
Platz 15 für den deutschen Act führen zu zahlreichen kritischen Kommentaren. Der Boulevard scheint nur auf’s Scheitern gewartet zu haben. Ein Kommentar.
Rund eine halbe Woche ist er jetzt her, der „ESC“ 2025 in Basel. Der „ESC“, in dem Österreich gewann – aber nicht die österreichischen Künstler, die eben für Deutschland antraten. Und Deutschland 15. wurde. Mit Abor & Tynna, ausgewählt in der Stefan-Raab-Show „Chefsache ESC“. Genau. Der von Raab ausgewählte Act hat nicht gewonnen. Er ist auch nicht unter die Top 10 gekommen. In den vergangenen Tagen war gut zu beobachten, wie zahlreiche Journalisten Kommentare verfassten und auch in Podcasts über das Wirken des Entertainers gesprochen wurde. Sie schrieben nieder, sie analysierten, dass die Zeit von Stefan Raab abgelaufen sei. So war zu lesen, dass sein Humor vor 20 Jahren stecken geblieben sei. Sich Raab verzockt habe. Das junge Publikum auf Raab nicht mehr abfahre (wobei das im linearen TV bekanntermaßen mehr und mehr ein generelles Phänomen ist)
Bei der Menge der Artikel, die sich um Raab drehen, lässt sich erahnen, dass jene Journalisten, die Raab in die Bedeutungslosigkeit zu schreiben versuchen, sehr wohl eines wissen: Dass er auf ihren Portalen wohl noch für gute Klicks sorgt. So, wie er RTL+ im vergangenen Herbst hohe Neukunden-Zuwächse beschert haben soll, wenn man RTL-Angaben glaubt.
Es war ja zu erwarten: Ein Mann, dessen Comeback so fieberhaft herbeigesehnt wurde, läuft Gefahr, schnell auch wieder zum Teufel gejagt zu werden. Und es war zu befürchten: Mit den Spekulationen um das Volumen des Raab-RTL-Deals (spekuliert wird eine hohe zweistellige Millionensumme für fünf Jahre) spielt plötzlich auch Neid rein. Wobei viele schon mal den Fehler machen, dass es sich bei der Summe nicht um Raabs Gage handelt, sondern den kompletten Produktionsauftrag. Würde man von rund 250 Shows in diesen fünf Jahren aus, käme man rechnerisch auf einen in der Branche absolut üblichen Minutenpreis.
Aber all das weckt eben Aufmerksamkeit: Und da sind zeitlich eng aufeinanderfolgende Ereignisse wie das Ende seines wöchentlichen Show-Hybriden, der im Herbst durch eine reine Comedy-Show ersetzt werden soll und Platz 15 beim ESC eben ein willkommener Anlass den Spieß mal umzudrehen.
Große Erwartungen
Natürlich hat Raab die Erwartungshaltung bewusst hoch gelegt. Schon beim Comeback-Boxkampf war das so: Die Show arbeitete damals zwei Stunden lang auf das bloße Erscheinen Raabs hin. Das Spielen mit Erwartungen, es ist also seit Monaten ein stetiger Begleiter Raabs. Der Irrtum war aber nicht, Raab in einer Zusammenarbeit zwischen RTL und ARD wieder ins ESC-Boot zu holen. Geirrt hat sich Raab vielmehr in der Nacht auf Sonntag, als er sagte: „Das ESC-Finale ist die einzige Fernsehshow, deren Erfolg nicht an der Quote gemessen wird, sondern an der Platzierung.“ Dem mag man entgegnen: Was wäre denn ein ESC, für den sich hierzulande keiner mehr interessiert?
Es ist auch Raabs Verdienst, dass die „ESC“-Reichweite so hoch ausfiel wie seit 2016 nicht. Dass der Marktanteil bei 14-49 mit 60 Prozent so hoch war wie seit fast eineinhalb Jahrzehnten nicht. Das Spiel mit der Hoffnung, dass Raab nochmals was Großes leisten könnte, es hat gefruchtet.
Raab beim ESC ist kein Automatismus
Klar ist: Das wird nun nicht jedes Jahr funktionieren. Einen Automatismus Raab darf es nicht geben. Daher muss der SWR, der die Federführung für den „ESC“ nun vom NDR übernimmt, gut abwägen, wie er weiter vorgehen will. Eines hat Raab aber gelehrt: Der ESC ist eine große Show – und muss auch so inszeniert werden. Nicht vergessen werden darf nämlich, dass die ARD vor der erneuten Zusammenarbeit mit Raab den deutschen Vorentscheid teils im Spätabendprogramm versteckte. Dabei ist der „ESC“-Vorentscheid mit Blick auf das, was den Talents anderer „Casting-Shows“ so gelingt, die relevanteste Casting-Show des Landes. Diese wieder groß gemacht zu haben, das ist zweifelsfrei ein Verdienst von Stefan Raab.
Mit „Chefsache ESC“ hat der Mann, der für junges Publikum – glaubt man so manchen selbst ernannten Experten – nicht mehr wirklich relevant ist, das „ESC“-Feuer noch ein bisschen mehr entfacht. Das, so darf mit Fug und Recht behauptet werden, ist am Ende nicht minder wichtig als die Platzierung.
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