Groebel: „Pay-VoD ist nicht die große Lösung“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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RTL und ProSiebenSat.1 suchen geradezu verzweifelt nach neuen Innovationen und wollen die Frequenz der Quotengaranten sogar erhöhen. Demnächst also ein tägliches Dschungel-Camp oder die tagesaktuelle Suche nach Bauern, Bachelorn und Schwiegertöchtern? DF sprach mit Medienpsychologe Prof. Dr. Jo Groebel, der zudem Leiter des Deutschen Digital Instituts in Berlin ist, über das neue Fernsehverhalten der Deutschen.

Herr Prof. Groebel, die großen deutschen Privatsenderverlieren offenbar an Boden, was die Quoten angeht. ZDF und ARD belegtenschon die ersten beiden Plätze der Top Ten. Braucht es bei dendeutschen Privatsendern gänzlich neue Sendeformate jenseits von CSI,Bachelor, Dschungel und Stefan Raab?
 
Jo Groebel: Die Privatsender haben seit Bestehen vorallem dadurch gepunktet und Quoten geholt, dass sie immer wieder neueFormate entwickelt haben, die als richtungsweisend für die ganzeFernsehlandschaft gelten konnten. Zunächst  aus finanziellenBeschränkungen entstandene trashige, witzige, skandalöse Sendungen, dieden Öffentlichkeitsdrang durchschnittlicher Menschen nutzten, um inCastingshows, Extremwettbewerben oder in Scripted Reality kostengünstigeProduktionen mit guten Zuschauer- und Gewinnzahlen zu verbinden.Inzwischen sind etliche solcher Formate sehr kostenaufwändig geworden,zugleich garantieren sie aber eben nicht mehr den früher üblichenErfolg. Vielleicht fehlt häufig der frühere Billigcharme, eher aber nochgibt es Abnutzungs- und Kannibalisierungseffekte. Die x-te Variationdes immer Gleichen ermüdet sowohl innerhalb der identischen Sendefolgen,erst recht bei angeblich spektakulären neuen, in Wirklichkeit aber auchnur ähnlichen Formaten. Selbst der verlässliche Pool an Dauer-C- bisZ-Promis scheint zu versiegen. Die aber braucht man zumindest, wenn dienotwendigen Schlagzeilen der begleitenden Pressepublicity schon nichtmehr von Skandalformaten zu berichten wissen, sondern nur noch das Aufund Ab mäßig interessanter ‚Persönlichkeiten‘ wiedergeben. Natürlichgibt es daneben die garantierten Quotenbringer Formel 1, einige wenigeTopfilme und -serien. Beim Sport aber greifen die Öffentlich-Rechtlichenansonsten mit ihren gefüllten Gebührenkassen die weitaus meisten Hitsvon vornherein ab. Bei Filmen und Serien sind inzwischen Streamings bishin zum Binge Watching zur immer stärkeren Konkurrenz für die Privatengeworden. Leicht aus der Theorie heraus zu fordern, schwer es zurealisieren: Was fehlt, sind wieder neue mutige Formate, die man nichtschon so oder so ähnlich kennt. Auch die früher mal format-inspirierenden ARD und ZDF ruhen sich offenbar auf ihrenunbestritten soliden und seriösen Erfolgen aus. Sie können es sichleisten. Die Privaten können das nicht. Aber: Die Zeit scheint fürInnovationen seit mindestens fünf Jahren stehengeblieben zu sein.

Nun drängen neue Verbreitungsformen auf den Markt, die sogarein minutengenaues Abrechnen möglich machen würden. Video on Demandkönnte somit nicht nur neue Player hervorbringen, sondern dasAllheilmittel der deutschen Fernsehunterhaltung werden. Ist dasvielleicht ein geeigneter, demokratischer Weg, um herauszubekommen, wasder Zuschauer sehen will, indem er bestenfalls immer pro Sendungbezahlt?
 
