Kleber: Kleine Vorfälle berühren mehr als riesige Katastrophen

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Regelmäßig schauen 3,85 Millionen Menschen zu, wenn im ZDF-„heute-journal“ das Weltgeschehen in einer halben Stunde zusammengefasst wird – am Sonntag bereits zum 10 000. Mal. Im Interview spricht Moderator Klaus Kleber über Lampenfieber und Themen, die ihn besonders bewegen.

Neben Marietta Slomka und Maybrit Illner präsentiert Claus Kleber als erster Moderator die Sendung. Im Interview spricht er über Qualitätsanspruch, besonders bewegende Momente und seine größte Panne.
 
Herr Kleber, was macht die Qualität des „heute-journals“ aus?
 
Claus Kleber: Es gibt Sendungen, die Ähnliches versuchen wie wir. Wir vergleichen uns natürlich immer mit den „Tagesthemen“ der ARD – wir haben ganz ähnliche Aufgaben. Wir glauben, dass wir es hinbekommen, noch ein bisschen erklärender, erzählender, verdeutlichender, einordnender zu sein. Das ist jedenfalls unser Ziel.
 
Das „heute-journal“ ist 2009 in ein neues Studio umgezogen, in dem unter anderem große Grafiken eingeblendet werden können, um komplizierte Zusammenhänge zu erklären. Hat sich die Technik bewährt?
 
Kleber: Das neue Studio wird immer ein Entwicklungsprozess bleiben. Aber wir haben schon viel erreicht. Das hat sich zum Beispiel gezeigt bei der Atomkatastrophe von Fukushima, als wir in Modellen die Schäden im Atomkraftwerk erklärt haben. Da ist es uns gelungen, dass man sich als Zuschauer ein Bild machen konnte von diesem abgeschirmten Bereich, in den man ja nicht hineingehen und drehen durfte – und zwar kein alarmistisches Bild, sondern eins, das wirklich auf Fakten gestützt die Gefahren schilderte, aber auch die Grenzen der Gefahren.
 
Im neuen Studio sind Sie und Ihre Kollegen ab und an komplett zu sehen, nicht nur der Oberkörper. Haben Sie Ihre Kleiderordnung angepasst?
 

Kleber: Ich bin ein ziemlich Konservativer, ich habe bis auf ganz wenige Ausnahmen mir immer auch dann, wenn das keiner gesehen hat, den kompletten Anzug angezogen. Ich wollte den Zuschauern nicht das eine vormachen und das andere sein. Ausnahmen an schönen Sommersonntagen durchaus vorbehalten. Aber in 98 Prozent der Sendungen war ich von Kopf bis Fuß passabel gekleidet.
 
Wenn andere oft schon mit dem Schlafanzug vorm Fernseher sitzen präsentieren Sie vor Millionenpublikum das Weltgeschehen…
 
Kleber: Das was die Zuschauer am Ende wahrnehmen, diesen Menschen auf dem Schirm, das ist die letzte halbe Stunde eines 14-Stunden-Arbeitstages. Und ausgerechnet da soll es nun unfairerweise darauf ankommen, wie man aussieht und wie man wirkt. Manchmal komme ich nach Hause und kriege von meiner Frau zu hören, heute sahst Du wirklich müde aus, und meine Replik dazu kann nur sein, ich bin ein ehrlicher Mensch: Wenn ich müde aussehe, dann bin ich auch müde.

Sie befassen sich jeden Tag auch mit dem schlimmen, dem traurigen Geschehen in der Welt. Wie sehr berührt Sie das?
 
Kleber: Es sind sonderbarerweise nicht so sehr die ganz großen schlimmen Dinge, die einen anfassen, wie das Geschehen in Norwegen oder am 11. September. Es ist erschütternd, aber in seiner bestialischen Maßlosigkeit auch gar nicht mehr zu begreifen. Ich habe gemerkt, dass mich kleine Vorfälle oft noch mehr berühren als die riesigen Katastrophen.
 
Zum Beispiel?
 
