Ein kurioses Netflix-Highlight: „Nightmares of Nature“

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Eine Maus in Nightmares of Nature
Foto: 2025 Netflix, Inc.

„Nightmares of Nature“ will bei Netflix einen schaurigen Blick auf die Natur werfen und wartet dabei mit beeindruckenden Bildern auf.

Die Halloween-Saison treibt jedes Jahr kuriose Blüten. Die Kulturindustrie versucht traditionell, allerlei Inhalte aus dem Fest zu pressen und diese neue Netflix-Serie gehört sicherlich zu den denkwürdigsten Beiträgen, die man 2025 zur schaurigsten Zeit des Jahres an den Start bringt. „Nightmares of Nature – Wilde Geschichten“, so heißt das Doku-Format, das man jetzt streamen kann. Staffel 1 erschien am 30. September mit insgesamt drei Episoden von jeweils rund 45 Minuten Länge.

Schon das Studio dahinter konnte einen aufhorchen lassen. Verantwortlich für die Serie ist nämlich Blumhouse, ein Unternehmen, das zu den Platzhirschen im Horrorkino gehört. In den vergangenen Jahren hat sich Blumhouse eine goldene Nase an meist verhältnismäßig günstig produzierten Genrefilmen verdient, die aber wiederholt zu echten Kassenschlagern avancierten. Zu den durchschlagenden Erfolgen von Blumhouse Productions gehörte beispielsweise die „Paranormal Activity“-Reihe Anfang der 2000er-Jahre.

Ein Waschbär in der „Cabin in the Woods“ Foto 2025 Netflix, Inc.

„Nightmares of Nature“ zeigt die dunklen Seiten der Natur

„Nightmares of Nature“ versucht sich nun an einer ungewöhnlichen Naturstudie. Man ist im langjährigen Genre der Naturdokumentationen ja schon vieles gewohnt. Und viele Filmschaffende scheuen nicht, die Kamera auf die erbarmungslosen Seiten der Wildnis zu halten. Man hat diesbezüglich auch schon weitaus Härteres sehen können, als das am Ende doch eher familienfreundliche Format „Nightmares of Nature“. Aber das alles als waschechtes Gruselkino aufzuziehen; das ist doch eine herausragend schräge Idee. Man ist zuerst irritiert davon und doch kann man den Blick kaum abwenden.

„The Cabin in the Woods“: Der Untertitel der ersten Staffel verrät bereits, worum es geht. In den Wäldern Nordamerikas steht eine einsame, heruntergekommene Waldhütte. Und die Kamera erkundet nun, was sich im Tierreich abspielt, welche Überlebenskämpfe dort zu finden sind, sowohl inner- als auch außerhalb des Gebäudes. Ein Waschbär tapst dort umher. Eine Spinne krabbelt bedrohlich über Ritzen. Zwei Schnecken werden beim schleimigen Liebesspiel gezeigt. Mäuse irren durch die Hütte. Draußen treiben derweil Frösche, Schlangen, Ameisen, Alligatoren ihr Unwesen und werden zu den Hauptfiguren dieser Serie.

Schnecken bei der Paarung Foto: 2025 Netflix, Inc.

Abstoßende Klangwelten

Die drei ersten Episoden sind hemmungslos reißerisch, übertrieben in ihren formalen Spiel. Die Schauspielerin Maya Hawke kommentiert das Geschehen aus dem Off. Zwar versucht sie hin und wieder, dem Publikum ein paar Lektionen zu erteilen, etwas Lehrreiches über das Verhalten der Tiere zu erzählen. Aber im Kern der Serie stehen das Entertainment und der Grusel.

Das bedeutet in der irrwitzigen Logik von „Nightmares of Nature“: Die Fremdheitserfahrung, die man ohnehin verspürt, wenn man dem verborgenen Treiben in der Natur so nah zusehen kann, wird bis zum Extrem übersteigert. Geräusche werden hochgedreht. Alles muss möglichst bedrohlich klingen. Wenn Alligatoren im Schlamm liegen oder aus ihren Eiern schlüpfen, dann glitscht und schmatzt es auf der Tonspur. Gewitter, kontrastreiche Lichtspiele und musikalische Untermalungen sorgen für unbehagliche Stimmungen.

