„Cloud Atlas“: Aufwendiges Filmepos mit Schwachstellen

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Was lange als unmöglich galt, wird nun Realität: Tom Tykwer und die Wachowski-Geschwister bringen David Mitchells „Cloud Atlas“ als Film in die Kinos. Entstanden ist ein aufwendiges Filmepos mit vielen Lücken, das dank des Starensembles große Unterhaltung ist.

Sechs Erzählstränge, mehrere Jahrhunderte Geschichte und die großen Fragen der Menschheit – David Mitchells Roman „Cloud Atlas“ ist in jeder Hinsicht vielschichtig und galt lange als unverfilmbar. Tom Tykwer („Lola rennt“) traute sich. Gemeinsam mit Lana und Andy Wachowski („Matrix“) schuf der deutsche Regisseur ein fast dreistündiges Epos über Macht, Reinkarnation und das Gute im Menschen. Teils Kostümdrama, teils Science-Fiction, Politstreifen, Romanze und Komödie, muss „Cloud Atlas“ so viel unter einen Hut bringen, dass Lücken und Ungereimtheiten unvermeidbar scheinen. Die Vielseitigkeit der glanzvollen Besetzung aus Größen wie Tom Hanks, Halle Berry, Susan Sarandon und Hugh Grant lässt darüber hinwegsehen.

Für Tykwer und die Wachowski-Geschwister war „Cloud Atlas“ ein Traumprojekt, sagte das Trio am Sonntag (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz in Toronto. Am Strand von Costa Rica hätten sie Mitchells Vorlage in ein Drehbuch verwandelt, der britische Autor habe ihre Visionen begeistert abgesegnet. Die Dreharbeiten fanden unter anderem im Studio Babelsberg in Potsdam statt.

Die Produktion gilt als teuerster deutscher Film und soll am 15. November in Deutschland anlaufen. Dass sie ihre Wunsch-Darsteller sofort für den Streifen gewinnen konnten, ist für die Regisseure auch heute noch Grund zur Freude. „Es gab nur Halle Berry auf der Liste für die Rolle der Meronym“, so Lana Wachowski.
 
Die Hollywood-Größen wiederum gingen in den vielen unterschiedlichen Rollen auf, die die Regisseure ihnen abverlangten – auch wenn sie sich zum Teil in den Verkleidungen selbst nicht wieder erkannten. Hanks verkörpert unter anderen den Ziegenhirten Zachary, den Arzt Henry Goose und den aufbrausenden Schriftsteller Dermot „Duster“ Hoggins. Berry spielt mal Journalistin Luisa Rey, dann eine mysteriöse Forscherin in der Zukunft sowie die Frau eines alternden Komponisten.
 
Die Verwandlungen machen „Cloud Atlas“ amüsant, geben aber auch Tiefe: Durch ungewöhnliche Rollenvergaben werden pausenlos Grenzen überschritten, Rassenschranken aufgehoben und von Vorurteilen behaftete Liebeskonstellationen zusammengefügt. Sarandon spielt in einer Rolle einen Mann, Hugo Weaving eine Frau, die dunkelhäutige Berry wird zur weißen Jüdin, die asiatische Doona Bae zur Mexikanerin, ein Klon (Bae) verliebt sich.
 
Thematisiert werden Homosexualität, Sklavenhandel und vor allem der Glaube an eine Welt, die zum Besseren geändert werden kann, wenn nicht der Wille zur Macht dominiert. Mit der Entfaltung der Geschichten soll sich zeigen, wie Entscheidungen Einzelner Auswirkungen auf Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart haben können – wie alles miteinander verbunden ist.
 
Für den Zuschauer dauert es aber lange, bis Verbindungen Sinn ergeben. In der ersten Stunde lösen sich die einzelnen Geschichten in rasantem Abstand ab, mal prallen sonnendurchflutete Bilder einer Pazifik-Seefahrt im Jahr 1849 auf die brutalen Kannibalen-Kämpfe eines nachapokalyptischen Hawaii 2346. Dann wieder wechseln die Sequenzen vom San Francisco der frühen 70er zu schnell ins „Blade Runner“-ähnliche NeoSeoul 2144 oder ins London der Gegenwart.
 
Ähnlich wie sich das Musikstück – das „Cloud Atlas Sextet“, an dem Robert Frobischer (Ben Whishaw) 1936 in einem der Erzählstränge arbeitet – mit jeder Note entfaltet, steigern sich auch die vielen Film-Einzelteile letztendlich zu einer finalen Symphonie. Die hat Misstöne und unausgefeilte Schwachstellen, überdramatisierte Bilder und unaufgelöste Verbindungen. Wie schon bei Mitchells Buch wird auch in der Filmversion viel der Vorstellungskraft des Zuschauers überlassen.
 
Bei der Pressekonferenz wurde einen Tag nach der Weltpremiere beim 37. Toronto International Film Festival (TIFF) vor allem klar: „Cloud Atlas“ ist ein Herzenswerk, ein Film, in den nicht nur die drei Regisseure ihre ganze Leidenschaft gesteckt haben. Das illustre Ensemble aus großen amerikanischen und internationalen Schauspielern war geschlossen zur Unterstützung angerückt und berichtete einstimmig über den großen Spaß mit Tykwer und den Wachowskis, aber auch, wie sich eigene anfängliche Zweifel erst im Verlauf der oft emotional anstrengenden Dreharbeiten aufgelöst hätten.
 
„Wir mussten innerlich von einer Klippe springen. Keiner wusste, ob und wie sich die Geschichte wirklich zusammenfügen würde“, sagte Hanks. Für den Hollywoodstar ist „Cloud Atlas“ aber ein gelungenes Beispiel verfilmter Literatur, das die Verbindung der Menschen durch verschiedene Rassen und über Jahrhunderte hinweg examiniere. „Zudem lohnt es sich einfach, Hugh Grant als Kannibalen zu sehen.“[Manuela Imre/fm]

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