western“ kurios und brachte dies auf der Leinwand zum Ausdruck, indem er sein Gewehr wie ein Baby im Arm hielt oder Winnetou gönnerhaft auf die Schulter klopfte.
 
Pierre Brice hat ihm dies nachhaltig verübelt, wie er in seiner Biografie „Winnetou und ich“ schreibt. Ihm war klar, dass eine mythologische Heldengeschichte nur mit einer entrückten Abgehobenheit funktionieren kann. „Für Märchen taugt Ironie nicht“, meint Petzel.
 
Im Nachhinein markiert Winnetous Eintritt in die ewigen Jagdgründe nicht nur die große Zäsur innerhalb der Karl-May-Reihe, sondern auch einen entscheidenden Moment in der Sozialisation der ersten (west-)deutschen Nachkriegsgeneration. „Winnetous Tod war der Abschied von einer deutschen Kindheit für die Enkel von Adolf Hitler, die zugleich Kinder von Coca-Cola waren“, schreibt der Filmkritiker und Autor Georg Seeßlen („Geschichte und Mythologie des Westernfilms“). Drei Jahre später rebellierten schon die Studenten.
 
„Winnetous Tod“ ist auch der Titel des dritten und letzten Teils der zurzeit von RTL produzierten Neuverfilmung des Stoffes. Viele der früheren Fans sind skeptisch, ob der albanische Schauspieler Nik Xhelilaj (32) in die Mokassins des kürzlich verstorbenen Pierre Brice treten kann. Experte Petzel meint jedoch: „Warten wir doch erst mal ab und schauen es uns an.“[Christoph Driessen/fs]

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10 Kommentare im Forum

  1. AW: Filmtod mit Folgen: Vor 50 Jahren starb Winnetou Nach der RTL Verfilmung wird sich Karl May bestimmt noch mal umdrehen im Grab
  2. Passt schon: Was RTL für die heutige Generation, waren die Karl-May-Bücher für die damalige Generation.... Flache Unterhaltung mit zweifelhafter Weltanschauung im Hintergrund...
  3. AW: Filmtod mit Folgen: Vor 50 Jahren starb Winnetou Dem normalen RTL-Publikum ist wahrscheinlich Karl May schon zu anspruchsvoll. Ich stell mir das gerade lustig vor. Der Mörder hebt gerade das Gewehr, um auf Winnetou zu schiessen und dann kommt ein Werbeblock. Ich würde RTL raten, es einfach sein zu lassen. Bei einem solchen Stoff kann man nur verlieren.
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