Münster-Tatort auf den Spuren von Boernes Jugend

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Tatort Bild: © ARD/SF DRS/ORF
Bild: © ARD/SF DRS/ORF

Zyankali im Lakritz, ein toter Marktmeister und bittersüße Erinnerungen eines pummeligen Besserwissers: Der neue ARD-„Tatort“ aus Münster wird für den Rechtsmediziner Prof. Boerne zur Reise in die Vergangenheit.

„Er ist tot, endlich“, spricht die Haushälterin ins Telefon, ein kurzes Lächeln umspielt ihre Lippen. Den selbstverliebten Hannes Wagner tot zu sehen, ist für niemanden ein echter Verlust. So viel jedenfalls ist klar nach der fast schon klassischen Krimieinstiegsszene der neuen Episode der ARD-Tatort-Ermittler aus Münster (Erstausstrahlung an diesem Sonntag, 3. November, 20.15 Uhr).

Auch was dann folgt, ist klassische Thiel-Boerne-Unterhaltung: Der 35. Fall, irgendwo zwischen solide gestrickt und skurril-verworren, tritt zurück hinter pointierte Dialoge mit Wortwitz. Es zählen vor allem Hauptfiguren, die der Zuschauer entweder in ihrer Schrulligkeit und Überzeichnung schätzt wie alte Bekannte – oder immer schon belanglos findet.

Der Mordfall führt das Ermittler-Duo abermals in Münsters bürgerlich-gehobene Schicht: Jahrelang hatte der nun tot auf dem edlen Parkett seiner üppig ausgestatteten Stadtvilla liegende Wagner die prestigeträchtige Position des Marktmeisters inne – und damit das Sagen über den weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Wochenmarkt der Stadt. Doch nun hat es ihn dahingerafft, weil er mit Zyankali vergiftetes Lakritz genascht hat.

Klar, dass auch Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) seine Nase tief in den Fall hineinsteckt. Buchstäblich – denn ausgerechnet der spezielle Geruch der schwarzen Süßigkeit sorgt für eine bittersüße Erinnerungsreise weit zurück in Boernes Teenagerzeit. In Rückblicken lernen die Zuschauer den 14-jährigen Karl-Friedrich kennen (Vincent Hahnen): Ein pummeliger Klugscheißer mit zu großer Brille, unglücklich verliebt in die Tochter der Lakritzmacher-Familie Maltritz.

Am Anfang seiner Arbeit für diese Folge habe für ihn die Frage gestanden, wie Boerne zu Boerne wurde, verrät Drehbuch-Autor Thorsten Wettcke im Presseheft zum Film: „Gab es ein Ereignis in seinem Leben, das ihn zu diesem liebenswert narzisstischen Ekelpaket werden ließ?“, schildert er.

Während also Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und seine Kollegin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) den Mörder des Marktmeisters suchen, wandelt der Rechtsmediziner auf den Spuren der eigenen Vergangenheit – und zu einem Schlüsselmoment: Ein rätselhafter Selbstmord weckt nicht nur die rechtswissenschaftliche Neugier des jungen Boerne, es finden sich auch verdächtig viele Verbindungen in die Gegenwart.

Thiel interessieren Boernes Geister vergangener Tage eher weniger: Was, wenn das vergiftete Lakritz nur der Anfang war und jemand weitere Giftanschläge auf dem Wochenmarkt plant? Gleichzeitig werfen Wagners Wohlstand und seine beträchtliche Machtfülle allerlei Fragen auf. Immerhin war er auch jahrzehntelang für die Vergabe der heiß umkämpften Standlizenzen zuständig. Und welche Rolle spielt der übertrieben freundliche Holländer, der erst seit Kurzem die begehrte Markterlaubnis hatte?

Die Folge entfaltet ihren Charme vor allem in den Retro-Rückblenden voller nostalgischer Gefühle. Dass die nach Lakritz schmeckende Vergangenheit auch beim aktuellen Fall eine große Rolle spielt, vermag zwar nicht zu überraschen, stört aber auch nicht weiter das muntere Geschehen dieser typischen Thiel-Boerne-Krimikomödie.[Florentine Dame]

Bildquelle:

  • Tatort-Vorspann: © ARD/SF DRS/ORF

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