Böhmermann und „Dschungelcamp“: Medien 2016 vor Gericht

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Die „Schmähkritik“ von Jan Böhmermann hat 2016 weltweit Kreise gezogen, doch der Prozess des ZDF-Satirkers war nicht der einzige Fall, in dem Medien vor Gericht standen. Auch über das RTL-„Dschungelcamp“ und den Rundfunkbeitrag wurde 2016 verhandelt.

Prozesse gegen Medien gibt es viele. Im Jahr 2016 ist nach zum Teil monatelangen juristischen Auseinandersetzungen eine Reihe Entscheidungen gefallen. Der Fall Böhmermann hat sogar Rechtsgeschichte geschrieben – ganz zu Ende ist er noch nicht. Eine Auswahl:

Die Böhmermann-Affäre

31. März: Großen Wirbel gibt es um TV-Satiriker Jan Böhmermann. Er trägt in seiner ZDFneo-Sendung sein Gedicht „Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor, das dieser als beleidigend empfindet.

15. April: Die Bundesregierung gibt grünes Licht für die strafrechtliche Verfolgung Böhmermanns nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs wegen Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten. Darauf hat die türkische Regierung gedrängt. Außerdem droht dem Grimme-Preisträger ein Prozess nach Paragraf 185 wegen Beleidigung.

17. Mai: Erdogan geht auch zivilrechtlich gegen Böhmermann vor. Das Landgericht Hamburg erlässt auf Antrag des türkischen Präsidenten eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann. Der Moderator darf seine „Schmähkritik“ zu großen Teilen nicht öffentlich wiederholen. Erdogan kündigt anschließend an, er wolle das Gedicht komplett verbieten lassen. Dazu steht eine Entscheidung noch aus.
 
4. Oktober: Die Staatsanwaltschaft Mainz gibt die Einstellung der
Ermittlungen gegen Böhmermann bekannt. Es seien „strafbare Handlungen
nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“. Eine Beschwerde Erdogans gegen die Einstellung der Ermittlungen weist die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz kurz darauf zurück.

Entschädigung für Jörg Kachelmann

12. Juli.: Das Oberlandesgericht Köln verurteilt die „Bild“-Zeitung zu 395.000 Euro Entschädigung an Jörg Kachelmann für die Berichterstattung über den Prozess gegen ihn. Das ist deutlich weniger als in der ersten Instanz: Das Landgericht Köln hatte dem Wettermoderator 635.000 Euro zugesprochen.

Kachelmann ist 2011 vom Vorwurf der Vergewaltigung rechtskräftig freigesprochen worden. In der Berichterstattung über seinen Prozess hat die „Bild“-Zeitung nach Ansicht der Richter in ihrer gedruckten Ausgabe und online Kachelmanns Persönlichkeitsrecht wiederholt schwer verletzt. Eine zielgerichtete Kampagne von Springer zusammen mit anderen Medien erkennt das Oberlandesgericht allerdings nicht.

Für unzulässig hält das Oberlandesgericht zum Beispiel Fotos, die Kachelmann als Häftling im Gefängnishof zeigen. Besonders durch ein Bild, das ihn mit nacktem Oberkörper zeigt, ist er nach Einschätzung des Gerichts „unter Missachtung seiner Würde zur bloßen Belustigung bzw. Befriedigung der Neugier des Publikums vorgeführt worden“. Revision ist nicht zugelassen. Das Medienunternehmen kündigt bald darauf an, es habe eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und wolle so eine Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erreichen.

Freispruch im Fall „Rabauken-Jäger“

9. September: Die Berichterstattung über einen Jäger, der ein verendetes Reh an der Anhängerkupplung seines Autos befestigt und etwa 100 Meter über eine Straße geschleift hat, bleibt für den Journalisten ohne strafrechtliche Folgen. Er hatte den Betreffenden als „Rabauken-Jäger“ bezeichnet. Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock spricht den Lokalredakteur des in Neubrandenburg erscheinenden „Nordkuriers“ letztinstanzlich vom Vorwurf der Beleidigung frei.

Nach Einschätzung des OLG ist die Begriffswahl „im Rahmen der Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Jägers auf der einen und der Meinungs- und Pressefreiheit auf der anderen Seite strafrechtlich nicht zu beanstanden“. Es hebt damit das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg auf. Die Richter dort hatten eine Amtsgerichts-Entscheidung bestätigt, das den Journalisten zu 1000 Euro Geldstrafe verurteilt hatte.
 
Produktplatzierung im „Dschungelcamp“ geht zu weit

23. September: Das Urteil gegen RTL im Streit um eine Keks-Produktplatzierung in der „Dschungelcamp“-Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ ist nun rechtskräftig. Der Fernsehsender hat sich mit einer Niederlage vor dem Verwaltungsgericht in Hannover abgefunden und auf Berufung verzichtet. Die Richter hatten bereits im Februar entschieden, dass es RTL mit der Zurschaustellung eines Keksriegels Anfang 2014 teilweise überzogen habe.

Produktplatzierungen sind nach dem Rundfunkstaatsvertrag im Ausnahmefall unter strengen Auflagen möglich. Im „Dschungelcamp“ gab es aus Sicht des Gerichts aber „eine übertriebene verbale Lobpreisung des Produkts durch Akteure in der Sendung“. Das habe den erlaubten Rahmen gesprengt. Der Fall war vor dem Gericht in Hannover gelandet, weil die Niedersächsische Landesmedienanstalt für RTL zuständig ist.

Der Streit um die „Tagesschau“-App

30. September: Der jahrelange Rechtsstreit um die „Tagesschau“-App geht mit einer Entscheidung zugunsten der Zeitungsverlage und gegen die ARD vorerst zu Ende. Die „Tagesschau“-App, so wie sie am Beispieltag 15. Juni 2011 abrufbar war, sei presseähnlich und damit unzulässig, urteilt das Oberlandesgericht Köln. Es verbietet den ARD-Sendern, die App in dieser Form zu verbreiten. Damit hat die Klage von elf Zeitungsverlagen weitgehend Erfolg.

Das Urteil bezieht sich aber nur auf den einen Tag im Juni 2011, es hat also keine unmittelbaren Folgen. Die Zeitungsverlage fordern nach der Verkündung eine nachhaltige Verringerung des Textangebots auf den Nachrichtenseiten der öffentlich-rechtlichen Sender im Internet. Der Rundfunkstaatsvertrag schreibt vor, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender im Internet präsent sein darf – presseähnliche Angebote sind aber nicht erlaubt, und die Online-Inhalte müssen sich auf Radio- und Fernsehsendungen beziehen.

Unternehmen müssen Rundfunkbeitrag zahlen

7. Dezember: Der Rundfunkbeitrag für Unternehmen ist laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig verfassungsgemäß. Das oberste deutsche Verwaltungsgericht hat die Klagen des Autovermieters Sixt und des Discounters Netto gegen den Westdeutschen Rundfunk und den Bayerischen Rundfunk abgewiesen. Die Unternehmen hatten argumentiert, die Bemessung des Beitrags nach der Anzahl von Betriebsstätten, Beschäftigten und Firmenfahrzeugen sei unrechtmäßig. Unternehmen mit vielen Filialen würden klar benachteiligt. Bereits im März hatte das Gericht den Rundfunkbeitrag für private Beitragszahler für verfassungsgemäß erklärt. Die volle Summe von 17,50 Euro im Monat zahlen muss danach auch derjenige, der gar kein Rundfunkgerät oder nur ein Radio besitzt. [Andreas Heimann/kw]

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  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

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