Groebel: Das Fernsehverhalten differenziert sichimmer weiter aus. Beim konventionellen TV treten neben synchronesHöhepunktsehen mit hoher – und Parallelkonsum mit niedrigerAufmerksamkeit – immer mehr Abrufangebote. Inhaltlich und formal Neuesspielt sich zudem auf web-basierten Kanälen ab. Nur: Auch diese stärkerauf individuelle Interaktion hin ausgerichteten Formate sind nicht dieLösung, denn sie entsprechen nur selten professionellen,kostenaufwändigen und dazu notwendig massenattraktiven Produktionen. Aufein erfolgreiches Web-Format kommen Zillionen gescheiterte oder garnicht erst ambitionierte Inhalte. Auch Pay-VoD deckt hier nur einenTeilmarkt ab, ist aber nicht die große Lösung. Fernsehen bleibt alsMassenmedium. Es bleibt allemal mit herkömmlichen Formaten. Den Marktaufmischen werden aber zusätzliche neue Formate, die innovativ UNDbreitenpopulär sind.
 
Pay-Angebote scheinen in Deutschland in jedem Falle nicht nurzukunftstauglich, sondern geradezu salonfähig geworden zu sein. Free-TVwird hingegen zum Auslaufmodell von Shoppingsendern,Religionsgemeinschaften und Datingshows heiratswilligerSchwiegertöchter, Bauern und verzogener Yuppies. Ist das schon das Endedes Free-TV in Deutschland?
 
Groebel: Free-TV ist nach wie vor keinAuslaufmodell. Wirtschaftlich gesehen ist es auch für die Privatenselbst bei nur mittel-erfolgreichen Angeboten das ‚Grundnahrungsmittel‘.Vielleicht weckt es keine Leidenschaften, vielleicht widmen wir ihmnicht ständige Aufmerksamkeit, aber es begleitet uns durchs Leben undbesonders durch den Alltag. Zudem schafft es eben doch gemeinsameThemen, die kleinen entspannenden Aufreger, den täglichen Ritus.
 
Das, was uns im Jahre 2015 als Trends verkauft wird, sind oftgegenläufige Entwicklungen. Geht Ihrer Meinung nach der Trend zu immergrößeren Bildschirmen im Heimkino-Format oder gucken wir demnächst docheher auf Apps der Privatsender auf 7 Zoll großen Displays?
 
Groebel: Die ‚Trends‘ sind in Wirklichkeit paralleleEntwicklungen. Der Zuschauer wird es für immer selbstverständlicherhalten, je nach Stimmung und Situation die dazu perfekt passende Technikvorzufinden. Also tagsüber das mobile Kleindisplay für die schnelleInformation, die kurze Ablenkung, abends den Großbildschirm mit HomeTheatre für das Fußballerereignis, das Gemeinschaftsschauen oder dieKultproduktion, wir haben das ja in meinem jüngsten Buch ‚Das neueFernsehen‘ 2014 (Springer Wissenschaft) ganz gut zeigen können.
 
Vielen Dank für das Gespräch![th]

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30 Kommentare im Forum

  1. AW: Groebel: "Pay-VoD ist nicht die große Lösung" Ich weiß nicht, aber dieses Interview ist nichtssagend. Es enthält keine neuen Dinge, die wir nicht schon wussten. Dieses Interview gleicht eher einer Sackgasse. Viele Anmerkungen wurden hier schon vor längerer Zeit immer wieder in verschiedenen Threads besprochen. Also daher nichts neues.
  2. AW: Groebel: "Pay-VoD ist nicht die große Lösung" Da kann ich dir nur Recht geben! Ich sehe kaum noch lineares Fernsehen. Viel zu öde. Da ich HD+ teilweise nicht aufnehmen kann, habe ich das auch nicht mehr. Instant Video und Netflix bringen genau dann, wenn ich es will, was der Content so hergibt. Für mich steht TeVau auf so einem absteigenden Ast...
  3. AW: Groebel: "Pay-VoD ist nicht die große Lösung" Das ist Halt das übliche Geschwurbelvon Meister Groebel. Der hat ja vor ein paar Jahren auch gemeint das sich YouTube und die Mediatheken nicht durchsetzen werden. Ich denke wenn RTL erst seine eigene VOD Plattform rausbringt, sagt er dann , das dies der Startschuss ist.
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