Frank Elstners „Wetten, das war’s“ ist die schönste Netflix-Show seit langem

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Frank Elstner beendet seine langjährige Fernsehkarriere. „Wetten, das war’s..?“ heißt sein finales Projekt bei Netflix. Dort ist die Show zwar eigentlich fehl am Platz, aber dennoch ein riesiger Gewinn für den Streamingdienst.

Nach dieser Show soll Schluss sein. Frank Elstner, der Mann, der wie nur wenige andere mehrere Jahrzehnte deutscher Fernsehgeschichte geprägt hat, verabschiedet sich in den Ruhestand. In seinem letzten Showprojekt „Wetten, das war’s..?“ trifft er sich noch einmal mit einer neuen Generation junger Künstlerinnen und Künstler, um quasi den Staffelstab weiterzugeben. Bereits im vergangenen Jahr begann das Talk-Format auf YouTube, jetzt folgte der Umzug zu Netflix. Allein die Tatsache, dass Elstners Finale ausgerechnet bei Netflix geschieht, ist an sich schon grotesk. Schließlich wird dem Streaming-Giganten oft nachgesagt, er sei für den Tod des „alten“ Fernsehens maßgeblich verantwortlich. Also für eine Form des Fernsehens und der Abendunterhaltung, die der Showmaster eigentlich wie kaum ein anderer verkörpert.

Die Generation von Zuschauerinnen und Zuschauer, die gerade mit Netflix aufwächst, wird vielleicht gar nicht mehr wissen, wer der ältere Herr überhaupt ist, der da mit den Gästen plaudert. Aber selbst das spielt für das Format eigentlich gar keine Rolle. „Wetten, das war’s..?“ ist ein großer Abschied im ganz Kleinen und vor allem ein völlig selbstloses Format. Eines, das ohne großes beweihräucherndes Spektakel auskommt. Das Elstner nicht etwa dafür nutzt, sich selbst und sein Lebenswerk in Szene zu setzen, sondern dieser Abschied definiert sich rein über großes Talent. Genau das ist es, was ihm auch heute kaum einer vormachen kann, nämlich ein interessierter, aufmerksamer und gelassener Gastgeber für sein Gegenüber zu sein.

Den Nachfolgern auf den Zahn fühlen

Fünf Episoden und fünf Gäste hält das Netflix-Format bereit. Elstner trifft sich mit ihnen an einem großen Tisch. Schummrige Beleuchtung, Weingläser, intime Atmosphäre, im Hintergrund leere Stuhlreihen. Klaas Heufer-Umlauf, Joko Winterscheidt, Lena Meyer-Landrut, Charlotte Roche und Daniel Brühl begrüßt Elstner in seiner Sendung. Die Fragen, die er seinen Gästen stellt, lassen zunächst etwas schmunzeln. Im ersten Moment wirken sie teilweise wie aus einem imaginären Freundebuch, das Elstner da für sich ausfüllt. Was hast du noch für Wünsche? Welche Musik hörst du privat? Doch es zeigt sich, dass häufig die simpelsten Fragen zu den interessantesten Reaktionen führen. Elstner knackt jeden einzelnen seiner Gäste, entlockt ihnen zutiefst ehrliche Antworten. Ihm gelingt es sogar, die eitle Hollywood-Fassade eines Medienprofis wie Daniel Brühl kurz aufzubrechen. Auch feuchte Augen gibt es in diesen fünf Folgen mehrfach zu sehen.

Frank Elstner und Autorin Charlotte Roche

Annäherung zweier Welten

Der Showmaster will verstehen. Man muss Elstner hoch anrechnen, dass er dieser gewandelten Unterhaltungsbranche niemals überheblich oder belehrend entgegentritt. Stattdessen ehrliche Neugier, wie etwa ein Anarcho-Fernsehen, das Joko und Klaas präsentieren, funktioniert. Ob die beiden denn auch manchmal Mitleid hätten? Elstner scheut sich nicht, sich als Fan zu outen. Daneben auch Bedauern darüber, wenn Duos wie Roche und Böhmermann auseinandergehen. Von Roche holt sich der Moderator übrigens auch Nachhilfe in punkto #metoo, nachdem er ihr erzählt, wie er ihren Skandalroman „Feuchtgebiete“ erst in der Tonne entsorgt hatte. Diese Annäherung zweier Generationen von Unterhaltungskünstlern aus scheinbar völlig verschiedenen Welten ist naiv, ohne dumm zu sein, bohrend, aber nie geschmacklos.

Netflix als Schnittstelle zwischen altem und neuem Fernsehen ist ein ungewohnter, aber clever gewählter Ort für dieses Format. In gewisser Weise hat die auf Turbo-Konsum ausgerichtete Plattform eine solch entschleunigende Sendung auch verdient. Eine so menschliche, rührende Show ist bei Netflix seit einer gefühlten Ewigkeit nicht erschienen. Hier kann man sehen, wie spannend es noch sein kann, wenn sich einfach nur zwei Menschen an einem Tisch unterhalten, als wären überhaupt keine Kameras anwesend. „Wetten, das war’s..?“ schafft nebenbei ein Bewusstsein dafür, wie das Fernsehen heute überhaupt noch funktionieren kann und vor welchen Problemen es steht. Und wer weiß? Vielleicht war das ja doch noch nicht alles. An Elstners Tafel sind schließlich noch einige Stühle frei. Bitte mehr davon!

„Wetten, das war’s..?“ ist seit dem 12. Juni bei Netflix verfügbar. Die bisherigen Folgen der Talkshow sind auf dem YouTube Kanal von Frank Elstner zu sehen.

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Bildquelle:

  • frankelstnerroche: Netflix
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