US-Spionage: Europa fordert Aufklärung der Datenkrake

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Die Spähaktionen der US-Geheimdienste halten die Welt weiter in Atem. Obama sicherte Kanzlerin Merkel in einem Telefonat zu, die Bedenken aus Europa ernst zu nehmen. Vom EU-Parlament wird der Stopp aller Überwachungsmaßnahmen gefordert.

Die Europäer erhöhen den Druck auf die USA, die mutmaßlichen Ausspähaktionen durch amerikanische Dienste aufzuklären. Das EU-Parlament verurteilte am Donnerstag die angeblichen Aktivitäten des US-Geheimdienstes NSA gegen EU-Vertretungen scharf und forderte einen Stopp aller Überwachungsprogramme. Die USA sind nach Einschätzung des litauischen EU-Ratsvorsitzes inzwischen bereit, einer Arbeitsgruppe von Experten aus den 28 EU-Staaten Auskünfte darüber zu geben. In Berlin forderten SPD und Grüne Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich von US-Präsident Barack Obama nicht mit einem Telefonat abspeisen zu lassen.
 
Merkel hatte Mittwochabend mit Obama telefoniert. Der US-Präsident habe dabei versichert, er nehme die Bedenken der EU-Partner sehr ernst, teilte das Weiße Haus mit. Merkel habe Obamas Ankündigung begrüßt, dass die USA ihren Verbündeten Informationen über die Späh-Aktivitäten zur Verfügung stellen würden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
 
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will Ende kommender Woche selbst in die USA reisen, um direkt mit der amerikanischen Regierung über die Vorgänge zu reden. Die Bundesregierung hatte ursprünglich nur eine Delegation auf Arbeitsebene nach Washington schicken wollen.

In einer Resolution des Europaparlaments hieß es, die USA sollten alle Informationen über das Überwachungsprogramm „Prism“ ohne Umschweife zur Verfügung stellen. Die Kommission und die Regierungen sollten bei ihren Verhandlungen mit den USA Druck ausüben. Notfalls sollten sie die Weitergabe von Fluggastdaten und das „Swift“-Abkommen aussetzen. „Swift“ erlaubt den US-Behörden, die Daten von EU-Bankkunden auszuwerten, um Geldströme von Terroristen zu kappen.
 
Die derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, sagte in Vilnius: „Sie (die Amerikaner) sind bereit zu kooperieren, sie sind bereit, zu erklären. … Und das ist wichtig für künftige Zusammenarbeit.“
 
Grybauskaite erläuterte, die Verhandlungen über eine große Freihandelszone von USA und EU würden vermutlich am Montag (8. Juli) wie geplant beginnen. Allerdings sei das Datum noch nicht endgültig beschlossen. Zugleich wird parallel über Datenschutzprobleme gesprochen: Dabei geht es um ein US-Gesetz, das das Abhören im Ausland erlaubt.
 
Es gebe jedoch noch eine dritte Arbeitsgruppe, sagte Grybauskaite. Diese solle im Gegensatz zu den beiden anderen nicht von der EU-Kommission besetzt werden, sondern aus Experten einzelner EU-Regierungen bestehen. Die Fachleute sollten über die Überwachungsaktionen der USA in Europa reden.
 
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte mit Blick auf die Zusicherung Obamas an Merkel: „Wenn solche ungeheuerlichen Enthüllungen seit dreieinhalb Wochen bekannt sind, erwarte ich mehr als die Zusicherung, das prüfen zu wollen.“ Es müsse doch für die US-Regierung inzwischen möglich sein, die schweren Vorwürfe entweder zu bestätigen oder zu dementieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte in der ARD und bei „Spiegel online“, der Generalbundesanwalt müsse nach Moskau fliegen, um den Geheimexperten Edward Snowden zu befragen. Dieser hatte die Ausspähaktionen öffentlich gemacht. Der 30-Jährige hofft seit knapp zwei Wochen auf politisches Asyl, um den Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo verlassen zu können.
 
Nach einem Bericht der „New York Times“ lassen die USA auch den gesamten Briefverkehr innerhalb des Landes registrieren. Absender und Empfänger jeder über den staatlichen Postdienst USPS verschickten Sendung werden von Computern abfotografiert. Rund 160 Milliarden Sendungen sollen in dem mutmaßlichen Überwachungsprogramm „Mail Isolation Control and Tracking“ (MICT) vergangenes Jahr fotografiert worden sein. Die Zeitung beruft sich dabei unter anderem auf Mitarbeiter des US-Justizministeriums und auf einen ehemaligen Agenten der amerikanischen Bundespolizei FBI. [dpa/hjv]

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