Insolvenzverwalter sahnte ab bei Primacom-Enteignung [Kommentar]

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Verschiedene Akteure verdienen prächtig bei der von Banken aus Eigeninteresse inszenierten Insolvenz der Primacom AG. Allein für Presseinterviews rechnet der Insolvenzverwalter gut 53 000 Euro ab.

Beim ostdeutschen Kabelnetzbetreiber Primacom wird das Tagesgeschäft weiter überschattet durch das illustre Treiben der Banken, die aktuell den Weiterverkauf des angeschlagenen Unternehmens vorantreiben. Derzeit sollen nach Informationen von DIGITAL FERNSEHEN die Verkaufsprospekte vorbereitet werden, für Kaufinteressenten gebe es dann während einer Due Diligence Einblick in die Geschäftsbücher. Branchenkenner bewerten das Unternehmen derzeit auf um die 500 Millionen US-Dollar, also knapp 400 Millionen Euro. Mit einem Verkauf könnte noch dieses Jahr gerechnet werden.
Von der Insolvenz der bisherigen Holding, der Primacom AG, im Juli 2010 werden immer mehr Grausamkeiten der internationalen Finanzstrukturen bekannt. Getreu dem Motto: „In guten Zeiten melken bis zur Bewustlosigkeit, in schlechten Zeiten schlachten“. Die bisherigen Fremdkapitalgeber, internationale Banken wie die holländische ING Bank sowie Hedgefonds, inszenierten eine von langer Hand vorbereitete Insolvenz und suchten sich für ihren Enteignungsplan den Berliner Insolvenzverwalter Hartwig Albers aus. Dieser verkaufte nach nur 10 Arbeitstagen den operativen Betrieb für läppische 1,3 Millionen Euro brutto plus aufgelaufener Schulden an ein Strohmannkonstrukt der Banken. Der perfide Plan der Banken ging damit auf: Die bisherigen Eigentümer zu enteignen und sich selbst den operativ gewinnbringenden Laden zuzuschustern. Damit Albers laut einem Insider „der Bestattungsauftrag einigermaßen Spaß mache“, sei der Kaufpreis auf formal 10 Millionen Euro angesetzt worden. Wobei sich die Banken 8,7 Millionen Euro postwendend wieder zurückzahlten.

Die Rechnung ging zwar nicht für die Aktionäre auf, umso mehr jedoch für die Banken und Albers. DIGITAL FERNSEHEN liegt seine bisherige Abrechnung als Insolvenzverwalter vor. Allein 353 652,35 Euro brutto stellte er für die Abwicklung in Rechnung, das Amtsgericht Charlottenburg genehmigte ihm vor einigen Wochen die ungekürzte Auszahlung. Wir erinnern uns: Das einzige Tafelsilber, den operativen Betrieb, verkaufte er nach lediglich 10 Arbeitstagen gemäß dem Regiebuch der Banken.
Diese 353 652,35 Euro brutto entsprechen 125 Prozent der Regelvergütung und teilen sich wie folgt auf: 25 Prozent (88 413 Euro) setzte er als Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter an, also für die Zeit zwischen dem 18. Juni und dem 5. Juli 2010. Weitere 25 Prozent für erhöhte Haftungsrisiken als vorläufiger Insolvenzverwalter, „die auch durch Abschluss einer Individuelversicherung nicht abzudecken sind“. 10 Prozent (35 365 Euro) des Betrages rechnet er für die „Aufarbeitung und Prüfung der zugrunde liegenden Kreditverträge nach englischem Recht als maßgebliche Verfahrensvoraussetzungen“ ab. Weitere 25 Prozent jeweils für die Betriebsfortführung des inzwischen mittellosen Aktienmantels sowie für besondere Verwertungsprobleme. Diese Verwertungsprobleme seien entstanden, weil die Kreditgeber den schnellen Verkauf zum Schnäppchenpreis an deren Treuhänderkonstrukt forderten.
Für Gespräche mit der lästigen Presse („Sonderaufgaben“) rechnete er 15 Prozent (53 047 Euro) ab. Schließlich führte er Interviews mit dem Handelsblatt, der Financial Times Deutschland, der Börsen Zeitung sowie mit DIGITAL FERNSEHEN. Für die „professionelle Koordinierung … zur Vermeidung kontraproduktiver Reibungsverluste“ beauftragte er für die paar Wochen um den Blitzverkauf seine Haus- und Hofagentur rw konzepte GmbH zum Pauschalpreis von 4 000 Euro.
Für mich als Herausgeber schlägt dies dem Fass den Boden aus. Wie oft haben wir nach dem ersten Interview bei Herrn Albers, seinem Mitarbeiter Sascha Feies sowie Matthias Braun von rw konzepte immer wieder nachgefragt und um weitere Stellungnahmen und Auskünfte gebeten. Insbesondere, als uns die komplette Insolvenzakte vorlag und wir auf viele Ungereimtheiten rund um die inszenierte Insolvenz stießen. Doch es gab nicht einmal einen Rückruf. Man sei ausschließlich nur den Gläubigern zur Auskunft verpflichtet, hieß es stets. Also denen, die die Enteignung geplant hatten. Auch der aktuellen Primacom Holding bzw. Primacom Berlin GmbH sind unsere Recherchen rund um die Schlachtung der Aktiengesellschaft ein Dorn im Auge. Man antwortet uns nicht einmal. Wir nehmen dies als Ansporn weiter im Fall „Primacom-Enteignung“ zu recherchieren. Denn es scheint, dass hier noch viel aufgedeckt werden kann.
Stefan Hofmeir ist Herausgeber des Leipziger Auerbach Verlags, der neben dem Online-Dienst DIGITALFERNSEHEN.de insgesamt 14 Zeitschriften im Bereich Digital-TV, Unterhaltungs- und Hauselektronik sowie Entertainment publiziert.

[Kommentar von Stefan Hofmeir, Herausgeber Auerbach Verlag]

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  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

4 Kommentare im Forum

  1. AW: Insolvenzverwalter sahnte ab bei Primacom-Enteignung [Kommentar] Ein Skandal! Es wird Zeit, dass mal einer den Staatsanwalt beauftragt, hier mit zu recherchieren. Das kann und darf nicht Aufgabe der Presse allein sein, hier nachzuforschen. Ungereimtheiten und Undurchsichtiges häufen sich seit Monaten.
  2. AW: Insolvenzverwalter sahnte ab bei Primacom-Enteignung [Kommentar] Das ist aber bei den allermeisten Insolvenzen kein bisschen anders.
  3. AW: Insolvenzverwalter sahnte ab bei Primacom-Enteignung [Kommentar] Macht doch fast jeder . Würde genauso in die eigene Tasche ... na ja äh . Aber da sieht man mal wieder wie löchrig viele Deutsche Gesetze sind .
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