Kinokritik: Daniel Radcliffe in „Die Frau in Schwarz“

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Nach dem internationalen Mega-Erfolg als „Harry Potter“ entfernt sich Daniel Radcliffe erfolgreich immer weiter vom Image des heldenhaften Zauber-Teenagers. Der 22-Jährige ist nun in dem Geisterdrama „Die Frau in Schwarz“ zu sehen und macht auch dort eine gute Figur.

Ob sein Zauber noch wirkt? Vermag Daniel Radcliffe weiterhin auch in anderen Rollen zu überzeugen als jener, in der er zehn Jahre lang die Welt in seinen Bann zog und in der er vom Kind zum Mann reifte? Nachdem er als Magierlehrling Harry Potter in den acht äußerst erfolgreichen Verfilmungen von Joanne Rowlings Bestellern zu sehen war, dürften diese Fragen vor allem Jugendliche und junge Erwachsene auch bei uns in die Kinos locken, um das Schauerdrama „Die Frau in Schwarz“ zu sehen.
 
Denn die Hauptrolle, einen melancholischen Londoner Anwalt am Ende des 19. Jahrhunderts, spielt niemand anderes als ihr Idol Daniel Radcliffe im ersten großen Leinwandjob nach Pottermania.Doch um es gleich vorweg zu nehmen: Auch ohne Blitznarbe auf der Stirn und Zauberstab macht der 22-jährige in James Watkins‚ betont altmodischem und stimmungsträchtigen, dabei wahrhaftig gruseligen Werk eine respektable Figur. Radcliffe ist nach „Potter“, dem Drama „December Boys“ und seinem Theaterausflug „Equus“ eindeutig weiter auf dem Weg, ein ernst zu nehmender Schauspieler zu werden, genau so, wie es seinem ausgesprochenen Wunsch entspräche.
 
Im Ausland kamen die Kinozuschauer bereits in Scharen. In Großbritannien etwa katapultierte sich der Film sofort auf Platz eins der Charts, international beträgt das Kassenergebnis bislang mehr als 100 Millionen Dollar (rund 76 Millionen Euro). Dabei hat sich der Brite clever einen passenden Stoff ausgesucht, ur-englische, für Kinder völlig ungeeignete Gruselgotik nach Susan Hills 1983 erschienenem gleichnamigen Erfolgsroman.
 
„Die Frau in Schwarz“ wurde bereits Ende der 1980er für das Fernsehen bearbeitet und bildet seit mehr als 20 Jahren die Grundlage für einen Bühnenhit im Londoner West End. Mit der Produktion verlässt Radcliffe zwar den Bannkreis der Hogwarts-Schulzauberei. Er bleibt aber dem Übersinnlichen verhaftet, geht also nur einen halben, quasi todsicheren Schritt in Richtung Befreiung vom Rollenklischee und Selbstfindung. Zumindest auf der Leinwand, denn im Theater war er zuvor bereits im Skandalstück „Equus“ zu sehen und begeisterte mit seiner Darstellung die Kritiker.

Die Geschichte um den verwitweten, alleinerziehenden jungen Anwalt, der rund um ein verlassenes Herrenhaus unheimliches Kindersterben aufdeckt, ist bei Landsmann Watkins („Eden Lake„) in guten Händen. Genüsslich und gekonnt erzählt der 1978 geborene Regisseur das psychologisch motivierte Geschehen um Verlust, Trauer und Rache mittels einer opulenten und tatsächlich Gänsehaut hervorrufenden Orgie klassischer Genre-Versatzstücke. Und ein wahrer Reigen angesehener Darsteller tut dazu das Seine, von Ciarán Hinds („Harry Potter„) bis zu Liz White als Titelfigur.
 
Dunkelheit und Regen, flackerndes Gaslicht und spärlicher Kerzenschein, ein Schloss im Watt und ein trostloses Dorf, knarrende Türen und krächzende Krähen, bleiche, tote Kindergesichter und immer wieder eine Unheil verheißende verschleierte Wiedergängerin in Trauerkleidung: Mit solchen Elementen spielt der Regisseur in einer Weise, dass so mancher Zuschauer fürchten muss, sich nie mehr allein in den Keller oder in den Wald zu trauen. Dass zugunsten der Ausstattung, zu der auch wundersames Spielzeug der Zeit gehört, das Vorantreiben der Handlung ein wenig zu kurz kommt, wirkt sich kaum störend aus.
 
Ernsthaft und uneitel fügt sich Radcliffe in das Geschehen ein. Wie getrieben dringt er – mit adrettem Seitenscheitel und im dunklen Gehrock – immer tiefer zu düsteren Geheimnissen der Vergangenheit vor, die ihn am Ende selbst bedrohen. Sehr blass ist sein stiller, verletzlicher Held, die Augen blicken stets unglücklich. Das ist noch keine reife, facettenreiche schauspielerische Leistung. Doch reicht sie für seinen im Grunde passiven Part voll aus, denn der wahre Hauptakteur hier ist die Atmosphäre. Radcliffes nächste Rolle wird mehr über seine Talente erweisen: In der Indie-Produktion „Kill Your Darlings“ soll er den homosexuellen Beat-Poeten Allen Ginsberg verkörpern.Kinokritiken im Überblick
[Ulrike Cordes/rh]

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