[Update] Kika-Herstellungsleiter gesteht und rechnet ab

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Vor Gericht räumt der Ex-Herstellungsleiter des Kinderkanals Kika ein, Millionen in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Neben seiner Spielsucht sieht er dafür auch eine Mitverantwortung beim gebührenfinanzierten Sender.

Er war ein notorischer Spieler, frustrierter Angestellter und großer Verdrängungskünstler: Eine halbe Stunde lang versucht der frühere Herstellungsleiter des Kinderkanals Kika mit einem vorbereiteten Schriftstück vor dem Landgericht Erfurt zu erklären, wie es zu dem bislang wohl größten Millionenbetrug im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gekommen ist.
 
Der 43-Jährige, der sich mit Hand- und Fußfesseln dem Blitzlichtgewitter der Fotografen stellt, muss sich seit Montag wegen Bestechlichkeit und Untreue in besonders schweren Fällen verantworten. Staatsanwalt Frank Riemann wirft ihm einen „Vermögensverlust großen Ausmaßes“ vor, für den der Angeklagte seine Stellung als Amtsträger ausgenutzt habe. Der für den gebührenfinanzierten Kika mit Sitz in Erfurt federführende Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) beziffert den Schaden seit 2002 auf mindestens 8,2 Millionen Euro. Für den Prozess sind wegen der Verjährungsfristen aber nur die Betrügereien seit November 2005 relevant.
 
Demnach wies der inzwischen gekündigte Kika-Manager in den vergangenen fünf Jahren Rechnungen von mehr als 4,6 Millionen Euro ohne Gegenleistung zur Zahlung an eine Berliner Produktionsfirma an. Das Geld habe er sich später mit der Firma geteilt, räumt er die ihm zur Last gelegten Vorwürfe ein.
 
Das Bargeld, so schildert er gefasst und mit ruhiger Stimme, wurde zum Teil in Umschlägen und DVD-Hüllen übergeben. „Ich habe mein Privatleben in Spielbanken verbracht und Vermögen an Automaten verspielt“, begründet der 43-Jährige seinen permanenten Drang nach Geld. Er berichtet davon, wie er manchmal an den Wochenenden bis zu zwölf Stunden im Casino saß und an einem Abend auch schon mal 40 000 Euro verzockte.
 
„Der Automat ist mein bester Freund“. Bei „Lucky Lady“ und Co. vergaß er allen Ärger und Frust: „Je größer die innere Leere wurde, umso mehr habe ich gespielt“. Seine Spielsucht habe er von Beginn an sowohl Freunden als auch Arbeitskollegen verschwiegen – und die Konsequenzen für den von ihm mit aufgebauten Sender ausgeblendet.

Erst in der Untersuchungshaft, in der er seit Dezember 2010 sitzt, sei ihm das Ausmaß klar geworden. „Ich habe so etwas wie Erleichterung gespürt, aus dem Strudel des Spiels herausgerissen worden zu sein“, gibt der Mann im mintgrünen Hemd und Jeans zu Protokoll. Zuvor habe er sich in das Gefühl gerettet, dem Kika nicht zu schaden, sagt der Angeklagte. So habe der damalige Programmgeschäftsführer und heutige NDR-Fernsehdirektor Frank Beckmannihn einst angewiesen, das Jahresbudget des Senders voll auszuschöpfen, damit kein Geld übrig bleibt und zurückfließt. „Dass ich das in dieser Art und Weise getan habe, hat sich Herr Beckmann sicher nicht vorgestellt“.
 
Sein Geständnis nutzt der Angeklagte, dem beim Kika alle betriebswirtschaftlichen Vorgänge unterlagen, auch zur Abrechnung mit seinem früheren Arbeitgeber. Zwar habe außer ihm niemand von den Scheinrechnungen gewusst. Und auch die Mitarbeiter, die die Rechnungen gegenzeichneten, hätten die Richtigkeit gar nicht überprüfen können. Dennoch habe es all die Jahre niemals Nachfragen gegeben, ob hinter den bezahlten Rechnungen auch tatsächlich Leistungen standen.
 
Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des Programmes habe er als Herstellungsleiter nicht besessen. „Auch ich hatte die Wünsche der Programmverantwortlichen umzusetzen“. Seine betriebsorganisatorischen Bedenken seien ignoriert worden, in Verträge und Entscheidungen sei er nicht eingebunden gewesen, habe aber dann die Ergebnisse passend machen müssen. „Die praxisfernen Vorschriften des MDR haben die Arbeit des Kika erschwert“.
 
Außerdem machte ihm nach eigenen Worten das Arbeitsklima im Sender zu schaffen. Der Umgang sei „brutal und rücksichtslos“ gewesen, meint der einstige zweite Mann der Kika-Führungsriege. Er hatte nach dem Start des Senders im Jahr 1997 die Herstellungsleitung übernommen. „Ich war deutlich zu jung, um diese Funktion auszufüllen“, gibt er zu. Er sei in den Anfangsjahren überfordert gewesen, den „Betrieb fast im Alleingang aufzubauen“. Heute sei er sich bewusst, antwortet der 43-Jährige auf Nachfrage des Richters, dass er Hilfe brauche.
 
Zu dem Imageschaden für den Kinderkanal, der ja auch sein Baby gewesen sei, sagt er: „Ich hoffe, dass meine Verfehlungen keine so großen Schatten auf den Sender werfen“. [Annett Gehler]

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  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

1 Kommentare im Forum

  1. ... so 'n Glück! ... dann hat Unser Staat ja wenigstens 40 % der verspielten Summe als Automatensteuer wieder eingenommen. P.S. Wieso wird für eine Schwerverbrecher so ein rührseliger Artikel geschrieben?
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