Trotz Spott von Raab: „Silberdistel TV“ sendet immer noch

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Von einem Video-Workshop an der Volkshochschule zu einem eigenen TV-Sender bis hin zur Verbreitung im Internet sowie einem Preis von Stefan Raab: „Silberdistel TV“ widerspricht einer Menge der gängigen Klischees.

Am Ende haben sie sogar Stefan Raab überlebt. Stumm und etwas angestaubt steht er auf einem Regalbrett, der „Goldene Ehren-Raab“, den der Moderator dem „Silberdistel TV“ vor Jahren einmal verliehen hat. Es war eine Ehrung, in der vielleicht auch ein wenig Spöttelei steckte. Manfred Houben kann die Trophäe sehen, während er im Studio sein Mikro zurechtrückt. Viel Notiz nimmt er nicht von ihr. Raab hat kürzlich seine TV-Karriere beendet, aber „Silberdistel TV“ sendet weiter. Und Houben, 70 Jahre alt, ist der Moderator.

„Silberdistel TV“ ist ein Fernsehprogramm von und für Menschen im Oma- und Opa-Alter. Es wird auf dem Gelände eines großen Seniorenzentrums in Köln-Riehl produziert. Hunderte Menschen leben hier in Wohnungen und Pflegeheimen. „Silberdistel TV“ entstand, nachdem einige von ihnen 1993 einen Video-Workshop an der Volkshochschule gemacht hatten.

Für das Programm filmen, schneiden und vertonen sie bis heute Beiträge. Sie drehen sich vor allem um das Leben in dem Seniorenzentrum. Es wird über Karnevalssitzungen und Konzerte berichtet oder auch ein Busausflug begleitet. Zu finden ist der Sender im Kabelnetz des Seniorenzentrums. Seit 2014 werden auch Internet-Beiträge auf Youtube hochgeladen. Die kleine ehrenamtliche Redaktion bezeichnet sich selbst als das „wohl älteste TV-Team der Welt“.

Wer schon mal bei einer TV-Produktion dabei war, kennt die Sätze, die sich Moderator Manfred Houben und Kameramann Theo Knour, 77, nun zuwerfen – „Warum habe ich nur eine Tonspur?“, „Hörst du mich?“. Aus dem Hintergrund ruft noch Houbens Frau Ingeborg, 65, rein: „Guck mal, dass du ihn nicht so mit der Hose drauf hast. Das sieht nämlich nicht so gut aus.“ Sie und ihr Mann sind vor rund drei Jahren in Riehl eingezogen. Die Houbens kannten dort niemanden, wollten aber neue Leute kennenlernen. So landeten sie bei der „Silberdistel“.

Experten halten derartige Projekte für keine bloße Spielerei. „Der Gedanke, dass Versorgung und Betreuung alleine nicht ausreichen, findet immer mehr Eingang in den Betreuungseinrichtungen“, erklärt der Altersforscher Uwe Kleinemas von der Uni Bonn. „Viele wissen mittlerweile, dass es im Alter auch um Beteiligen und Fordern geht. Da findet gerade eine Professionalisierung statt.“

Kleinemas spricht von „Teilhabe und Teilgabe“. Zum einen gehe es darum, im Alter nicht isoliert zu sein. „Zum anderen kann man – bildlich gesprochen – seine PS noch mal auf die Straße bringen.“ Der Neurowissenschaftler Hubert Dinse formuliert es so: „Man sollte um Gottes Willen vermeiden, passiv zu werden“. Herausforderungen, am besten gleich auf mehreren Ebenen, seien eine gute Sache.

Und Fernseharbeit fordert. „Es geht auch darum, das Gehirn ein wenig zu trainieren. Das ist Teil der Eigenmotivation“, sagt Herbert Hübner, 72. Er war früher Bewährungshelfer. Viele bei der „Silberdistel“ – die so heißt, weil ihre Macher silbernes Haar haben, sich aber noch zu wehren wissen – haben sich die komplizierte Fernsehtechnik und das Videoschnittprogramm hart erarbeiten müssen.

Ingeborg Houben verbringt pro Woche bis zu zwölf Stunden in dem kleinen Raum, der Studio und Schnittpult vereint. Als ihr Mann bei der Moderation neu ansetzen muss, raunt sie, dass sie nun im Schnitt wieder rumbasteln müsse. Ehemann Manfred ist derweil in seiner Rolle als Moderator komplett aufgegangen. Mit sonorer Stimme gibt er Spazier-Tipps, blickt auf das Jahr 2015 zurück und entlässt seine Zuschauer schließlich mit einem Scherz in das folgende Programm.

Es habe ihn ja selbst gewundert, sagt Houben. „Schon nach vier oder fünf Moderationen wurde ich draußen von wildfremden Menschen angesprochen“, erzählt er. Auf dem Gelände des Seniorenzentrums ist Houben nun jemand, den man aus dem Fernsehen kennt. [Jonas-Erik Schmidt/kw]

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