„Heil“: Hysterischer Satire-Rundumschlag nach Rechts und Links

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Den schmalen Grat zwischen Witz und Klamauk wandelt Regisseur Dietrich Brüggemann in seiner Neonazi-Satire nur äußerst wacklig. Dabei werden nicht nur dumpfe Neonazi-Klischees bedient, auch die Linken, Journalisten und Politiker bekommen ihr Fett weg.

Der Grat zwischen subtilem Witz und derbem Klamauk einer Gesellschaftssatire ist mitunter schmal. Der deutsche Regisseur und Drehbuchautor Dietrich Brüggemann wagt ihn dennoch und widmet sich mit seiner Groteske „Heil“ auch noch dem schwierigen Thema der Neonazis. Darin allerdings kommen nicht etwa nur dumpfe Rechte schlecht weg – Brüggemann setzt zum Rundumschlag gegen Bildungsbürger, Linke, Journalisten, Politiker und Verfassungsschutz an.

Brüggemann, der bereits Erfolge feierte mit Filmen wie „Kreuzweg“, „3 Zimmer/Küche/Bad“ und „Renn, wenn du kannst“, lässt gleich eine ganze Riege stereotyper Protagonisten auflaufen: den etwas schlauer anmutendem Neonazi Sven (Benno Fürmann) mit Ambitionen und wirrem Blick aus blauen Augen. Einen grundguten Dorfpolizisten Sascha, der eigentlich nur das Herz der Nazibraut Doreen (Anna Brüggemann) erobern will. Und als Krönung den Vorzeigefarbigen Sebastian Klein (Jerry Hoffmann). Der ist erfolgreicher Buchautor und Integrationsfigur, lebt in Berlin, tingelt von Talkshow zu Talkshow, bekommt Fanpost von schmachtenden Frauen und hat eine hochschwangere Freundin, die genervt und frustriert mit dickem Bauch in der Berliner Altbauwohnung sitzt.

Eine Lesetour führt Sebastian in das fiktive ostdeutsche Kaff Prittwitz, dort wo perspektivlose Rechte dumpfe und orthografisch falsche Parolen an die trostlosen Gebäude sprühen, wo Sven zu historischen Taten ansetzen und in Polen einmarschieren will, und der Bürgermeister, besorgt um das Ansehen seines Städtchens, von Nazis nichts wissen will. Dort streikt auch noch die Bahn, und Sebastian muss eine finstere Unterführung zum Schienenersatzverkehr nehmen. Mit einem Baseballschläger versetzt ihm die braune Bande einen heftigen Schlag auf den Kopf. Sebastian verliert das Gedächtnis und plappert fortan die rechten Parolen von Sven nach. Ein gefundenes Fressen für vermeintlich liberale Intellektuelle, Bildungsbürger und sensationsgeile Journalisten.
 
Derweil bemüht sich der Verfassungsschutz aus gleich drei Bundesländern um V-Männer aus Svens Umfeld, ohne voneinander zu wissen. In Berlin sorgt sich Nina nicht etwa um ihren Freund, sondern vor allem wegen dessen Kontakt zu seiner Ex-Freundin – irgendwann macht sich Nina dann doch auf den Weg nach Prittwitz, um Sebastian zu suchen.
 
 

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Das alles ist ein absolutes Wirrwarr. Nicht nur die Figuren verzetteln sich, auch der Film. Ahnungslosigkeit und vor allem egoistische Motive bestimmen letztendlich das Handeln aller Lager, egal ob rechts oder links. Brüggemann bedient sich jeglicher Klischees und Stereotype, scheut sich nicht vor Kalauern und bösen Gags, bei denen einem so manches Mal das Lachen im Halse stecken bleibt.
 
Subtile Pointe und ästhetische Filmkunst opfert er dabei allerdings der satirischen Breitseite. Ein Richter etwa ist im wahrsten Sinne des Wortes auf dem rechten Auge blind. Auch die zahlreichen Gastauftritte etwa von Liedermacher Heinz Rudolf Kunze, Kritiker Dietrich Kuhlbrodt und Regisseur Andreas Dresen wollen da nicht so recht zünden. So verpufft die subversive Kraft der Satire in diesem hysterisch, überdrehten Klamauk.Kinokritiken im Überblick
[Britta Schmeis/buhl]

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