Experte: Rundfunkbeitrag wird neue Begehrlichkeiten wecken

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Mit dem neuen Rundfunkbeitrag werden ab 1. Januar alle deutschen Haushalte für die Finanzierung von ARD und ZDF herangezogen. Doch mit Entspannung ist selbst bei eventuellen Mehreinnahmen nicht zu rechnen, denn die Abgabe wird neue Begehrlichkeiten wecken, so Professor Joachim Trebbe.

Ab 1. Januar 2013 zahlt jeder Haushalt und jede Arbeitsstätte für Hörfunk und TV. Egal ob Fernseher, Radio, ein Computer oder Smartphone – die neue Regelung geht davon aus, dass jeder Bürger öffentlich-rechtliche Sender empfangen kann. Mit der lückenlosen Erhebung droht ARD und ZDF ein neuer Verteilungskampf um Geld, prophezeit der Medienwissenschaftler Prof. Joachim Trebbe von der Freien Universität Berlin.
 
 
Beginnt nach Silvester eine neue Ära für die Öffentlich-Rechtlichen?
 
Joachim Trebbe: Zunächst ist die Abgabe ja nur eine technische Variante, an die Gebührengelder zu kommen. Da die Mediennutzung aber nicht mehr an einen bestimmten Gerätetypus gebunden ist, wie etwa noch bis vor zehn Jahren, geht man davon aus, dass überall wo Menschen leben und arbeiten, Radio und Fernsehen empfangen werden können.
 
 
Mit wieviel Geld wird denn bei der neuen Abgabe gerechnet? Jetzt kommen jedes Jahr rund 7,5 Milliarden Euro zusammen.

Trebbe: Die Prognosen gehen davon aus, dass zunächst alles so bleibt, wie bisher. Sollte aber zum Beispiel eine Milliarde weniger hineinkommen oder eine Milliarde mehr, wird es heftige Diskussionen geben, ob man die Abgabe entsprechend erhöht oder senkt. Und auch in der Politik könnten Begehrlichkeiten wach werden, die geringeren Belastungen etwa zugunsten einer Pkw-Maut umzuschichten.
 
 
Wird sich das Programm ändern?
 
Trebbe: Die Inhalte des Rundfunks werden durch die Änderung der Erhebung stärker in die öffentlich Diskussion kommen. ARD und ZDF liefern zwar auch in Zukunft die Grundversorgung, die Bestands- und Entwicklungsgarantie ist ja in einem halben Dutzend von Urteilen zementiert. Aber dadurch, dass die neue Bereitstellungsgebühr in die Nähe eine steuerähnlichen Finanzierung rückt, die sehr umstritten ist, werden sich Zuhörer und Zuschauer fragen, was sie tatsächlich aus dem ganzen Angebot nutzen.
 
 
Die Privatmedien werfen ARD und ZDF vor, sich ungehindert im Internet auszubreiten. Ist die Kritik berechtigt?
 
Trebbe: Es ist zumindest richtig, darüber zu sprechen. Denn die private Presse sieht, dass es einen Player gibt, der einen Vorteil hat: Er ist gebührenfinanziert. Aber es ist sicher nicht der richtige Weg, mit Beschränkungen in diese Konkurrenzsituation einzugreifen. Das Problem wird zum Beispiel in Großbritannien ganz anders behandelt. Dort hat die öffentlich-rechtliche BBC den Auftrag, die digitale Partizipation voranzutreiben, selbst ohne Bezug zum Programm. Aber ARD und ZDF spüren ja schon die Grenzen im Internet. Denken Sie an den sogenannten Drei-Stufen-Test oder das Kölner Urteil gegen die „Tagesschau“-App.
 
 
Wo sehen sie eine Kompromissmöglichkeit in dem Streit?
 
Trebbe: Wenn ARD und ZDF weiter möglichst große Teile der Bevölkerung erreichen wollen, müssen sie an Innovationen beteiligt werden und selbst entwickeln können. Im Grundgesetz und in den Rundfunkstaatsverträgen kann so etwas nicht im Detail geregelt werden. Der neuen Rundfunkbeitrag wird sicher Bewegung in die öffentliche Diskussion bringen. Zum Beispiel die Frage, ob mit Gebühren finanzierte Sendungen im Internet zugänglich bleiben müssen. Viele Leute, die ihr Geld an die GEZ überweisen, können nicht verstehen, dass sie Radio und Fernsehen finanzieren, bestimmte Programminhalte aber nach sieben Tagen aus den Archiven verschwinden.
 
Vielen Dank für das Gespräch.[dpa/fm]

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5 Kommentare im Forum

  1. AW: Experte: Rundfunkbeitrag wird neue Begehrlichkeiten wecken Auch als Professor kann ich "kalte Lötstellen" haben. Ohne über eine geignete Glaskugel zu verfügen kann ich mit einiger Gewissheit sagen das "die neuen Einnahmen" mit Argusaugen von ALLEN Seiten beobachtet werden! Den öR nun schon per se neue Begehrlichkeiten zu unterstellen hat schon was hysterisch-aggresives an sich.
  2. AW: Experte: Rundfunkbeitrag wird neue Begehrlichkeiten wecken Frau Piel hat bereits Begehrlichkeiten angedeutet: WDR kann 2013 fast 1,4 Milliarden Euro ausgeben - DIGITALFERNSEHEN.de
  3. AW: Experte: Rundfunkbeitrag wird neue Begehrlichkeiten wecken Sollte der BR tatsächlich mehr bekommen, geh ich einfach davon aus, das die keine Schulden machen und folgernd allerdings auch an Sparmaßnahmen keinen Gedanken verschwenden.
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