Und das lineare TV stirbt doch nicht aus!

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Eine Studie enthüllt, dass die Nutzungsdynamiken der immer beliebteren Videoplattformen im Internet sich erheblich von der beim linearen Fernsehen unterscheiden.

Bezahlte Alltagsflucht auf Abruf lässt lineare Langeweile langsam und altbacken wirken – damit ist längst eingetreten, was sich im Internet-Kontext lange niemand vorstellen konnte: Kostenpflichtige Inhalte werden tatsächlich großflächig angenommen und lassen die meist mediokren Produktionen alt aussehen, welche im linearen Fernsehen auf Privatsendern zuvor jahrzehntelang das Unterhaltungsangebot geprägt hatten. 

Doch ganz so platt lässt sich die Entwicklung der Videonutzung in Deutschland wohl doch nicht beschreiben: Tatsächlich erfüllt das lineare Fernsehen mit seinen Regelmäßigkeiten, Nachrichtensendungen zu festen Zeiten und gebetsmühlenartigen Routinen eine ganz eigene Funktion – nämlich gliedert es so den Alltag vieler Menschen. So wie die Nachrichten den Abend einläuten, markiert der Tatort das Finale des Wochenendes.
 
Diese Beobachtungen stammen aus einer Studie, die vom Rheingold Institut im Auftrag von RTL Deutschland durchgeführt wurde. Auch wenn der Gedanke naheliegt, dass die Ehrenrettung des linearen Privatfernsehens einen essenzieller Eigennutzen der RTL-Mediengruppe darstellt, liefert die Studie ansehnliche Vergleiche zwischen zwei Welten – die aufgrund ihrer grundsätzlich unterschiedlichen Dynamiken vielleicht oft zu Unrecht verglichen werden.
 
Die Freiheit, auf Video-On-Demand-Plattformen im Internet aus einer schier unendlichen Auswahl an Filmen und Serien zu schöpfen, stellt den vielleicht relevantesten Umbruch der Medienkultur der verganenen Jahrzehnte dar. So wachsen entsprechende Platformen à la Netflix geradezu exponentiell – und trotzdem bleibt das lineare Fernsehen, welches keine vergleichbaren Freiheiten oder Selbstbestimmheit bieten kann, ein wichtiger Bestandteil des alltäglichen Medienkonsums.
 
Laut Rheingold liegt das an der Tatsache, dass Online-Videokonsum zwar mit einer großen Auswahl und der Möglichkeit des sogenannten Binge-Watchings lockt, aber insofern eher destabilisierende Auswirkungen auf das Leben der Konsumenten haben kann. Suchtverhalten und gegebenfalls soziale Isolation werden als mögliche Konsequenzen angeführt. Währenddessen geht vom linearen Fernsehen dahingehend aufgrund der klar strukturierten und in sich abgeschlossenen Programmteile weniger Gefahr aus: Die für viele fehlende Attraktivität eines zehnstündigen Fernseh-Marathons an einem gewöhnlichen Wochentag ist allein programmbedingt verständlich.
 
Rheingold vergleicht die Video-On-Demand-Welt mit einer Traumblase, die außerhalb von Raum und Zeit existiert und somit enorme eskapistische Anreize bietet – das lineare Fernsehprogramm sei mehr ein alltagsbegleitendes Plätschern, das dem Gewohnheitstier Mensch ohne Uhr-Einblendung die Zeit ansagt wie damals ein Blick zur sinkenden Sonne. So kommt das lineare Fernsehen trotz seines technischen und programmatischen Retro-Flairs über drei Tage weiterhin auf eine Gesamtreichweite von 94% der Bevölkerung, während die Internet-Videoplattformen nur 15% in der gleichen Zeit erreichen. 
 
Für diese ungewöhnlich philosophische Studie wurden vom Rheingold Institut 110 Personen in mehreren Altersgruppen befragt, die sowohl lineares TV als auch VOD-Plattformen nutzen. [rs]

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