Eschborn – Ende Oktober hat das Telekommunikationsunternehmen Arcor den Startschuss für sein IPTV-Angebot „Arcor-Digital TV“ gegeben. Zeit für DIGITAL FERNSEHEN, den Abteilungsleiter IPTV und Neue Medien bei Arcor, Andreas Gerhardt, zu den bisherigen Erfahrungen zu befragen.
DIGITAL FERNSEHEN: Wie verlief der Programmstart von „Arcor Digital TV“? Wie soll sich die Zuschauerzahl dann weiter entwickeln?
Andreas Gerhardt: Wir waren mit dem Vermarktungsstart zufrieden. Die Nachfrage wird – wie beim Mobilfunk oder bei DSL – kontinuierlich steigen. Den Durchbruch erwarten wir für 2010. Dann wird das Analog-Fernsehen abgeschaltet. Und die Menschen stehen vor der Frage, für welches neue System sie sich entscheiden sollen. Langfristig hat IPTV das Potenzial, ein Massenprodukt zu werden.
DF: Welche Vorteile sehen Sie beim Arcor-IPTV-Angebot gegenüber der Konkurrenz der Telekom? Wenn Sie einen Kabelkunden vom Wechsel zur Arcor überzeugen müssten, was würden Sie ihm sagen?
Gerhardt: Durch Arcor-Digital TV stehen den Kunden jetzt mehr als 50 Free-TV-Sender und über 60 Pay-TV-Kanäle zur Verfügung. Ein elektronischer Programmführer, den wir in Kooperation mit der Redaktion von „TV Movie“ realisieren, erleichtert die Orientierung. Wer einen Filmbeginn verpasst, kann ihn bei einigen ausgewählten Sendern noch während der Ausstrahlung mit einer Timeshift-Funktion erneut starten. Schließlich ist nichts schlimmer, als einen Krimi nach 20 Minuten anzufangen und nicht zu wissen, wer die Leiche war. Darüber hinaus bieten wir eine Online-Videothek mit über 500 Filmen aus verschiedenen Genres an. Und das alles in einer brillanten digitalen Bild- und Tonqualität.
DF: Versucht Arcor ähnlich wie die Telekom derzeit mit den Wohnungsgenossenschaften ins Gespräch zu kommen? Ist dieser Vertriebsweg für Arcor interessant?
Gerhardt: Wir prüfen verschiedene Vertriebswege für unser Produkt. Natürlich sind auch die Wohnungsbaugesellschaften für uns grundsätzlich interessant.
DF: Werden bald weitere Programme aufgeschaltet?
Gerhardt: Ja, wir werden unser Programmangebot natürlich sukzessive erweitern.
DF: In unserem Forum hat es für Verwunderung gesorgt, dass DSF und Eurosport nicht in ihrem IPTV-Paket dabei sind. Können Sie dafür Gründe nennen? Stehen Sie mit diesen Sendern noch in Verhandlungen?
Gerhardt: Die Verhandlungen mit beiden Sendern waren noch nicht abgeschlossen. Wir sind mit beiden Sendern in guten Gesprächen.
DF: Sie setzen beim zeitversetzten Fernsehen auf eine andere Lösung als die Telekom: Anstatt im Receiver werden die TV-Signale auf einem zentralen Rechner gespeichert. Dieses System kostet den Kunden 49 Cent je Nutzung. Ist das nicht zu teuer?
Gerhardt: Aus unserer Sicht ist ein kleiner Cent-Betrag ein angemessener Preis für sehr viel Zeitsouveränität. Der wesentliche Unterschied gegenüber der Telekom ist nicht nur zentrale versus lokaler Aufzeichnung. Vielmehr ist die Funktion ganz unterschiedlich. Beim zeitversetzten Fernsehen von Arcor-Digital TV haben Zuschauer die Möglichkeit, an den Anfang einer Sendung zurückzuspringen, ohne die Sendung vorher eingeschaltet oder geschaut zu haben und ohne dies vorher zu planen.
Ein Beispiel: Ein Kunde möchte eine Sendung schauen, die um 20:15 Uhr beginnt. Aus irgendwelchen Gründen ist er nicht rechtzeitig zu Hause und schafft es erst, um 21:00 Uhr ihren Fernseher einzuschalten. Die Hälfte der Sendung ist jetzt schon um. Der Kunde würde diese aber gerne von Anfang an sehen. Mit Timeshift Restart von Arcor-Digital TV hat er dann die Möglichkeit, an den Anfang der Sendung zu springen und diese von Anfang an zu schauen.
DF: Bisher sollen nur drei Sender ihr Einverständnis zu diesem Verfahren gegeben haben. Hat man bei Arcor bei der Wahl dieser Technologie den Markt falsch eingeschätzt?
Gerhardt: Wir sind mit allen TV-Sendern zum Thema Timeshift-Restart im Gespräch. Es gibt auf Senderseite einen größeren rechtlichen Klärungsbedarf. Wir hoffen, dass die Sender in diesem Punkt schnell alle rechtlichen Hürden beseitigen, und wir diese neue Funktion auch im Interesse des Kunden für alle Sender zur Verfügung stellen können.
DF: Artec Technologies wirft Arcor eine Patentrechtsverletzung bei dieser Timeshift-Funktion vor. Haben Sie die Technologie von Artec abgeschaut? Wie wird Arcor sich jetzt gegenüber den Vorwürfen von Artec verhalten? Würde Arcor es notfalls auch auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen?
Gerhardt: Es ist grundsätzlich die Politik unseres Hauses, die Schutzrechte Dritter zu respektieren. Insofern nehmen wir einen Vorwurf wie den von Artec sehr ernst. Wir haben daher sofort mit der Prüfung begonnen, ob das Artec-Patent durch unsere IPTV-Lösung verletzt wird oder nicht.
DF: Herr Gerhardt, vielen Dank für das Interview. [lf]
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