Volker Herres: Qualität und Quote sind vereinbar [Interview]

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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ARD-Programmdirektor Volker Herres ist zufrieden mit der Resonanz auf die seit Herbst früher angesetzten „Tagesthemen“. Außerdem beteuerte er im Interview, dass sich die Krise bei der ARD-Filmtochter Degeto nicht auf das Programm auswirken werde.

Sehgewohnheiten können nicht über Nacht gebrochen werden

 
Die „Tagesthemen“ haben nach Ansicht von ARD-Programmdirektor Volker Herres von der Neustrukturierung des Abendprogramms im Herbst 2011 profitiert. 170 000 Zuschauer seien ein Zugewinn, auch wenn die Marktanteile wegen der früheren Sendezeit etwas nach unten gegangen seien, sagte Herres in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Die Krise bei der ARD-Filmtochter Degeto, die ihre Etats überzogen hat, wirkt sich laut Herres nicht aufs Programm aus. Es würden keine Versorgungsengpässe entstehen, der Zuschauer werde auf seine Kosten kommen.
 
Herr Herres, Ende 2010 haben Sie recht laut von der Marktführerschaft im Jahr 2012 geträumt. Das Ziel scheint angesichts der programmlichen Situation derzeit weit entfernt zu sein.
 
Volker Herres: Ich habe es so nie gesagt, ich habe nur nie dementiert, wenn es mir in den Mund gelegt wurde. Aber ich will mal anders antworten: Wir wollen auch 2012 unser Qualitätsversprechen in allen Genres einlösen. Das ist der Kernauftrag, den wir haben: Wir betreiben nicht Quotenmaximierung um jeden Preis, sonst könnten wir vieles von dem, was wir wollen, umfangreiche Information oder fiktionale Experimente wie den Dreiteiler „Dreileben“, nicht machen.
 
Natürlich wollen wir mit unserem Programm nicht am Publikum vorbeisenden und möglichst vorne liegen. Und 2012 werden uns zwei sportliche Großereignisse, die in unserer Zeitzone liegen, begünstigen, was die Marktanteile anbelangt: die Olympischen Spiele und die Fußball-Europameisterschaft. Und dann schauen wir mal, wo wir Ende des Jahres stehen, in jedem Fall irgendwo vorn.
 
Ist nicht auch die qualitative Komponente zurzeit ein Problem, zumal einige abendliche Talks nach der Neupositionierung immer noch auf der Suche nach ihrer Form sind?
 
Herres: In toto haben wir die Erfahrung gemacht, dass Qualität und Quote sich vereinbaren lassen, dafür fallen mir unendlich viele Beispiele ein. Beim neuen Sendeschema war das Ziel nicht die Quotenmaximierung, sondern den uneinheitlichen Beginn der „Tagesthemen“ am Mittwoch zu begradigen, und das hat natürlich auch seinen Preis gefordert. Die „Tagesthemen“ haben davon profitiert, sie haben 170 000 Zuschauer mehr, haben aber an Marktanteilen verloren, da sie zu einer früheren Tageszeit gesendet werden. Das wussten alle, die damit zu tun hatten, vorher.
 
Sendeplatzverlegungen wie bei Frank Plasbergs Talk „Hart aber fair“ führen immer zu Akzeptanzschwierigkeiten, weil das Publikum Veränderungen bei vertrauten Sendungen nicht sehr schätzt. Aber Plasberg behauptet sich am Montag stärker als das Programm, das wir vorher auf diesem Platz gesendet haben.
 
Aber hätten Sie gedacht, dass ein Reinhold Beckmann nach seiner Verschiebung von Montag auf Donnerstag unterm Strich dann doch so viele Zuschauer verliert?
 
Herres: „Beckmann“ hat es sicher am Donnerstag schwer, mit „Maybrit Illner“ gegen eine Sendung anzutreten, die vorher beginnt und dann nahtlos übergeht in das Format von Markus Lanz. Seine inhaltlich unverändert starken Gespräche sind starker Konkurrenz ausgesetzt.
 
Also vielleicht doch wieder zurück auf den Montag mit „Beckmann“?
 
Herres: Derzeit gilt das Schema, das wir im Sommer in Kraft gesetzt haben. Niemand hat die Absicht, aktuell irgendetwas daran zu ändern. Und wer das Fernsehgeschäft kennt, der weiß, dass außer der „Tagesschau“ um 20 Uhr nichts für ewig ist im deutschen Fernsehen.
 
