„Jay Kelly“: George Clooney spielt bei Netflix preisverdächtig

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George Clooney in Jay Kelly
Foto: Peter Mountain/Netflix © 2025

George Clooney zeigt in „Jay Kelly“ eine der stärksten Leistungen seiner Karriere, kann den Netflix-Film damit aber dennoch nicht retten.

Es wäre doch gelacht, würde George Clooney für diesen Film keine Oscar-Nominierung erhalten! Schließlich liebt Hollywood solche Typen und Rollen. Hochkarätige Stars spielen andere Stars und blasen ein wenig Trübsal über die Bürden des Ruhms und darüber, wie schwierig es doch ist, in Reichtum zu leben und doch so wenig Zeit für die Familie zu haben. Ironie Ende. Tatsächlich gelingt es Clooney, schluckt man die bittere Pille, dass man es hier mit einem sehr banalen Film zu tun hat, beeindruckend, seine Rolle auszufüllen. Das ist ein preisverdächtiges Spiel, welches den ganzen Film vor der kompletten Katastrophe bewahrt. Seine Darstellung kokettiert auch mit der eigenen, realen Persönlichkeit, Ja. Spätestens dann, wenn auf einer Leinwand innerhalb des Films quasi eine fiktive Clooney-Filmographie im Schnelldurchlauf abgespielt wird. Aber es lässt sich nicht allein darauf beschränken.

Clooney legt mit seinem Spiel zwischen Larmoyanz, Arroganz und unschuldigem Sonnyboy-Lächeln erstaunliche Nuancen an den Tag. Das ist ein subtiles, zurückhaltendes Spiel, das aber mit großer Präzision die ganze Gefühlspalette und Zerrissenheit seiner Figur in den Gesichtszügen lesbar werden lässt. Unsympathischer Charmeur, so könnte man Clooneys Rolle beschreiben. Unsympathisch aber weniger aufgrund der Rolle an sich, sondern weil „Jay Kelly“ ein unsympathischer Film ist. Netflix hat ihn im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig in dieser Woche uraufführen lassen. Ende des Jahres wird er im Kino und kurz darauf im Streaming zu sehen sein.

Adam Sandler in Jay Kelly bei Netflix
Foto: 2025 Netflix, Inc.

Vom Regisseur eines Netflix-Meisterwerks

Was ist nur mit Noah Baumbach passiert, möchte man fragen. Baumbach hat zuletzt, ebenfalls bei Netflix, das meisterhafte Drama „Marriage Story“ und den skurrilen, aber bereits deutlich schwächeren „Weißes Rauschen“ verantwortet. Seine neue Tragikomödie wühlt jedoch nur in abgestandenen Klischees und scheinheiligen Hollywood-Narrativen. „Jay Kelly“ ist ein Therapiefilm für Filmgeschäftsleute, die dem Publikum etwas über ihre eigenen Privilegien vorweinen wollen. Schlimmer noch: Man inszeniert irgendwelche abstrusen Begegnungen mit der „Welt da draußen“, zeigt Begegnungen alternder Stars, wie George Clooney einen verkörpert, mit den „einfachen“ Leuten. Am Ende will man damit womöglich etwas über wahrhaftige Gefühle oder neuen Lebensmut erzählen.

Jay Kelly, die Titelfigur, befindet sich gemeinsam mit seinem Manager Ron (Adam Sandler), auf großer Reise nach Italien. Beide sind auf dem Weg zu einem Festival und sie sind gezwungen, den Zug zu nehmen. Der König geht auf Tuchfühlung mit dem Fußvolk. Ein Lebenswerk soll auf dem Festival geehrt werden. Aber was bleibt von Kellys Ruhm eigentlich übrig? Je länger die Reise dauert, desto tiefer versinkt der Schauspieler in seinen eigenen Zweifeln, der brüchigen Beziehung zu seiner Tochter, einer früheren Romanze, den Fußstapfen, die er auszufüllen hat.

Interessant ist dieser Film am ehesten, wenn er vom Druck und Wetteifern zwischen den Generationen erzählt. Einmal wagt „Jay Kelly“ einen Seitenblick in Richtung des Nachwuchses, der ebenfalls nach den Sternen greift. Doch Clooneys Figur steht bereits parat, um als Schatten der eigenen, schillernden Persönlichkeit die reinste Desillusionierung auf zwei Beinen dazustellen.

„Jay Kelly“ träumt vom großen Kinozauber

Noah Baumbach hat hier gemeinsam mit Emily Mortimer einen geschwätzigen Familienfilm geschrieben, den andere Kritiker mit Attributen wie „köstlich“ oder „amüsant“ versehen mögen. Damit kann man gut überspielen, dass es hier eigentlich abseits von etwas vergifteter Zerstreuung wenig Spannendes, Aufschlussreiches oder tatsächlich Nachdenkliches zu erleben gibt. Vergiftet ist jene Zerstreuung deshalb, weil hier eine Selbstreflexion vorgegaukelt wird, die spätestens zum Schluss nur noch ihren eigenen Mythos und die eigene Unantastbarkeit zementiert.

Der Film kulminiert in einer Art „Cinema Paradiso“-Moment, der noch einmal den Kinozauber, das Spiel der überlebensgroßen Lichtgebilde beschwören will. Diese Überwältigung soll alles überdauern und wettmachen. Plötzlich werden die Augen wässrig. Liebesbrief an das Kino, nennt man derlei Ausrutscher. „Jay Kelly“ entpuppt sich somit als betulicher Streaming-Content unter der Kuscheldecke, der dazu einlädt, (viel zu viel) Zeit mit seinen Figuren zu verbringen. Man schart ein paar Stars zusammen (Laura Dern ist auch noch mit dabei), lässt sie einander necken und endlos miteinander sprechen. Gesagt wird damit aber wenig.

George Clooney und Adam Sandler in JAY KELLY
Foto: Peter Mountain/Netflix © 202

Diese eine rührende Szene am Schminktisch

Auch formal kocht Noah Baumbach dieses Mal auf Sparflamme. Sein Film beginnt noch mit einem beeindruckenden inszenatorischen Stunt. In einer langen Kameraeinstellung fängt er die Vorbereitungen an einem Filmset ein, ehe der Blick hinter den Kulissen plötzlich vor die Kulissen in die Spielsituation wechselt. Solche verblüffenden Übergänge zwischen Szenen findet man später noch wenige Male im Film, wenn die Fahrt im Zug Räume zu Erinnerungen aufstößt. Ansonsten hangelt sich „Jay Kelly“ durch austauschbare Dialogszenen, in die auch eine Kuriosität wie Lars Eidinger als deutscher Taschendieb keinen echten Pepp und frischen Wind tragen kann.

Dabei schimmert ganz selten durch, welche rührenden und unkonventionellen Begegnungen in diesem Szenario möglich sind. Beispielsweise dann, wenn ein alter Showhase einem anderen alten Showhasen in der Künstler-Garderobe Schminke ins Gesicht und auf die Haare pinselt. Man ist bemüht, die Spuren der eigenen Vergänglichkeit noch ein wenig zu verstecken. Die eitle Männlichkeit bricht plötzlich auf. Wann sieht man schon Hollywood-Stars in solchen Szenen?

„Jay Kelly“ feierte seine Weltpremiere im Wettbewerb der 82. Internationalen Filmfestspiele von Venedig. Am 20. November kommt der Film in die deutschen Kinos. Ab dem 5. Dezember 2025 kann man ihn bei Netflix streamen.

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