Netflix: Ein Gespenst geht um in Europa – Kommentar

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Während Netflix in den USA einen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass Geschäftsmodell Video-on-Demand salonfähig zu machen, glänzt der Anbieter in den meisten europäischen Ländern noch mit Abwesenheit. Präsent scheint Netflix dennoch irgendwie zu sein, denn der Erfolg in Übersee scheint auch die hiesigen Märkte wie von Geisterhand in Bewegung zu versetzen.

Nein, mit dem Kommunismus hat Netflix wohl eher nichts gemein, um Missverständnisse ob der kleinen Reminiszenz an Karl Marx in der Überschrift gleich mal aus dem Weg zu räumen. Und es kann auch kaum die Rede von einer Hetzjagd sein, zu der sich die Mächte des alten Europa zusammengefunden hätten. Aber dennoch: Es hat schon etwas Gespensterhaftes, wie das Phänomen Netflix die Gemüter in Deutschland und Europa bewegt, obwohl das zugehörige Unternehmen bislang auf den meisten europäischen Märkten noch überhaupt nicht aktiv geworden ist.

Das Gespenst Netflix beeinflusst den Markt also ohne seine direkte Präsenz. Bestes Beispiel dafür war die Anfang November von ORF-Chef Alexander Wrabetz getätigte Ankündigung einer eigenen ORF-Video-on-Demand-Plattform. Gegenüber dem „Handelsblatt“ begründete Wrabetz den Vorstoß mit dem Argument: „Wir wollen nicht warten, bis Netflix den österreichischen Markt aufrollt.“ Ein kleiner Seitenhieb auf den Anbieter, der Nordamerika scheinbar im Sturm erobert hat. Und auch der Pay-TV-Anbieter Sky soll seinen intern im Aufbau befindlichen VoD-Dienst in Anlehnung an Netflix auf den Arbeitsnamen „Skyflix“ getauft haben. Beide Beispiele zeigen, der VoD-Anbieter ist längst auch in Europa angekommen, ohne jedoch aktiv Präsenz zu zeigen.
 
Der Grund für die Fixierung auf das US-Unternehmen: Netflix ist in seinem Heimatland etwas gelungen, woran europäische Anbieter bislang noch arbeiten und sich zeitweise sogar die Zähne ausbeißen: Das große Geschäfte machen mit Video on Demand – der neuen, non-linearen Form des Fernsehens. Seit Jahren schon wird dem VoD-Markt auch in Deutschland der große Durchbruch vorausgesagt. Er blieb bislang jedoch aus. Dass dies jedoch so bleibt, glauben die Wenigsten. So hatte erst am Dienstag eine Studie des Consultingunternehmens PwC dem VoD-Segment in Deutschland ein riesiges Wachtumspotential vorhergesagt (DF berichtete).
 
Nachdem Netflix nun also bereits Nordamerika im Sturm erobert hat, trauen viele dies dem Unternehmen auch in Europa zu. Darauf warten wollen die potentiellen oder tatsächlichen Konkurrenten jedoch nicht und arbeiten stattdessen fieberhaft an eigenen Lösungen. Dabei ist allerdings längst nicht gesagt, dass Netflix in Europa oder Deutschland überhaupt ähnlich erfolgreich sein könnte, wie in den USA. Was der Anbieter bräuchte, um hierzulande den Markt zu erobern, wären attraktive Inhalte. Diese haben sich in vielen Fällen jedoch längst andere unter den Nagel gerissen.
 
Während ARD und ZDF mit Germany’s Gold sowie RTL und ProSiebenSat.1 mit ihrer geplanten Videothek an der rechtlichen Situation in Deutschland gescheitert sind, muss es dem ORF in Österreich längst nicht so gehen. Grundsätzlich unterschätzen sollte man weder die öffentlich-rechtlichen noch die privaten Anbieter in dieser Sache. Und auch Sky ist beim Projekt „Video-on-Demand“ einiges zuzutrauen. Die nötigen Verwertungsrechte für den Online-Abruf kauft der Anbieter bei neuen Filmen und Serien bereits seit längerem standardmäßig mit ein. Warum also sollte ein klassischer Pay-TV-Anbieter nicht in das neue Geschäftsfeld expandieren können?
 
Wie das funktionieren kann, zeigt derzeit der britische Pay-TV-Marktführer BSkyB (British Sky Broadcasting) mit seinem Online-Service Now TV. Dieser bietet Filme und Inhalte des eigenen Pay-TV-Portfolios auf Abruf. Sogar Sportübertragungen können einzeln zum Streaming freigeschaltet werden. Mit Now TV richtet sich BSkyB nach eigenen Angaben dabei vor allem an die Zuschauer, die kein reguläres Pay-TV-Abo besitzen. Die Frage ist also weniger, ob ein Pay-TV-Anbieter der alten Schule auch VoD kann, sondern vielmehr, wie es ihm gelingt in Zukunft die klassischen Abos und die Abruf-Inhalte parallel – vor allem parallel erfolgreich – zu vermarkten. Die Antwort darauf müssen BSkyB und Co. jedoch selbst geben.
 
Ob und in welcher Form Netflix selbst im deutschsprachigen Raum starten wird, ist trotz nachhaltiger Gerüchte übrigens noch längst nicht in Stein gemeißelt. Allein das mögliche Szenario beflügelt jedoch die Branche und könnte angesichts der genannten Entwicklungen dazu führen, dass sich der hiesige Pay-TV-Markt wie von Gespensterhand aus dem Dornröschenschlaf erwacht. [Patrick Schulze]

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14 Kommentare im Forum

  1. Netflix macht sich interessant, indem man mal mit allen Marktpartner verhandelt und das durchsichern lässt. Dass der deutsche Markt schwieriger wird als andere, hat sich inzwischen sicher auch bei denen herumgesprochen. Und nur weil man Netflix heißt (was für ein blöder Name übrigens), bucht in Deutschland noch keiner Video on Demand. Das schafft momentan kein Watchever, Zattoo oder wer auch immer.
  2. AW: Netflix: Ein Gespenst geht um in Europa - Kommentar Keine Bange - das wird schon. Warum glauben die Deutschen eigentlich immer, dass es hierzulande anders zugeht, als anderswo? ISt doch immer nur eine Frage der Zeit, bis alles was in US boomt auch hier ankommt.
  3. AW: Netflix: Ein Gespenst geht um in Europa - Kommentar Popper hat teilweise schon recht. Ich glaube das Problem sind nicht so sehr die Deutschen an sich (ok, teilweise schon), aber das Hauptproblem ist die Rechtesituation hier. Die ist in anderen Ländern viel einfacher. Hier ist man da deutlich Rückständiger. Und es stimmt natürlich, in Deutschland herrscht die Kultur "alles Neue ist böse". Deswegen sind da natürlich auch die Anbieter vorsichtig. Ich hoffe ja wirklich drauf das Netflix irgendwann zu uns kommt, im Moment ist es noch recht umständlich so mit DNS und Proxy.
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