Dass viele Szenen offensichtlich nicht einfach beiläufig eingefangen, sondern künstlich inszeniert und zusammengeschnitten sind, dürfte auf der Hand liegen. Den Sensationen tut das keinen Abbruch. Eine Texttafel am Beginn der ersten Episode weist noch darauf hin, dass manche Elemente dramatisiert wurden. In der Tat sind das aber auch die unterhaltsamsten Passagen, wenn sich „Nightmares of Nature“ spätestens im Staffelfinale immer weiter einer Spielfilmlogik annähert. Dieses Netflix-Format nutzt die Naturbilder und verknüpft sie fortwährend mit Sehgewohnheiten verschiedener Horror-Subgenres.

„Nightmares of Nature“ zeigt die verborgene Welt der Ameisen. Foto: 2025 Netflix, Inc.

Horrorkino in freier Wildbahn

Wenn Blitze das Haus erhellen und Tiere bangen müssen, dann erinnert das an Bilder aus Spukhausfilmen. Eine Verfolgungsjagd zwischen einer Schlange und einem Frosch wird inszeniert wie ein Slasherfilm. Wenn sich eine Maus hinter der Tür versteckt und plötzlich ein Hund seine Nase durch ein Loch steckt, dann ist das die tierische Version von „Shining“. Und wenn die Mäuse darum fürchten müssen, ausgestopft zu werden, sind wir wahlweise bei „Psycho“ oder einem Hinterwäldlerhorror angelangt.

Was soll das aber nun alles? Naja, in erster Linie ist „Nightmares of Nature“ eine beeindruckende Technikdemonstration. Die Bilder dieser Dokureihe sind umwerfend gelungen. Die Schärfe, die die Kameras selbst in den dichtesten Nahaufnahmen bewahren können, die Zeitlupeneffekte, die dabei möglich sind; das ist zutiefst verblüffend. Der tierische Körper wird hier auf eine Art und Weise sicht- und erfahrbar, auch in seinen abstoßenden Seiten, dass man über viele Aufnahmen nur staunen kann. Etwa dann, wenn unzählige Ameisen ein lebendes Floß errichten, nachdem sie von einer Sturzflut heimgesucht wurden. Oder wenn Maden auf einem Kadaver ihr Unwesen treiben.

Staffel 2 von „Nightmares of Nature“ startet schon bald

Vielleicht ist all das Überzeichnen und Übertreiben ja am Ende gar keine so blöde Idee. In einer Zeit, in der sich der Mensch weiterhin die Natur zu erobern und zu unterwerfen versucht, auch in einem künstlerischen und medialen Sinne, sucht man hier das Unbezwingbare, Unverfügbare, Bedrohliche, Gewalttätige. Man gibt der Tierwelt ihre Fremdheit zurück. Auch wenn das wieder nur innerhalb von menschlichen Logiken und Sehgewohnheiten passieren kann – so zumindest die zweischneidige Pointe dieses Projekts.

Letztlich wird hier auch die augenzwinkernde Geschichte einer Revolte erzählt. Sie beginnt bereits damit, dass man die Menschen ins Abseits der Bilder und in Fragmente verbannt. Irgendwann erscheint der Mensch nur noch als monströse Hand, die nach den Tieren greift. Der Frosch soll im Kochtopf landen, doch damit ist die Geschichte noch längst nicht auserzählt. Und sie wird auch bei Netflix weitergehen. Staffel 2 soll nämlich noch Ende Oktober 2025 erscheinen. Dann führt „Nightmares of Nature“, wie man anhand des Untertitels erahnen kann, hinein in den Urwald: „Lost in the Jungle“.

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