
Die 2005 als „Der Dicke“ gestartete Krimiserie „Die Kanzlei“ erfreut sich noch immer steigender Beliebtheit. Nun dreht das Team erneut einen Spielfilm – und zieht dafür auf einen Bio-Bauernhof.
Auf dem Reetdach einer Fachwerkscheune klappern aufgeregt zwei Weißstörche. Unten wedelt der Hofhund. Ein gutes Dutzend quiekender Ferkel stapft ganz in der Nähe durch das strohige Erdreich und steckt seine Rüssel neugierig durch die Gitter. Was sie hier unter blauem Sommerhimmel zu sehen bekommen, passiert auf dem denkmalgeschützten Bio-Bauernhof „Eggers in der Ohe“ am ländlichen Rand von Hamburg nicht alle Tage.
Denn statt der Besitzerfamilie hat die eher feine, zurückhaltende und komplizierte Anwältin Isa von Brede aus der ARD-Krimiserie „Die Kanzlei“ die Verantwortung für den Betrieb übernommen. Im Süden der Hansestadt wird nämlich aktuell ein zweiter Spielfilm zur Erfolgsserie gedreht, das als «Weites Land» wohl zur Jahreswende 2025/26 ausgestrahlt wird.
Anwältin in schmutziger Latzhose
Und so schreitet deren Darstellerin Sabine Postel (71) – begleitet von Kamera- und Ton-Leuten, einem Trupp weiterer NDR-Mitarbeiter und unter den Augen von Regisseur Thorsten Wacker (62, „Miss Merkel“) – auch nicht im schicken Kostüm über das jahrhundertealte Anwesen. Sondern in schmutziger Latzhose und derben Stiefeln.
„Ich sag‘ Ihnen, es ist so herrlich – man muss den Bauch nicht einziehen, um schön schlank auszusehen“, erklärt Postel schmunzelnd und lässt sich mit ihrem Kollegen Herbert Knaup (69, ZDF-„Sarah Kohr“) alias Anwalt Markus Gellert unter alten Bäumen im Kaffeegarten nieder.
„Isa packt hier an – obwohl sie ja eigentlich phobisch ist, nichts anfassen will, überall Krankheiten wittert und, außer zu Kanzlei-Hund Teddy natürlich, keine Beziehung zu Tieren hat“, schildert die beliebte Schauspielerin (früher „Tatort“ Bremen) ihre Filmsituation. „Und das alles ist schön zu spielen – genauso wie den Stall auszumisten, die Schweine zu füttern und die Kühe zu melken.“
Knaup trägt derweil noch Anzug und Schlips, doch auch das wird sich ändern. „Ich ziehe mich in eine zu viel große Montur voller Kuhdung um, das hat Komik und Charme“, sagt der TV-Star trocken, „dann muss ich Mist schaufeln, Pferde säubern, Tiere besamen und Traktor fahren“. Der draufgängerische Gellert möge das gar nicht. Aber er füge sich – und es komme ja auch bald zu einem Krimifall, den es zu lösen gelte.