Der Aufschwung im Vorabendprogramm, in dem drei neueKrimiserien laufen und auch Kai Pflaumes Quiz „Drei bei Kai“, steht auchnoch aus.
 
Herres: Wir haben zunächst unsere tägliche Serie“Verbotene Liebe“ in eine längere Fassung gebracht, sie dadurchstabilisiert, und da ist noch weiter Luft nach oben. Was die Serienunter der Dachmarke „Heiter bis tödlich“ anbelangt, muss man sagen:Klar, dass man Sehgewohnheiten am Vorabend nicht über Nacht brechenkann. Ich bin optimistisch, weil die Serien inhaltlich gut gemacht undregional verortet sind und doch gemeinsames Zuschauerversprechen haben.Im Frühjahr starten drei weitere – mal schauen, wie sich die auf Dauerbewähren. Wir haben sie bewusst mit langem Atem angelegt.Überrascht von Gottschalks Leidenschaft und Engagement

 
Jetzt kommt ab 23. Januar mit Thomas Gottschalk der Messias, der das Vorabendprogramm retten soll. Aber der redet in Zusammenhang mit dem ARD-Vorabend schon jetzt von der „Todeszone“.
 
Herres: Er hat gesagt, dass er aus der Todeszone angreifen will. Das ist doch gut. Er will damit wohl sagen, dass der Vorabend die am meisten umkämpfte Strecke im TV ist. Dort verkaufen alle Werbung, auch ARD und ZDF, somit übernimmt er keine leichte Aufgabe. Ich bin überrascht über seine Leidenschaft und sein Engagement, die er jetzt schon an den Tag legt. In seiner Sendung wird er die Dinge anpacken, die es nicht in die „Tagesschau“ schaffen. Er hat Sinn für Komik, er ist Meister der Improvisation, er hat Gäste und Einspieler. Im Mittelpunkt steht aber immer einer: Gottschalk.
 
Ist Gottschalk auch für weitere Einsätze in der ARD startbereit – ein „Wetten, dass..?“ in der ARD vielleicht?
 
Herres: Erstmal wird Gottschalk am Vorabend ankommen, vier Mal die Woche aktuell am Tag produziert. Ich kann mir natürlich vieles vorstellen, aber das ist derzeit kein Thema. Er hatte die größte Show, die er haben konnte, im ZDF. Er wird sich jetzt auf den Vorabend im Ersten konzentrieren wollen.
 
Aber wollen Sie sich nicht ein bisschen aus dem Fenster lehnen – vielleicht so vier, fünf Abendshows im Jahr – wäre doch kein Problem für den Grand Seigneur Gottschalk?
 
Herres: Wenn Sie wüssten, wie hier der Wind ums Hochhaus pfeift, kämen Sie nicht auf die Idee, sich aus dem Fenster zu lehnen.Degeto-Krise hat keine Folgen für das Programm

 
Die ARD-Firma Degeto ist ins Schlingern geraten – wegen überzogener Etats muss die Produktion gedrosselt werden. Hat das Folgen für das Programm?
 
Herres: Bei der Degeto ist – wenn man so will – etwas über den Durst hinaus bestellt und eingekauft worden, fürs Programm hat das keine Folgen. Die Produktionen werden zur Ausstrahlung gebracht und der Programmfluss wird sich wieder verstetigen, das Publikum wird also nicht darunter leiden.
 
Sie sind doch auch verantwortlich für die Gesamtsituation, weil Sie nebenamtlicher Degeto-Geschäftsführer sind…
 
Herres: …der nach der Geschäftsordnung nicht operativ tätig ist. Sie schließt das aus. Ich verantworte auch keine Projekte, sondern habe vielmehr eine Koordinationsrolle zur Fernsehprogrammkonferenz, in der ich sage: Das brauchen wir, und das möchten wir bestellen.
 
Welche Höhepunkte hat ihr Programm im nächsten Jahr im Bereich Fiktion zu bieten?
 
Herres: Herausragende Filme sind bei uns zum Beispiel „Die lange Welle hinterm Kiel“ nach Pavel Kohout gleich zu Jahresbeginn, und später im Jahr der Einteiler „Rommel“, „Der Turm»“nach Uwe Tellkamps Roman als Zweiteiler, „Das andere Kind“ nach Charlotte Link und nicht zu vergessen „Die Heimkehr“ nach Motiven von Hermann Hesse anlässlich seines 50. Todestags.
 
Vielen Dank für das Gespräch![dpa/rh]

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