Huskies, Lolitas, Autotests: Keine Tore im ZDF-Sport-Spiegel

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Am Anfang war nicht das Sportstudio, sondern der Sport-Spiegel. Die erste Sportsendung im ZDF informierte vor 50 Jahren das Publikum mit Hintergrundberichten – auch über Autos. 1996 kam das Aus, für Fans und Mitarbeiter ist das Magazin bis heute Kult geblieben.

Luxusprodukt und TV-Nische – der legendäre „Sport-Spiegel“ war beides. Das fast vergessene Fernsehmagazin mit der unverwechselbaren Erkennungsmelodie flimmerte vor 50 Jahren am 2. April 1963 – einen Tag nach dem ZDF-Start – als erste Sportsendung über den Bildschirm. Das „Aktuelle Sportstudio“, die „Sport-Reportage“ und die Bundesliga gab es damals noch nicht. Die Sportfans wurden mit wöchentlichen Dokumentationen, Features und Porträts informiert – anfangs in Schwarz-Weiß-Bildern und mit der Absicht, nicht nur Tore und Jubel zu zeigen.
 
„Der Sport-Spiegel war Kult“, sagte Marcel Reif. Der Sky-Chefkommentator arbeitete Anfang der 90er-Jahre als Redaktionsleiter für den TV-Klassiker. Er denkt mit großem Respekt und spürbarer Sympathie an die Zeit der sorgfältig aufbereiteten Hintergrund-Berichte zurück. „Das habe ich am liebsten gemacht. Es war für mich die aufregendste und erfüllendste Zeit“, erzählte Reif.

Ob Huskierennen am Polarkreis, Probleme der Hermaphroditen in der Leichtathletik oder Ökoschwindel bei Olympia – das ZDF leistete sich drei Jahrzehnte den Luxus eines breiten Themenspektrums. Fester Bestandteil war bis 1977 auch die Rubrik „Autotest“ des beliebten Moderators Rainer Günzler. Einige Testfahrten können noch auf You Tube verfolgt werden.
 
Doch weder Günzler nach die anderen Moderatoren wie Alfons Spiegel, Karl Senne oder Harry Valérien waren in der Lage, den Quotenrückgang zu stoppen. Die Privatsender veränderten Mitte der 80er-Jahre die Sehgewohnheiten. Mach einer vierjährigen Pause gelang auch Reif nicht die Wiederbelebung. „Da zählte ich auch zu den Totengräbern“, sagte der frühere ZDF-Mann, der danach zu RTL wechselte. „Am Ende blieben die Zuschauer weg. Fernsehen ist aber, wenn Leute zugucken.“
 
Die kritische Reportage-Sendung heimste viel Lob und Preise ein, wurde aber vor 17 Jahren eingestellt. Gescheitert an den „Realitäten der Medienwelt“, wie der damalige Redaktionsleiter Michael Palmebedauerte. „Mit dem Sport-Spiegel verlieren wir ein liebgewonnenes Kind“, sagte der 2010 verstorbene Palme. Mit der Folge „Herren, Gören und Lolitas – Vermarktung von Sportlerinnen“ fiel im Februar 1996 endgültig der Vorhang.
 
„Einen festen Sendeplatz für 45 Minuten Dokumentationen und Reportagen, das ist in der heutigen Zeit nicht möglich“, erklärte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz zu den Chancen einer Neuauflage. „Sport im Fernsehen hat sich zu einem Live-Ereignis entwickelt. Und der Trend zu mehr Events geht weiter“, fügte er hinzu. Mit Sondersendungen, etwa zum Thema Doping, erfülle der Sender das Bedürfnis nach Hintergrundinformationen.
 
Sein früherer Kollege Reif sieht die Situation für TV-Sport-Magazine etwas anders. „Die Live-Lawine hat vieles erschlagen, aber der Hype um Live ebbt etwas ab. Das könnte wieder etwas Platz schaffen für Hintergründiges“, erläuterte der Sky-Reporter seine „Hypothese“ für die Zukunft. Immerhin laufen derzeit beim NDR („Sportclub Extra“) und WDR („Sport inside“) Sendungen, die durchaus in der Tradition des „Sport-Spiegels“ stehen. [Peter Hübner]

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