Postel und Knaup haben Affinität zum Landleben
Beide in einer Großstadt lebende Künstler erzählen spürbar gerne, wie vertraut ihnen das Landleben ist – und dass sie sich am Drehort äußerst wohlfühlen. „Ich habe meine fünf, sechs ersten Lebensjahre bei Oma Lene in Neustadt am Rübenberge in Niedersachsen zugebracht“, blickt Postel zurück. „Die hatte einen kleinen Betrieb mit Hühnern, Schafen und Schweineschlachten, mit Obst- und Gemüsegarten. Sie war autark und ihr größter Stolz ihr Keller – von eingemachter Wurst über Obst- zu Gemüseweckgläsern gab es alles.“
Seither habe sie eine Affinität zum platten Land, „zu den Tieren und Pflanzen“, wenngleich nicht die praktischen Fertigkeiten. Dabei gibt die Kölnerin zu bedenken: „Dies hier ist ja auch ein Vorzeige-Hof. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Arbeit knallhart ist.“
Bei Knaup, 1956 in der Kreisstadt Sonthofen in Bayern geboren, kommen ebenfalls Erinnerungen hoch. „Das Allgäu ist zwar nicht so weitläufig wie hier. Aber ich habe mich viel in den Weilern und Dörfern aufgehalten, etwa wenn ich Klassenkameraden besucht habe“, berichtet der Schauspieler, der mit seiner Familie in Berlin zu Hause ist. Und ergänzt: „Ich kenne das ganze Getriebe. Früher hast du dann auch noch Käse und Milch, Butter und Eier direkt vom Bauern geholt. Und mütterlicherseits stamme ich aus einer Bauernfamilie. Aus dem Tannheimer Tal in Österreich – die hießen sogar Tannheimer.“
Polizei und grimmige Dorfbewohner
Wie sind ihre Rollenfiguren überhaupt auf dem Hof gelandet – und warum müssen die dort arbeiten? „Gellert hat Isa ein Wellness-Wochenende geschenkt. Doch mit ihrem wahnsinnig schönen Leihwagen fährt sie die Altbäuerin um. Und deshalb muss sie helfen“, deutet Postel die Handlung an, die im Film an der Ostseeküste Mecklenburgs spielt – die Schauspielerin möchte nicht zu viel verraten.
Ihre Hamburger Juristin mit der sozialen Ader merkt bald, dass die Hofbesitzerin im Dorf nicht wohlgelitten ist. Deshalb bittet sie Gellert um Hilfe. Der hat aber eine Land-Allergie – weil er vom Lande kommt. „Ich hab‘ keinen Bock. Und das Schlimmste ist für mich Kuhmist“, ergänzt Knaup die Lage. Am Ende rückt Gellert doch an – im Oldtimer-Cabrio, in Begleitung von Tochter Charlie (Alina Liss) und Isas Mutter Marion (Marie Anne Fliegel) samt Teddy.
Eben diese Szene wird an diesem dritten Drehtag immer wieder geprobt – damit die Aufnahmetechniker schon mal ihre Geräte richtig positionieren können. „Der Kuhstall müsste ausgemistet werden. Im Haupthaus gibt es jede Menge Arbeitskleidung“, begrüßt Isa also in Folge ihr Team.
„Na super“, sagt Gellert dann – und deutet auf ihre Latzhose. „Ich würde ja sagen, dass dir die Arbeitskleidung steht, aber so früh am Morgen zu lügen, ist mir zu anstrengend.“ Und die Neubäuerin antwortet: „Wat mutt, dat mutt.“ Da kommt auch schon ein Polizeiauto auf den Hof gerollt, im Gefolge grimmig blickende Dorfbewohner. Und der Fall nach dem Buch Thorsten Näters nimmt Fahrt auf.
Erstes Special 2022 gefiel dem Publikum
Warum es den 90-Minüter überhaupt gibt, erklärt am Drehort die Produzentin Nina Lenze von der Letterbox Filmproduktion (Hamburg), die im Auftrag von ARD-Tochter Degeto und Norddeutschem Rundfunk dreht. „Mit dem Spielfilm ‚Weites Land‘ würdigt die ARD den Erfolg unseres ersten Filmablegers ‚Reif für die Insel‘ von 2022,“ sagt Lenze.
Der neue Film sei aber auch „Anerkennung des hohen Zuspruchs unserer Anwaltsserie.“ Im März erzielte die sechste „Die Kanzlei“-Staffel mit durchschnittlichem Marktanteil von 18,7 Prozent das bislang beste Ergebnis. Als „Der Dicke“ mit Dieter Pfaff als Rechtsanwalt Gregor Ehrenberg begonnen, zeigt die Serie nach Pfaffs Tod (2013) seit 2015 Knaup in der männlichen Hauptrolle. Im Herbst 2026 soll die siebte Staffel gesendet werden – auch dafür sind die Arbeiten bereits im Gange.
Von Ulrike Cordes, dpa / Redaktion DF: mw
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