Moskau – Die Nachrichten aus Deutschland über vorbeugendes Polizeigewahrsam, Sicherheitswall und Demonstrations-Einschränkungen vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm stoßen in den russischen Medien derzeit auf großes Echo.
Die Frage, ob im bevölkerungsreichsten EU- Land mit den Grundrechten noch alles in Ordnung ist, lässt die Russen dabei kalt. Die Staatspropaganda nimmt genüsslich zur Kenntnis, dass auch in Deutschland das Recht auf öffentlichen Protest nicht höchste Priorität hat. Auch Kanzlerin Angela Merkel bekam das bei ihrem jüngsten Russlandbesuch zu spüren.
Beim EU-Gipfeltreffen vor zwei Wochen an der Wolga gab sich der russische Präsident Wladimir Putin generös. Beim Thema Demonstrationsfreiheit wolle man ja gar nicht mit dem Finger auf die Deutschen zeigen, sagte der Kremlchef auf der hitzigen Pressekonferenz. Bestens präpariert ging Putin auf die deutschen Vorbereitungen für den G8-Gipfel in Heiligendamm ein. „In Hamburg wurden 146 Menschen festgenommen“, argumentierte Putin. Es gebe also auch in Deutschland ein vorbeugendes Polizeigewahrsam gegen unbequeme Regierungskritiker.
Merkel entgegnete im Ton der Entrüstung, dass es sehr wohl ein Unterschied sei, wenn die Demonstranten wie in Russland völlig friedlich seien und dennoch am Demonstrieren gehindert würden. Mitte April hatten schwer bewaffnete Einheiten der russischen Sonderpolizei OMON bei nicht genehmigten Oppositionskundgebungen in Moskau und St. Petersburg auf wehrlose Demonstranten eingeschlagen und hunderte Menschen vorübergehend festgenommen. Im Vorfeld der russischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sind bei Demonstrationen Festnahmen an der Tagesordnung.
Den russischen Machthabern sind jegliche Formen des Protestes suspekt. Das Parlament verschärfte im Wahlkampf die Gesetze derart, dass Andersdenkende schnell Gefahr laufen können, als Extremisten oder gar Terroristen ins Gefängnis zu kommen. In den Nachrichten der staatlichen Fernsehsender herrscht der Tenor vor, dass Demonstranten generell ihr Recht auf Versammlungsfreiheit dazu missbrauchen, um Krawalle mit der Polizei anzuzetteln. Als Beweis zeigen sie Bilder von Krawallen am 1. Mai in Berlin oder von Ausschreitungen in den Pariser Vorstädten.
Ausnahme waren zuletzt nur die Berichte über die Proteste russischstämmiger Esten gegen die Verlegung eines sowjetischen Kriegerdenkmals in Tallinn. Obwohl sie Scheiben einschlugen und Läden plünderten, machten die russischen Staatsmedien diese Demonstranten allesamt zu patriotischen „Verteidigern des Bronzenen Soldaten“.
Verständnis oder gar Sympathien für die Globalisierungsgegner in Deutschland sind nicht zu erkennen. Beeindruckt listet der Staatsfernsehsender Rossija die gewaltigen Sicherheitsvorkehrungen für Heiligendamm auf: Flugzeuge, Hubschrauber und vor der Küste Patrouillen von Kriegsschiffen sowie Kampftaucher, die den Meeresgrund vor dem Tagungsort absuchen. „Schon jetzt kann man mit Überzeugung sagen, dass nicht nur jeder Globalisierungskritiker, sondern selbst der kleinste Käfer auf dem Weg zum G8-Gipfel bemerkt wird“, berichtet der russische Korrespondent aus Heiligendamm.
Auf die Spitze trieb es der nationale Fernsehsender am vergangenen Wochenende, als er Auseinandersetzungen von G8-Gegnern mit der Polizei in Deutschland mit dem Vorgehen der Moskauer Polizei bei einer Kundgebung Homosexueller verglich. Geradezu fürsorglich seien die russischen Beamten mit den Schwulen und Lesben umgegangen, berichtete der Sender, ohne auf die Festnahmen und Attacken gegen die Demonstranten einzugehen.
In Deutschland dagegen, so der Tenor des Fernsehberichts, pflege die Polizei durchaus eine harte Gangart gegen Demonstranten. Aber ganz im Sinne Putins schloss der Moderator mit dem Fazit, im Grundsatz sei das Recht auf Versammlungsfreiheit hüben wie drüben gesichert. [fp]
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