Brauchen wir einen öffentlich-rechtlichen Newskanal?

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Kritiker bemängeln, die ARD-Berichterstattung über den Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris sei zu spät gekommen und nicht umfangreich genug gewesen. ARD-Intendant Ulrich Wilhelm sieht das anders und bezieht auch Position zu einem neuen Nachrichtenkanal.

Die Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal liegt aus Sicht der ARD nicht in der Hand der öffentlich-rechtlichen Sender. „Es ist letztlich eine Sache des Gesetzgebers“, sagte der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm am Mittwoch in Hamburg zum Abschluss einer Intendantensitzung. Zuletzt seien ähnliche Bemühungen vom Gesetzgeber abgelehnt worden. So seien ein Spartenkanal für Sport und eben auch ein öffentlich-rechtlicher Nachrichtenkanal für nicht nötig erachtet worden. „Natürlich hätten wir im Prinzip die Kraft und auch die Erklärkompetenz, größere Leistungen permanent zu stemmen“, sagte Wilhelm. „Aber hier ist die Entscheidung des Gesetzgebers zu respektieren.“
 
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) teilte am Mittwoch mit, er sehe in der Forderung nach einem öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal einen sinnvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des Rundfunksystems. Sie war in den sozialen Medien am Montag erneut zu hören. Kritiker der Berichterstattung über den Brand in der Kathedrale Notre-Dame in Paris bemängelten, ARD und ZDF seien in das Thema nicht schnell und umfangreich genug eingestiegen. „Ich schließe mich hier keiner Kollegenschelte an, fordere aber, aus der Senderstruktur konstruktive Konsequenzen zu ziehen“, so der DJV-Bundesvorsitzende, Frank Überall.

Wie schnell und in welchem Umfang über herausragende zeitgeschichtliche Ereignisse berichtet werde, dürfe nicht davon abhängen, ob und wie schnell Intendanten und Chefredakteure der ARD-Anstalten Konsens erzielten. „Mit solchen Strukturen lässt sich Erzählfernsehen betreiben, aber nicht ein interessantes und aktuelles Nachrichtenangebot liefern“, teilte Überall mit.
 
Wilhelm konterte währenddessen die Kritik an der ARD-Berichterstattung: Es sei weniger als eine Stunde von der ersten Eilmeldung bis zum fertigen Bericht für die 20-Uhr-Tagesschau vergangen. „Es wurde hier sehr schnell gearbeitet“. Wegen des Turmeinsturzes musste der geplante Bericht außerdem noch einmal überarbeitet werden und konnte deshalb schlicht aus zeitlichen Gründen nicht wie gewünscht an Position 1 der „Tagesschau“ laufen. Das Stück sei in der Sendung platziert worden, sobald es fertiggestellt gewesen sei.
 
Dennoch hätte der ARD gut zu Gesicht gestanden, um 21 Uhr noch einmal eine „Tagesschau extra“-Ausgabe mit einer Schalte nach Paris oder mit einem weiteren Stück über die Entwicklung der zurückliegenden Stunde zu senden, sagte Wilhelm.
 
ARD-Programmdirektor Volker Herres ergänzte, dass es klare Kriterien für einen „Brennpunkt“ gebe. Der sollte einen Mehrwert gegenüber der 20-Uhr-Tagesschau haben und weitere Hintergründe liefern können. „Im Ergebnis hätten wir eine brennende Kirche zeigen können. Und das wollten wir nicht.“ Mehr Informationen habe es zu dem Zeitpunkt – um 20.15 Uhr – einfach noch nicht gegeben. [dpa]

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106 Kommentare im Forum

  1. ..... aber nur, wenn der "neue" Nachrichtenkanal auch wirklich Nachrichten sendet. Von mir aus ab dem Frühstücksfernsehen bis 1 Uhr nachts. Und danach Wiederholungen der Magazine aus den Dritten bzw. der ARD. Ansonsten können wir auch n-tv schauen, bringt genauso viel.
  2. Häh? Habe ich was verpasst? An den Sat- oder Kabelanlagen, mit denen ich zu tun habe, liegt ein Programm namens Tagesschau24 an, seit geraumer Zeit auch als HD-Version. Bin ich der einzige, der das empfangen kann? Stammt das aus dem Halluzinationsgenerator oder gibt es das Programm wirklich? Wenn es das Programm gibt, wozu dann einen weiteren Newskanal? Ansonsten sehe ich vor allem eines: selbst ein Kathedralen-Brand wird inzwischen als Plattform für Öffi-Bashing und als im Netz auch als Plattform für Hass auf den Islam verwnedet - vermutlich wieder mal vor allem von denen, die nichtmal so christlich sind, dass sie regelmäßig in die Kirche gehen.
  3. Tagesschau24 ist kein Nachrichtenkanal. Dort laufen nur zu bestimmten Zeiten Nachrichten und die Privatsender haben eben genau dafür besorgt, dass dieses kein Konkurrenzprodukt zu n-tv und Welt wird – ähnlich wie bei Phoenix damals.
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