Handy-TV-Erfinder: „Keiner fragt mehr, wozu brauchen wir das“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Der Miterfinder von Digital Multimedia Broadcasting (DMB), Prof. Dr. Gert Siegle, im Gespräch über die wachsende Akzeptanz für mobiles Fernsehen in Deutschland.

Zum ersten Handy-TV-Journalistenworshop Mitteldeutschland, am 11. Oktober in Leipzig, war auch Professor Gert Siegle zu Gast. Siegle gilt als maßgeblicher Entwickler der DMB-Technologie, mit welcher Handy-TV in Asien zum Erfolg wurde, in Deutschland aber erst jetzt richtig Fuß fasst. 1998 war Prof. Siegle für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Derzeit lehrt er als Dozent an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel.

Herr Prof. Siegle, Sie waren maßgeblich an der Erfindung jener Technologie (DMB) beteiligt, die als Handy-TV in Südkorea große Erfolge feiert. Ärgert oder freut Sie der Erfolg Ihrer Erfindung im Ausland?
 
Prof. Dr. Siegle: Bei allen Rundfunkdiensten, die eine breite Verbreitung finden sollen, ist die Anwendung in möglichst vielen Ländern und durch möglichst viele Firmen Voraussetzung für die internationale Durchsetzung. Da ist es doch höchst erfreulich, wenn ein hier erdachtes Verfahren auch in Korea eingeführt wird und sich durchsetzen kann.
 
Jetzt kehrt Ihre Erfindung nach Hause zurück. Mit welchen Gefühlen, welchen Erwartungen sehen Sie der Markteinführung von Handy-TV in Deutschland entgegen? Sind die koreanischen Erfolge auch in Deutschland möglich?
 
Ich habe seit 1990 stets empfohlen, ein einheitliches Übertragungsverfahren für den Rundfunk einzurichten, das dem Nutzer alle Dienste wie Musik, Sprache und Bilder übermitteln kann und neue, zuvor schlecht versorgte Nutzer – also die mobilen – dabei gleich mit erreicht. Im Internet ist das längst normal – ich bin weiterhin sicher, dass sich auch der Rundfunk in diese Richtung entwickeln wird. Dieses Ziel ist mit DAB/DMB problemlos zu erreichen.
 
In Südkorea boomt Handy-TV via DMB bereits, während in Deutschland zunächst nur fünf Programme (vier TV- und ein Radioprogramm) zu empfangen sind. Was ist hierzulande verkehrt gelaufen?

Eigentlich ist doch gar nichts falsch gelaufen. Die Rundfunkwelt ist in Deutschland halt schon länger ziemlich fixiert. Dass aber z.B. das ZDF und andere Programmanbieter schon gleich auf DMB mit aufgesprungen sind, ist ein Zeichen für Bewegung – ich hatte das ehrlich gesagt nicht erwartet.?Übrigens: Schon früher wurde Deutschland über längere Zeit DMB ausgestrahlt: 1997 – 2000 sendete N-TV in den damals modernsten Neigetechnik-Zügen auf der Strecke Frankfurt-Saarbrücken. Als die Züge wegen der laufenden Probleme mit der Neigetechnik aus dem Verkehr gezogen wurden, endete auch der Pilotbetrieb. In der Stadtbahn Hannover und in der U-Bahn Berlins läuft DMB völlig problemlos seit dem Jahr 2000. Selbst in den Tunneln werden so die Reisenden mit den den neuesten Nachrichten und Informationen über große Doppelbildschirme versorgt. Selbst im Transrapid hatten wir anläßlich einer Demonstration bei 406 km/h einwandfreien Fernsehempfang – und damit geht dann natürlich auch immer die Übertragung von Daten und Ton.
 
Mit Blick auf andere Technologien made in Germany (Airbus A 380 oder Transrapid) sprechen die Medien bereits von einer High-Tech-Krise in Deutschland Aus Ihrer Sicht, warum verspielen die Deutschen ihren technologischen Vorsprung?
 
In Deutschland gibt es gerade im Rundfunkbereich eine hohe Vielfalt von Angeboten, so dass Diskussionen um den richtigen Weg nicht nur rein sachlich geführt werden, sondern mit vielen anderen Gesichtspunkten beschwert sind bzw. waren. Außerdem sind die großen Player im Endgeräte- und im privaten Rundfunkbereich nicht mehr in Deutschland, sondern in anderen Ländern angesiedelt. ?Durch die langen Diskussionen um viele Verfahren ist hierzulande ein auch von den publizierenden Meinungsbildnern verbreiteter Attentismus entstanden. Die Endkunden warten daher inzwischen leider, bis sich ein neues Verfahren andernorts oder zumindest beim Kollegen oder Nachbarn als problemlos und empfehlenswert gezeigt hat.Ich könnte mir aber vorstellen, dass auf dem Gebiet Mobile TV gerade in Deutschland eine recht schnelle Entwicklung in Gang gekommen ist, weil immerhin keiner mehr wie noch vor ein paar Jahren sagt „wozu brauchen wir denn gerade das.“
 
Das Interview wurde geführt vom Verein Digital Radio Mitteldeutschland. [sch]

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