Emotionales 3D-Kino: Wim Wenders und Ang Lee im Gespräch

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Kann 3D Emotionen lenken? Mit welchen Problemen bezüglich 3D hat dieFilmindustrie derzeit immer noch zu kämpfen? Und wie sieht die 3D-Zukunftaus? Dies und viel mehr diskutierten die Regie-Größen Wim Wenders („Himmel über Berlin“) und Ang Lee („Brokeback Mountain“) bei ihrem selbst anberaumten Gipfeltreffen.

29. November 2012, an der Akademie der Künste in Berlin. Zwei legendäre Regisseure treffen sich für ein Fachgespräch vor versammelter Presse und interessierten Filmstudenten. Ihr Thema: 3D. Ang Lee und Wim Wenders dabei zu beobachten, wie sie über die Probleme, Chancen und Auswirkungen des stereoskopischen 3D-Effekts debattieren hat etwas Ehrfurcht-Gebietendes.
 
Auf der einen Seite der Regisseur, der mit „Eat Drink Man Woman“ das internationale Kino eroberte, mit „Tiger & Dragon“ sowie „Brokeback Mountain“ wohlverdiente Oscars erhielt und mit „Hulk“ seine Vielseitigkeit bewies. Auf der anderen Seite der altgediente Regisseur, der mit fiktiven Filmen wie „Himmel über Berlin“ und „Paris, Texas“ Weltruhm erlangte und ebenso im Doku-Sektor mit „Buena Vista Social Club“ von sich reden machte.
 
Während der langjährigen Arbeit an ihren jeweils aktuellsten 3D-Projekten „Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ (Ang Lee) und „Pina“ (Wim Wenders) konnten die beiden  Regie-Legenden erste Erfahrungen im stereoskopischen Sektor sammeln. Und das merkt man ihnen auch an. Spitzbübisch fragt Lee seinen nicht minder prominenten Regie-Kollegen, wie er mit dem „Miniaturizing“-Problem fertig wird. Durch den stereoskopischen Effekt erscheinen z. B. Menschen in der Ganz-Körper-Aufnahme wie verkleinerte, Spielzeug-artige Figuren.

„Ich denke, wir werden einen Weg finden, um dieses optische Problem zu lösen. Dennoch wird es wahrscheinlich dennoch so sein, dass man bestimmte Kamerawinkel und manche Brennweiten weiterhin vermeiden muss“, so Wenders.  Ebenso verwirrte Lee die Kombination „Große Tiefe plus Close Up“, die aus einem normalen Konterfei ein scheinbar riesiges Monster-Gesicht machen.
 
„Ich wünschte, ich hätte die Technologie bereits für ‚Hulk‘ gehabt. Wenn man in 2D das Close-Up des Hulk mit einer Nahaufnahme eines normalen Menschen vergleicht, wirkt sein Kopf nicht um so viel größer. Würde ich den Film noch einmal in 3D machen, würde ich möglicherweise eine flache Linse nehmen und das Gesicht im Close-up heraus-poppen lassen, damit man einen riesigen Kopf vor sich hat. Und er würde auf die Zuschauer herabsehen und sagen ‚Niedliche Menschen'“.

Genau aus diesem Grund vermeidet der taiwanische Regisseur aber solche Nahaufnahmen in 3D. Auch Wim Wenders stimmt dem zu und warnt in diesem Sinne vor der Gefahr eines 3D-Overkills. Wer den Effekt zu inflationär einsetzt, also zu häufig in die Tiefe geht, der verspielt sich die Chance eines großen Impacts. 
 
 
3D Genrespezifisch?
 
3D sei ein ganz eigenes Medium, dass den Regisseuren ein mächtiges Werkzeug zur Emotions-Vermittlung und -Lenkung in die Hand gibt, unabhängig davon, ob es sich um einen Actionfilm oder ein dialoglastiges Drama handelt. „Die Intensität ist unterschiedlich. Die Art wie man das Volumen des Gesichtes wahrnimmt ist in 3D wesentlich intensiver. Ebenso spielt die Position des Gesichtes eine Rolle. Befindet es sich im Raum des Betrachters oder hinter dem Screen? All das hat mit dem ‚Staging‘ zu tun, also mit der Positionierung im Raum“, sinniert Ang Lee, der seine Erfahrungen mit dem Direktvergleich 3D-/2D-Screen am Set des Filmdrehs von „Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ vermittelt.
 
Während ihm das Schauspiel seines jungen Hauptdarstellers Suraj Sharma auf dem 2D-Regie-Screen völlig glaubwürdig erschien, empfand es Lee auf seinem 3D-Screen fast als Over-Acting, da hier die Intensität viel größer war. Er und Wim Wenders sind sich daher einig, dass das neue Medium also auch neue, zurückhaltendere  Ausdrucksformen seitens der Schauspieler benötigt.

Eine neue Form der Rezeption
 
Das Ausschlag gebende Stichwort für das 3D-Medium sei laut Wim Wenders „Präsenz“: „Momentan arbeiten wir an einer fiktionalen Geschichte, die für 3D geschrieben wird. Hier will ich erstmals 3D im narrativen Prozess berücksichtigen. Ich denke, es wird eine tolle Art sein, eine Geschichte zu erfahren, weil es Sie in die Präsenz von etwas rückt.“ Als Beispiel verwendet Wenders Ang Lees neuen Film: „Der Zuschauer sitzt hier im gleichen Boot wie Pi und der Tiger.“ Dadurch sehe der Zuschauer nicht nur einfach eine Abbildung von etwas, sondern glaubt, ihm sitze ein echter Tiger gegenüber. Die Bedrohung wäre dem Zuschauer dadurch gegenwärtiger und bewusster.
 
Am Ende des anderthalb-stündigen Gesprächs waren sich alle einig: Das Gebiet der Stereoskopie ist nach wie vor noch recht unerforscht, sodass es hier kaum Normen gibt, die Filmakademien an zukünftige Regisseure, Kameramänner, Beleuchter, Toningenieure und Schauspieler weitergeben können. Es ist also auch jetzt noch ein weites Experimentier-Feld, das erst im Laufe der Zeit von wegweisenden Filmemachern erforscht werden wird.
 
Wim Wenders arbeitet derzeit an seinem Drama „Every Thing Will Be Fine“, das in 3D gefilmt wird und 2014 in die Kinos kommen soll. Ang Lees „Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ erscheint am 26. Dezember dieses Jahres in den Lichtspielhäusern. Natürlich in herausragendem 3D. [Falko Theuner]

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  • Inhalte_Kino_Artikelbild: © Romolo Tavani - Fotolia.com

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