Kleber: Es gab mal eine Szene in einem Bericht über Fukushima, den ich erst während der Sendung gesehen habe. Ich war also nicht vorbereitet. Eine Frau bekam in einem Notlager ein Telefon zur Verfügung gestellt und durfte Anrufe machen, um nach Angehörigen zu schauen. Diese Frau saß da und wurde gefilmt, wie sie in den Hörer reinhorchte und betete: bitte, bitte, jemand nehme ab. Aber es war einfach niemand mehr da, der abnahm. Dieses Bild war völlig unblutig, undramatisch, aber es zeigte das menschliche Schicksal auf diesen Moment konzentriert. Als mein Gesicht danach wieder auf den Schirm kam, hat wohl jeder gesehen, dass ich die Tränen kaum zurückhalten konnte. Ich hoffe, das hat jeder verstanden.
 
Haben Sie noch Lampenfieber?
 
Kleber: Nein, aber Anspannung – Gott sei Dank. Es gibt Sendungen, da lief tagsüber alles so glatt, dass einem der Schuss Adrenalin fehlt. Das sind die Sendungen, in denen man Fehler macht, diese kleinen Versprecher, diese Unaufmerksamkeiten. Es ist aber auch schon vorgekommen, erst vergangene Woche, das ich ins Studio gehe und kein einziger der Beiträge ist da – aber die Leute sehen mich schon. Da muss man die Ruhe bewahren.
 
Gibt es denn eine Panne, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
 
Kleber: Meine Jahrhundertpanne liegt schon länger zurück, eine Aufzeichnung eines Politikerinterviews. Da wird zur Sicherheit eine Einstellung gedreht, in der der Interviewte und ich jeweils durchgängig in einem kleinen Fenstern gezeigt werden. Das ist eine Art Reserve, aber nun lief das ganze Gespräch in dieser Einstellung und ich dachte, das ist ja jetzt blöd. Jetzt gucken die Leute uns ständig beiden zu in dieser Briefmarkeneinstellung. Und plötzlich fiel mir ein, dass ich ja am Ende des Interviews eine Kopf-ab-Geste mache mit der flachen Hand vor dem Hals. Dieses interne Signal an die Regie heißt „dies war meine letzte Frage“. Ich wusste genau, jetzt noch 20, 10 Sekunden und dann wird die ganze Nation sehen, wie ich dem Minister den Hals abschneide. Und das ist auch so über den Sender gegangen.
 
Wie haben Sie das denn abgefangen?
 
Kleber: Ich habe den Zuschauern ganz ehrlich erklärt, dass sie jetzt etwas gesehen haben, was sie nie hätte sehen dürfen und dass ich in Zukunft ein dezenteres Zeichen wählen werde. Das habe ich auch gemacht. Jetzt mache ich einen Schlussstrich in Brusthöhe, eine elegante Karajan-Bewegung (lacht).
 
Sie und Ihre Kollegin Gundula Gause werden regelmäßig in der ProSieben-Comedy-Sendung „Switch reloaded“ parodiert. Ist Ihnen das zu frech?
 
Kleber: Zu frech finde ich das nicht, aber es ist nicht immer wirklich zugespitzt lustig. Gundula und ich werden auf sympathische Weise auf den Arm genommen. Die Szenen, bei denen sie uns so richtig erwischen, bei unseren Marotten oder Schwächen, die machen mir am
meisten Spaß.
 
Beim Abspann des „heute-journals“, wenn das Mikrofon schon ausgestellt ist, plaudern Sie immer noch mit Ihrer Kollegin Gundula Gause. Um was geht es denn?
 
Kleber: Das ist die Frage, die die meisten Zuschauer interessiert. Es hat fast immer irgendwas mit der Sendung zu tun. Nach dem Motto: Das ist ja doch besser geworden als wir befürchtet hatten. Da entlädt sich die Spannung eines langen Tages.
 
Herr Kleber, vielen Dank für das Gespräch. [Interview: Andrea Löbbecke]

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