Karlsruhe – Bisher war Karlsruhe eine sichere Bank für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
1961 untersagte das Bundesverfassungsgericht die Gründung eines Deutschland-Fernsehens, mit dem sich der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer eine politisch günstigere Berichterstattung sichern wollte, in den 80er und 90er Jahren statteten die hohen Richter ARD und ZDF mit einem großzügigen Programmauftrag inklusive „Bestands- und Entwicklungsgarantie“ aus, und 1994 schnitten sie den politischen Einfluss auf die Sender zurück.
Am kommenden Dienstag (11. September) wird ein neues Grundsatzurteil hinzukommen. Dass es ein weiterer Sieg für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein wird, ist allerdings noch längst nicht ausgemacht. Auslöser des Verfahrens ist die Verfassungsbeschwerde von ARD, ZDF und Deutschlandradio gegen die aus ihrer Sicht verfassungswidrige Einmischung der Politik in die Gebührenanhebung zum 1. April 2005.
Wegen der wirtschaftlich angespannten Situation hatten die Länder die Gebühr auf 17,03 Euro monatlich festgesetzt und waren damit rechnerisch um 28 Cent hinter der Empfehlung der fachlich zuständigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) zurückgeblieben. Bei jährlich sieben Milliarden Euro Gebührenaufkommen dürften ARD, ZDF und Deutschlandradio die dadurch entstandenen Einbußen von insgesamt 440 Millionen Euro bis Ende 2008 zwar verschmerzen.
Doch den Sendern geht es ums Prinzip, denn sie sehen einen Grundpfeiler des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Gefahr – das vom Karlsruher Gericht höchstselbst dekretierte Gebot der Staatsferne. Damit wollten die Richter im Jahr 1994 verhindern, dass die Politik die Rundfunkanstalten ans Gängelband legen und über die Gebühren Druck auf deren Berichterstattung ausüben kann.
Seither sollte also die KEF das entscheidende Wort in Sachen Gebühren haben, auch wenn die politische Letztentscheidung bei den Ländern blieb. Doch in der mündlichen Verhandlung des Ersten Senats am 2. Mai zeigten die Richter wenig Verständnis für den Wunsch der Anstalten, die Landesparlamente zum bloßen Notar der KEF-Empfehlungen zu degradieren. Die politische Entscheidung über die angemessene Belastung des Gebührenzahlers werde immerhin vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber getroffen, gab Richter Reinhard Gaier zu Protokoll. Und Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier sekundierte: „Kann es dann eine völlig entpolitisierte Entscheidung sein?“
War die letzte Gebührenrunde also noch nicht der Sündenfall? Zwar hatten die Länder ihre medienpolitischen Hintergedanken nur dürftig kaschiert, in den Vordergrund stellten sie aber das Ziel, dem gebeutelten Steuerzahler wenigstens einen viertel Euro Rundfunkgebühr zu ersparen. Und die Sorge um die „angemessene Belastung der Rundfunkteilnehmer“ rechtfertigt nach der Karlsruher Rechtsprechung eine Abweichung der Länder von der KEF-Empfehlung.
Doch hinter der Gebührenfrage lauert ein weiteres Thema, das für die Anstalten kaum weniger virulent ist: die Frage nach dem Programmauftrag. Wie stark soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der digitalisierten Medienwelt mitmischen? Darf er sich ungehemmt im Wettbewerb mit privaten Medien engagieren, darf er die Konkurrenz beim Kauf teurer Sportrechte überbieten, mit zwangsweise erhobenen Gebühren, deren Legitimation aus Zeiten des Monopols stammt?
Dem Privatfunk ist Ausweitung der Online-Angebote von ARD und ZDF längst ein Dorn im Auge. Auch die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger – zunehmend im Netz aktiv – forderten kürzlich Grenzen für das gebührenfinanzierte Digitalangebot. Ins selbe Horn stößt seit einiger Zeit die EU-Kommission. Ein Streit um die deutsche Rundfunkfinanzierung wurde zwar im Frühjahr beigelegt. Damit verbunden waren jedoch Einschränkungen für neue Angebote der öffentlich-rechtlichen Kanäle.Einschränkungen, die dringend notwendig sind, meint der ehemalige Verfassungsrichter Hans Hugo Klein. [ft]
Bildquelle:
- Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com